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Tiergesundheit

Weideparasiten kontrollieren

Kühe auf Weide
Eberhard Westhauser
am Freitag, 28.05.2021 - 07:31

Schwer kranke Tiere, die ihre Leistung nicht mehr bringen? Das Thema Tiergesundheit auf der Weide ist sehr aktuell. Der Naturlandverband organisierte dazu ein Online-Seminar mit Prof. Dr. Gabriela Knubben-Schweizer.

Der Weidegang für alle Wiederkäuer sei ein wichtiger Punkt in der ökologischen Tierhaltung und habe beim Konsumenten und Vermarkter einen zentralen Stellenwert, sagte der Allgäuer Naturlandberater Sebastian Wagner. Zugleich bedeute mehr Weidegang für das Tier aber auch mehr Möglichkeiten, sich zu infizieren und zu erkranken. Dieser Konflikt sei anhand der Parasitenproblematik sehr deutlich zu erkennen.

Das Problem: Magen-Darm-Würmer (MDRW)

Der Vortrag von Gabriela Knubben-Schweizer, Lehrstuhlinhaberin an der LMU München, erwies sich als großer Gewinn. Das hing wohl auch mit ihrer Überzeugung zusammen: „Parasiten sind meine Leidenschaft“, ließ die Professorin vielsagend wissen. „Unsere Sorgenkinder beim Rind sind die Magen-Darm-Würmer und der große Leberegel, während der Pansenegel und der große Lungenwurm in Bayern eine eher untergeordnete Bedeutung haben“, stellte Knubben-Schweizer fest.

MDRW überwintern als Larven auf der Weide oder sie legen eine Ruhepause im Rind ein. Sind die Klimabedingungen im Frühjahr günstig, beginnt die Weideverseuchung: Rinder, die weiden, nehmen mit dem Gras die Larven auf, die auf den Futterpflanzen sitzen. Diese Larven können im Körper des Tieres innerhalb von drei Wochen zu geschlechtsreifen Würmern heranreifen. Deren Eier gelangen dann mit dem Kot erneut auf die Weide. Der Druck der Parasiten wird im Laufe der Zeit immer größer und ist von Juli bis September am höchsten.

Magen-Darm-Würmer schädigen die Schleimhäute im Darm. Infizierte Rinder nehmen Futter nicht mehr in ausreichender Menge auf und können es auch nicht mehr richtig verwerten. Je nach Menge der Würmer und Status des Immunsystems kann starker Gewichtsverlust einsetzen. Leistungsabfall ist die Folge. Gesunde Tiere mit guter Immunität, die keinem Stress ausgesetzt sind, können sehr wohl dem Parasitenbefall etwas entgegensetzen.

„Man muss nicht gleich medikamentös vorgehen. Nur wenn der Parasitenbefall ein bestimmtes Maß überschritten hat, dann helfen die beste Immunität und Fütterung nichts!“, erklärte die Ärztin. Eindeutige Symptome bei MDRW sind Abmagern durch reduzierte Futteraufnahme, ein stumpfes Haarkleid oder, bei Leberegelbefall, wässriger Durchfall. Mit Lungenwürmern infizierte Tiere sind meist schwer krank, „da darf man nicht lange zusehen, sondern muss sofort behandeln.“ Neben der Tiergesundheit haben Parasiten immer auch wirtschaftliche Konsequenzen: Mit MDRW infizierte Kühe haben eine bis zu 2 kg geringere Milchleistung/Tag, auch beim Leberegel sind es 1 bis 2 kg weniger.

Weil nicht alle Tiere gleich stark infiziert sind, oft sind es nur 20 %, sollten möglichst nur die „richtigen“ Tiere oder Tiergruppen behandelt werden (gezielte und selektive Behandlung) und dabei so wenig Arzneimittel wie möglich verabreicht werden. Neben der Tierbeobachtung lassen sich durch Diagnostik exakte Ergebnisse ermitteln. So kann der große Leberegel durch Milch- und Blutuntersuchung, der Pansenegel und die MDRW-Würmer durch Kotuntersuchung nachgewiesen werden.

Konkret lässt sich der Infektionsdruck durch das Ausschalten der Zwischenwirte senken. Beim Großen Leberegel ist es die Zwergschlammschnecke, die ihren Lebensraum in Gewässern, aber auch an Tränken oder in vernässten Stellen auf der Weide hat. Ein infiziertes Rind setzt über den Kot die Eier ab, aus denen Miracidien (Larven) schlüpfen, die sich in die Haut von Schlammschnecken bohren, sich dort massenhaft vermehren, und die Schnecken wieder verlassen. Es gibt keine Infektion von Rind zu Rind, nur über den Zwischenwirt (Schnecke). Die Rinder infizieren sich durch die Aufnahme von Gras, auf dem die Larven (Cercarien) sitzen, die . Die Lebensdauer der Eier beträgt circa 6 Monate, die der Larven bis zu einem Jahr. Um Tiere vor einer Infektion effektiv zu schützen, könnte man drainieren. Die Betonung liegt aber auf „könnte“, denn Drainieren ist aufgrund einschlägiger Naturschutzvorgaben „out“.

Eine weitere Möglichkeit wäre das Auszäunen der Lebensräume der Zwischenwirte. Zu bedenken gibt Prof. Knubben-Schweizer, dass die Schnecke nicht nur unmittelbar am oder im Gewässer sitzt, sondern größere Distanzen überwinden kann. „Auszäunen kann eine Scheinsicherheit bewirken, denn Schnecken halten sich nicht an Zäune!“

Fakt ist jedoch auch, dass selten alle Weideflächen betroffen sind. Ein untrügliches Zeichen für das Vorhandensein des Zwischenwirts sind Binsen. Deshalb ist die Beobachtungsgabe des Praktikers so wichtig. Am effektivsten ist ein Weidemanagement, welches Zeiten mit einem hohen Larvenvorkommen meidet, kombiniert mit einem selektiven Entwurmen behandlungsbedürftiger Tiere. So lassen sich auch zunehmende Resistenzen reduzieren.

Einige Tipps zur Weidehygiene

Weidehygiene ist wichtig, hier ein paar Tipps:

  • Vornutzung der Fläche zur Silage- oder Heunutzung verringert den Infektionsdruck von wurmbelasteten Flächen. Die Kapsellarven haben eine Lebensdauer von bis zu einem Jahr, in der Silage sind es nur zwölf Tage.
  • Ein später Weideaustrieb für Jungrinder. Bei höheren Temperaturen nimmt die Zahl infektiöser Larven ab. Mitte bis Ende Mai ist die Zahl der überwinterten Larven am geringsten. Flächen, die im Herbst gemäht und nicht nachgeweidet wurden, sind für Jungrinder besser geeignet, da sie weniger verseucht sind.
  • Keine Frischgülle oder Frischmist auf Flächen ausbringen, die später beweidet werden sollen.
  • Unterbindung des Lebenszyklus der Würmer durch zweiwöchigen Weidewechsel.
Ein nützliches Instrument für die Praxis ist der so genannte Entscheidungsbaum. Unter www.weide-parasiten.de sind insgesamt vier Entscheidungsbäume kostenlos zugänglich: Jungrinder in der intensiven Milchviehhaltung, Mutterkuhhaltung, Lämmer in der intensiven Schaf- und Ziegenhaltung.

Entscheidungsbaum für die richtigen Maßnahmen

Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei in der Bekämpfung der MDRW. Mit Hilfe der Beantwortung von Ja/Nein-Fragen wird durch den Entscheidungsbaum navigiert. Am Ende steht dann eine Empfehlung, die den Nutzer befähigt, über spezifische Maßnahmen des Weidemanagements einem Befall der Weidetiere mit Endoparasiten vorzubeugen. Die Entscheidungsbäume geben Tierhaltern Hilfestellung sowohl für prophylaktische Maßnahmen als auch beim Erkennen des richtigen Behandlungszeitpunktes.
Allerdings: Wer mit Rindern zu tun hat, hat auch mit Würmern zu tun. Auch wenn die Biologie der Parasiten inzwischen in vielen Bereichen genau erforscht ist, werden die Würmer immer wieder eine Möglichkeit finden, sich im Wirtstier anzusiedeln. Sie können nie vollständig und dauerhaft aus dem Bestand eliminiert werden. Eberhard Westhauser