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Obstbau

Von überall kommt der Druck

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Anette Gerhold
am Montag, 11.03.2019 - 09:55

Mitgliederversammlung der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern

Nonnenhorn/Lks. Lindau „Die schwierige Wirtschaftslage und die öffentliche Meinung tun der Branche nicht gut, sagte der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern, Martin Nüberlin, bei der Mitgliederversammlung in Nonnenhorn. Dabei kann sie mit einer super Ernte in top Qualität aufwarten.

Von mehreren Seiten wurde das „Bienen“-Volksbegehren angesprochen, das auch die Obstbauern in ein schiefes Licht rückt. Der Nonnenhorner Bürgermeister Rainer Krauß kommentierte kritisch: „Wer die Bienen retten will, muss auch mehr Geld für Lebensmittel ausgeben.“ Auch der Lindauer Bürgermeister Uwe Birk und der stellvertretende Landrat Johann Zeh würdigten die Arbeit der Obstbauern und sprachen sich für ein vernünftiges Miteinander aus.

Mit dem Schlagwort „Rettet die Bienen“ habe man die Leute in die Rathäuser getrieben, dabei komme das Wort Bienen nicht ein einziges Mal im Text des Volksbegehrens vor, stellte Alfred Enderle eingangs fest.Der schwäbische BBV-Bezirkspräsident warnte vor dem Ende der Freiwilligkeit im Naturschutz. „Ohne Freiwilligkeit keine Honorierung“, wies er auf mögliche Folgen hin. Abzuklären sei, wie es mit den geforderten 30 % Ökolandbau stehe. Dies könne doch kein Ziel sein, wenn der Absatz nicht gesichert ist. Enderle sieht dennoch keinen Keil zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft: „Die Landwirte gehen vernünftig miteinander um.“
„Wir haben die prekäre Situation im Landkreis Lindau, dass wir hier eine Wand aufgezogen bekommen von selbst ernannten Weltverbesserern“, wies Kreisobmann Elmar Karg auf die im Stadtgebiet Lindau konzentrierten Naturschützer hin. Zum Glück gebe es auch viele besonnene Bürger. Karg dankte seinen Kollegen für den geschlossenen Auftritt bei einer Veranstaltung der Naturschützer. Dass 30 Obstbauern schon eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn dort Platz genommen hatten, sei ganz und gar nicht im Sinne der Veranstalter gewesen. Die Landwirte hätten damit Präsenz, Einigkeit und Sachverstand gezeigt. Sie haben ein paar einfache Fragen gestellt, die nicht geklärt werden, weil die Initiatoren der Veranstaltung nur mit Schlagworten und Emotionen arbeiteten. Weh getan habe ihm trotzdem, was da teilweise gekommen ist.
Den fachlichen Einstieg in den Obstbau machte der neue bayerische Vorsitzende Karl Ludwig Rostock, der einen Obstbaubetrieb mit Selbsvermarktung im Kreis Aschaffenburg bewirtschaftet. Auf Bundesebene habe die Bundesfachgruppe Obstbau wieder zahlreiche Anträge auf Notfallzulassungen gestellt. „Das muss in Deutschland leider so gemacht werden, weil alle Präparate, die wir dringend brauchen, in den umliegenden europäischen Ländern ganz regulär zugelassen sind, hier leider nicht.“ Bei Saisonarbeitskräften haben die Verhandlungen gerade ergeben, dass die Ukraine wohl nicht an einem beidseitigen Abkommen interessiert ist, das heißt es muss weiter Ausschau gehalten werden.
Einen kurzen Abriss zur Situation am Bodensee lieferte Dietmar Bahler, der neue Geschäftsführer der Obstregion Bodensee und Nachfolger von Eugen Setz. Die Marktlage sei „nicht so erfreulich, wie wir das gerne hätten“, meinte Bahler. Nicht nur das wirtschaftliche Problem, sondern auch Akzeptanz und Ansehen könnten besser sein. „Hier müssen wir dringend darüber nachdenken, wie wir den Obstbau nicht nur wirtschaftlich, sondern auch im öffentlichen Ansehen wieder nach vorne bringen.“ Das soll durch ein Projekt mit dem vorläufigen Namen „Obstbau der Zukunft“ geschehen. Keine teuren Spezialisten, sondern junge Obstbauern aus der Region werden unter Federführung der Obstregion Bodensee gemeinsam erarbeiten, was hinsichtlich der Produktion, aber vor allem auch beim Thema Öffentlichkeitsarbeit, Marketing etc. getan werden kann.
Am 25. März wird der Agrarausschuss des Bundestages an den Bodensee kommen und vor allem das Thema Pflanzenschutz erneut diskutiert. In erste Linie seien es die Abstandsauflagen bei vielen Pflanzenschutzmitteln, mit denen sich der Obstbau enorm schwertue. Eine gute Regelung werde auf der Schweizer Seite des Bodensees praktiziert, wo Behörden und Landwirtschaft miteinander in eine Richtung arbeiten. Bahler hofft, dass das künftig auch hier in der Region klappt.
Ebenfalls neu in seiner Funktion ist Johann von Eerde, Geschäftsführer der „Obst vom Bodensee Vertriebsgesellschaft“ (Nachfolger von Hans Knöpfler). In Europa habe es am 1. Januar noch einen Lagerbestand von über 4 Mio. t Äpfeln gegeben. In Deutschland habe man aktuell im Vergleich zu 2016 ein Plus von knapp 5 % – und im Vergleich zum Vorjahr „eine riesige Ernte“. Zu Jahresbeginn gab es in der gesamten Anbauregion Bodensee (nicht nur OVG-Obstvertriebsgesellschaft) einen Lagerbestand von 140 000 t. Es habe mit der neuen Ernte einen eher schleppenden Start in die Saison gegeben, nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Der Absatz habe gestockt, die Kunden haben weniger Äpfel konsumiert.
Wie sieht es generell mit dem Obstkonsum in Deutschland aus? 2018 waren über alle Kategorien hinweg die Mengen im Durchschnitt 10 % geringer, bei Äpfeln sogar 15 %. Sinkender Pro-Kopf-Verbrauch, kleinere Haushalte oder der Außer-Haus-Konsum schlagen sich auf den Verbrauch nieder, ebenso der Wettbewerb mit anderen Obstarten im Regal. Der Verbraucher möchte heute mehr Abwechslung, so von Eerde.
Es sei also nötig, Absatz und Konsum wieder weiter nach vorne zu bringen. Ein Problem dabei sei die weitere Konzentration der aufnehmenden Hand. In Deutschland gebe es die höchste Quadratmeterzahl pro Einwohner an Ladenverkaufsfläche, d. h. jeder Lebensmitteleinzelhändler habe mit Flächenproduktivität zu kämpfen. Um die Produktivität zu optimieren, würden wahrscheinlich die Sortimente optimiert. Da wohl nicht alle Clubsorten einen Regalplatz finden, müssten Schwerpunkte gesetzt werden. Die Kernobsternte am Bodensee mache 2 % der europäischen Ernte aus. Der weltweite Kernobstanbau sei grundsätzlich im Steigen begriffen. Somit sei in der Bodenseeregion Spezialisierung und Differenzierung angesagt. Man müsse gut überlegen, für welchen Markt man welche Sorten produzieren möchte, betonte von Eerde.
Stefan Kirchner vom bayerischen Landwirtschaftsministerium stellte den Aktionsplan Bewässerung vor, der gemeinsam mit dem Umweltministerium ausgearbeitet wurde. Aufgrund des Klimawandels komme der Bewässerung in den trockeneren Regionen Bayerns eine große Bedeutung zu. Daher wurden Förderkonzepte entwickelt. Aufgrund ihrer natürlich hohen Niederschläge gehöre die Bodenseeregion allerdings nicht zu den Schwerpunktregionen.
Gegen Schluss der Veranstaltung traf Ulrike Müller, Allgäuer Abgeordnete im EU-Parlament, ein. Als Mitglied des Agrarausschusses habe sie auch die Obstregion Bodensee im Auge. Hinsichtlich des Pflanzenschutzes sei in Straßburg eine Regulierung zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden abgestimmt worden. Im Untersuchungsausschuss zur Zulassung der Pflanzenschutzmittel habe sie sich für deren Vielfalt ausgesprochen: „Eine nachhaltige Reduzierung kann nur funktionieren, wenn man die unterschiedlich breite Palette noch zur Verfügung hat“, räumte Müller ein.
Im Plenum habe sie zudem die einseitige Studie zum Insektensterben kritisiert, die dem Volksbegehren zur Artenvielfalt zugrunde liegt. „Da wurden über 30 Jahre an 63 Messstellen gemessen, davon seien über 30 Messstellen nur einmal abgelesen worden, und 20 bis 25 nur zwei Mal. Das soll eine repräsentative Studie sein?“, fragte Müller in die Runde. Aufklärung sei daher wichtiger denn je.
Seinen Geschäftsbericht fasste Nüberlin angesichts der üppigen Tagesordnung kurz. Der Vorstand habe an verschiedenen Veranstaltungen mit dem Ministerium, auch mit dem Versuchsausschuss bei Treffen in Schlachters und Bavendorf teilgenommen. Erfreulich war das Kennenlerngespräch mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, die den Anliegen der Obstbauern offen gegenüber stehe.
„Wir haben endlich erfolgreich die geprüfte Qualität Bayern bestanden“, sagte Nüberlin. Die größte Hürde war die teilweise Lagerung oder Aufbereitung der Äpfel in Baden-Württemberg, das lediglich 10 km entfernt ist. Erste Erfolge in der Vermarktung gebe es schon, wobei nicht die Bodenseeäpfel verdrängt werden sollen, sondern andere Herkünfte. „Wir hoffen, dass wir mit dem neuen Logo ,Geprüfte Qualität Bayern‘ Regalplätze sichern können.“
Die Teilnahme an einigen Diskussionen über das Bienensterben habe gezeigt, dass die Obstbauern in der Not doch enger zusammenrücken und viele aktiv mitdiskutieren. „Das war klasse!“ Sorgen bereiten allerdings die hohen EU-Förderungen für die polnischen Obstbauern. Deren Produktion sei in relativ kurzer Zeit auf 5 Mio. t gestiegen. Mache das Sinn, so viel Geld da künstlich reinzupumpen? Nicht nur in Polen, auch in Slowenien und der Slowakei werde enorm investiert. „Das erschwert unsere wirtschaftliche Lage zusehends.“
Ein nächstes Problem ist das Arbeitszeitgesetz. Man schaffe es nicht, Erdbeeren etc. in der vorgeschriebenen Zeit zu ernten. Die Obstbauern wollen aber nicht in die Illegalität abrutschen, müssen aber doch die Ernte einbringen. Das aber kümmere die Leute nicht, die Regale seien ja voll.
Ein großes Ziel für alle sollte die Imagepflege sein. „Wir machen einen tollen Job in einer herausragenden klimatischen Zone, unsere Produkte können sich überall sehen lassen. Wir sollten uns bewusst sein, dass unser Produkt absolut konkurrenzfähig ist und mit starkem Bewusstsein auftreten“, meint Nüberlin. Abschließend teilte der langjährge Vorsitzende mit, dass er bei der nächsten Wahl seine Funktion abgeben werde.