Auf dem Obsthof der Familie Röhrenbach in Immenstaad-Kippenhausen/Bodenseekreis ging heuer die offizielle Eröffnung der Apfelernte über die Bühne. „Nebenbei“ wurden die neuen Apfelhoheiten gekrönt.
Von einer durchschnittlich guten Apfelernte sprach , der zusammen mit Erich Röhrenbach den Vorsitz der Obstregion Bodensee innehat. „Nach einer typischen Vegetationsperiode mit genügend Niederschlag entwickeln sich die Früchte in guter Qualität mit hervorragendem Geschmack“, so Heilig. Aufgrund der hohen Erntemengen 2018 seien die Lagerbestände aber noch nicht vollständig geräumt, so dass sich die Preise für die neue Ernte nicht so entwickelt haben wie es notwendig gewesen wäre.
Angesichts der unterdurchschnittlichen Ernteprognosen in Europa hofft er aber, dass sich die Preise für Bodenseeäpfel nach oben bewegen. „Wir produzieren nachhaltig gesundes und geschmackvolles Obst, das zu einem fairen Preis verkauft werden soll. Trotzdem gab es in der ablaufenden Saison Auszahlungen, die weit unter den Produktionskosten lagen. Wir fordern Preise, die unserem Produkt gerecht werden und unseren Familienbetrieben die Existenz sichern.“
Image der Obstbauern geschädigt

Heilig erneuerte die bereits von seinem Vorstandskollegen Röhrenbach vorgebrachte Forderung nach einer bezahlbaren Mehrgefahrenversicherung und der Möglichkeit einer steuerfreien Rücklagenbildung. „Hierzu benötigen wir die Hilfe der Politik. Unterstützen Sie uns, um einen wetterbedingten Ernteausfall zu überstehen!“
Nach wie vor ist die Problematik der Gewässerrandstreifen aktuell. Die größte Sorge bereitet den Obstbauern in Baden-Württemberg aber das Volksbegehren „Pro Biene“. „Wir sehen uns hier durch falsche Argumentation und Berichterstattung zu Unrecht an den Pranger gestellt“, spricht Heilig für seine Berufskollegen. Das Image der Obstbauern werde durch diese Kampagne sehr geschädigt. Es gebe sehr viele fundierte, wissenschaftlich belegte Ergebnisse, die das Gegenteil beweisen.
„Nach mehreren Kontakten mit den Gründern der Pro Biene GmbH mussten wir aber feststellen, dass wir mit wissenschaftlich belegten Argumenten nicht weiterkommen.“ In Gesprächen mit Imkern aus der Region, habe sich aber bestätigt, dass der Pflanzenschutz, konventionell wie auch biologisch, den Bienen nicht schadet, und deshalb auch nicht mit dem Bienensterben in Verbindung gebracht werden dürfe.
Artenschutz sei nicht, nur mit dem Finger auf die Landwirtschaft zu zeigen

Auch Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO), plädierte dafür, sich hinsichtlich des Volksbegehrens deutlich hinter die Landwirtschaft bzw. den Obstbau zu stellen und das Projekt nicht zu unterstützen. Artenschutz sei nicht, nur mit dem Finger auf die Landwirtschaft zu zeigen, sondern gehe auch die Gesellschaft insgesamt etwas an, sie sei mitverantwortlich.
Müller regte an, auf Gemeindeebene die Begrünung von Flachdächern im Baurecht vorzuschreiben, statt immer nur Ökoausgleich draußen in der Landwirtschaft zu fordern. Ebenso erachtet er die Mehrgefahrenversicherung für die Zukunft als notwendig, denn der Klimawandel sei nicht aufzuhalten. „Da ihn alle hervorbringen oder mitverantworten, ist dies auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe.“
Ob bio oder konventionell es kann sehr schwierig werden
Sowohl globalisierte Agrarmärkte als auch ein beschleunigter Klimawandel stellten die Landwirtschaft und vor allem auch den Obstbau vor existenzielle Herausforderungen, stellte die Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Friedlinde Gurr-Hirsch, MdL, fest. Auf gewohnt hohem Qualitätsniveau ausreichende Mengen zu erzeugen und zu befriedigenden Preisen für die Erzeuger an den Markt zu bringen, werde unter diesen Umständen zunehmend schwieriger.
Die Herausforderungen für die Obstbauern seien vielfältig. Der Apfel- bzw. Obstgenuss solle wieder in die Wahrnehmung der Menschen kommen und der Trend wieder nach oben gehen. Dem komme die Sensibilisierung für die Ernährung entgegen. Der Trend, sich an Bioprodukten zu orientieren, schreite zwar fort, aber nicht in dem Maße wie es die Protagonisten vom Volksbegehren unterstellen.
Handlungsbedarf sieht die Staatssekretärin bei dem alles überlagernden Volksbegehren, weil es vor allem darauf abziele, das Naturschutzgesetz zu ändern und das Landeskulturgesetz zu gestalten. Angestrebt werde eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes insgesamt bis zum Jahr 2025 um 50 %. Zudem möchten die Initiatoren des Volksbegehrens, zwei Imker, die das freie Institut für ökologische Bienenhaltung gegründet haben, die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Baden-Württemberg bis 2035 auf 50 % erhöht sehen.
„Wir sind uns alle darüber im Klaren: Wenn all diese Forderungen Gesetz werden, kann die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ob bio oder konventionell, sehr, sehr schwierig werden“, befürchtet Gurr-Hirsch existenzielle Probleme, vor allem bei den Sonderkulturen. Daher gelte es, das Volksbegehren mit einem klugen Alternativvorschlag zu begleiten. Die Stimmung der letzten Monate und Jahre zeige, dass die Menschen für die Artenvielfalt alles tun wollen. „Da sie es nicht können, glauben sie, es an die Landwirtschaft delegieren zu können.“ Diese Stimmung gelte es sorgsam in vernünftige Bahnen zu lenken.
Der Fokus ist aus der Sicht der Staatssekretärin nur auf die Landwirtschaft gerichtet, dabei könne jeder selbst etwas für die Artenvielfalt tun. Etwa im eigenen Vorgarten. Die pflegeleichten Steinwüsten außer Acht gelassen, könnten auch normal gepflegte Gärten mit bestimmter Staudenbepflanzung artenfreundlicher gestaltet werden. Diese Dinge müssten ein Stück weit in die Diskussion eingebracht werden. „Das muss eine allgemeine Angelegenheit werden, es kann nicht bei den Landwirten, Winzern und Obstbauern abgeladen werden. Die Landwirte sind nicht das Problem, sie sind Teil der Lösung!“ solche Umweltleistungen müssten natürlich abgegolten werden.
Die bereits von den Vorrednern thematisierten Mehrgefahrenversicherungen seien von Minister Peter Hauck schon im Bundesrat eingebracht worden, aber das Thema sei noch nicht mehrheitsfähig. Bayern und ein paar andere Bundesländer ziehen mit; im von Trockenheit geplagten Brandenburg sei die Interessenslage anders. Darüber hinaus geht es auch um die Finanzierung seitens des Bundes.

Die neuen Apfelhoheiten wurden bei der Saisoneröffnung gekrönt: (v. l.) Thomas Heilig, Apfelprinzessin Franziska Grundler, Franz Josef Müller, Friedlinde Gurr-Hirsch, Apfelkönigin Julia Heimgartner, Erich Röhrenbach und Apfelprinzessin Lena Bentele
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Jahresverlauf hat gepasst
Am östlichen Bodensee, also im Lindauer Gebiet, hat es laut Martin Nüberlin heuer „gepasst“: keine Übermenge, sondern nur ein mittlerer Ertrag mit sehr guter Qualität. „Allerdings dauert die Ernte noch an“, hofft der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern auf keine besonderen Vorkommnisse wie der Frost vor zwei Jahren und die enormen Mengen im letzten Jahr, die die Preise drückten.
Die geschilderten Probleme im Pflanzenschutz etc. seien auf der bayrischen Seite gleich. Nüberlin sieht die Bayern indes schon ein Stück weiter, weil sie nahezu von der Initiative „Rettet die Bienen“ überrollt worden seien. „Wir wissen nicht, wie wir in Zukunft die Anforderungen erfüllen sollen.“ Im Hinblick auf die Pflanzenschutzreduzierung bemühe man sich jetzt schon, aber der Verbraucher will einwandfreie Ware. „Wir stehen unter gewaltigem Druck, auch emotional. Es gibt sehr wenig Lehrlinge und die Stimmung ist miserabel.“
Sehr gute Noten für den Geschmack

Einen aktuellen Marktbericht lieferte Dr. Egon Treyer von der Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG (MaBo). Die Apfelernte am Bodensee habe mit Summerred, Gravensteiner, Delbard und der Birne Williams begonnen. Neu hinzugekommen sei bei Apfel die Frühsorte SweeTango, die von der Universität Minnesota stammt. Durch das saftig-süße, leicht säuerliche spritzige Fruchtfleisch erreichte sie bei Verkostungen in der Testphase sehr gute Noten. Die sehr dünne Fruchtschale hat eine hellgelb bis hellrote, flächige ansprechende Deckfarbe.
SweeTango zählt zu den Klubsorten und steht derzeit in den deutschen Anbauregionen am Bodensee, in Mittelbaden und im Alten Land im Anbau. Am Bodensee sind es bis jetzt etwa 25 ha, Tendenz steigend. Das Gesamtkontingent für Deutschland sei allerdings begrenzt.
Für den Bodensee beträgt die geschätzte Erntemenge 250 000 t. Davon könnten die beiden großen Lagersorten Elstar und Gala um 70 000 t
ausmachen. Die Vielfalt erweitert sich um die Sorten Cox, Rubinette, Boskoop und dann Topaz. Danach wird bei der Birnensorte Xenia eine Erntemenge von etwa 3000 erwartet, von insgesamt rund 5000 t Birnen am See. Dann folgen die Apfelsorten Jonagold, Jonagored und Red Jonaprince mit zusammen um 75 000 t,
was etwa zwölf Prozent weniger als im Vorjahr sein wird.
Darauf folgen die späteren Sorten Kanzi, Evelina und Pinova, Anfang Oktober Cameo und danach Braeburn und KIKU. Insgesamt sei die diesjährige Ernte gut zwei Wochen später dran. Qualitativ und geschmacklich seien die diesjährigen Tafeläpfel aber deutlich ausgeglichener als im Vorjahr, da die Wärme- und Wasserzufuhr bisher ausgeglichener war.
Zu den geschätzten 250 000 t Äpfel aus dem Bodenseeraum kommen aus Norddeutschland rund 265 000 t dazu, aus Sachsen 83 000 t. Damit werde in Deutschland insgesamt eine unterdurchschnittliche Ernte von 912 000 t erwartet, was einem Minus von 17 % entspricht.
Geringere Ernte in anderen europäischen Ländern
Die europäische Apfelernte mit vorläufigen 10,6 Mio. t hängender Ernte soll sogar 20 % unter dem Durchschnitt liegen, sagte Treyer, der daher „Spielräume im Markt“ erwartet. Die Menge in Westeuropa mit zusammen um fünf Mio. Tonnen sei allerdings so hoch wie im Vorjahr. Dagegen falle die Ernte in den osteuropäischen Ländern aufgrund von Frösten um etwa 30 % geringer aus.
Die Verarbeitungsindustrie werde laut Treyer deutlich aufnahmefähiger sein als im Vorjahr. Zudem gebe es in diesem Herbst keine große Eigenversorgung in den Hausgärten und im Streuobstanbau.
Die Birnenernte in Europa werde auf 2,05 Mio. t geschätzt. Das seien 14 % weniger, die die Vermarktungskampagne erleichtern. Die Niederlande und Belgien rechneten mit nur leichten Einbußen, in Italien werden wohl 200 000 t hängender Ernte fehlen. Deutschland selbst prognostiziere 37 000 t. Davon erwartet das Bodenseegebiet 5000 t, wobei die Sorte Xenia die Hälfte dieser Menge ausmachen werde.
Interessant waren Treyers zahlen zum Biomarkt, die sonst eher wenig bekannt sind: Der Bodensee ist eine der stärksten Regionen für Bio-Äpfel. Europaweit werden 216 000 t Bio-Äpfel geschätzt. Davon sind etwa 15 % Industriequalitäten. Aufgrund von Umstellungen sei es dieselbe Menge wie im Vorjahr.
Die Erfassung durch das Europäische Bioobst Forum liegt ca. bei 60 %. Das bedeute, es gibt etwa 350 000 t Bio-Äpfel, was einem Anteil von drei Prozent an der europäischen Apfelproduktion entspricht. In Deutschland werden 63 000 t Bio-Äpfel erwartet. Knapp 40 % davon (24 000 t) stammen aus Süddeutschland, sprich vom Bodensee. Damit machen die Bio-Äpfel neun Prozent der insgesamt geschätzten Apfelmenge am Bodensee aus.
Hier am Bodensee war durch moderates Umstellen ein Wachstum im Biobereich zu verzeichnen, so wie es der Markt verträgt. „Durch stärkeres Umstellen in der Steiermark und in Südtirol, mit Zielmarkt Deutschland, sind wir aber tendenziell schon jetzt überversorgt. Dazu sollte man sich bewusst sein, dass Regionalität bei Bioprodukten weniger Bedeutung hat als bei konventionellen Produkten“, so Treyer. Das liege daran, dass in Ballungszentren nicht so viel Bioqualitäten wachsen können und die Verbraucher zu Bioprodukten von überregionaler Herkunft und sogar von anderen Kontinenten greifen. Dennoch gelte nach wie vor der Appell an die Konsumenten, nach regionaler Ware zu greifen.