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Getreidemarkt

Stürmische Situation an den Märkten

Informierten über die Marktlage: (v. l.) Klaus Beyrer (Kreisobmann Dillingen), Herbert Riehr (Vorsitzender der EG), Stefanie Strebel, Stephan Bissinger (Kreisobmann Günzburg), Eugen Bayer (BBV Dillingen) und Doris Kreitner (BBV Schwaben).
Brigitte Auer
am Donnerstag, 22.09.2022 - 07:44

Die Erzeugergemeinschaft für Qualitätsgetreide Aislingen/Bibertal setzt sich mit der weltweiten Marktsituation auseinander. Eine Börsenmaklerin gibt Tipps.

Aislingen/ Lks. Dillingen Wenn die gestiegenen Betriebsmittelkosten nicht wären, würden die hohen Getreidepreise die Augen der Bauern zum Leuchten bringen. Damit sie auch bei möglicherweise sinkenden Preisen von der Hausse an der Börse profitieren, empfahl Referentin Stefanie Strebel auf der Jahresversammlung der Erzeugergemeinschaft für Qualitätsgetreide Aislingen/Bibertal, einen Teil der Ernte über die Warenterminbörse abzusichern.

Sommerliche Trockenperiode

Das Anbaujahr 21/22 hat bis zum Eintreten der langen sommerlichen Trockenheitsperiode, so resümiert Herbert Riehr, Vorsitzender der EG, einen guten Verlauf genommen. Doch nicht nur der vorzeitige Erntetermin, sondern auch die zurückhaltende Nachfrage durch Verbraucher und Industrie erschweren nun die Abnahme der Ernten durch die Mühlen. Als bestimmenden Marktfaktor macht Riehr dabei den Ukraine-Krieg aus. Nachdem bis in den Januar hinein Kontrakte um die 25 – 30 €/dt erzielt worden waren, habe der Krieg die Preise durch die Decke gehen lassen. Auf beiden Seiten: Explodierende Betriebskosten aufgrund hoher Dünger- und Energiepreise ließen die Landwirte unter dem Strich nur mäßig von den hohen Marktpreisen für Getreide und anderen Agrarrohstoffen profitieren.

Geschäftsführer Eugen Bayer zieht eine positive Bilanz des Marktjahres, auch wenn aufgrund von früher eingegangenen Kontrakten nicht jeder Landwirt die Spitzenpreise des Frühjahrs von rund 40 €/dt für sein Getreide mitnehmen konnte. Nach dem schwierigen Witterungsjahr 2021 war ein Teil der Kontrakte zum alten Preis auf das Folgejahr übertragen worden. „Was wir die letzten Monate erlebt haben, hat es auf dem Markt so noch nicht gegeben“, so Bayer. Er berichtet von einem Jahr, in dem viel Bewegung auf dem Markt war. Nach einem ersten Versuch im November habe man noch einmal im Dezember und Mai erfolgreich Kontrakte ausgehandelt. Mit einem durchschnittlichen Kontraktpreis von 320 €/t wurde ein gutes Gesamtergebnis erzielt.

Langjährige Handelspartnerschaften

Mit der Firma Mühlschlegel verbindet die EG eine langjährige gute Handelspartnerschaft. Auch im vergangenen Jahr wurden die meisten Kontrakte mit der Firma Mühlschlegel abgeschlossen. Probleme gibt es derzeit bei der Anlieferung am neuen Standort Leipheim. Aufgrund eines geringeren Mehlabkaufs fehlen Lagerkapazitäten. Der Standort verfügt zudem über eine EDV-Logistik, die eine spontane Anlieferung nicht zulässt. Über das Verfahren informiert ein Rundschreiben der EG.

In Verhandlung steht die EG mit der Firma Mühlschlegel über einen Sortenzuschlag. „80 % sortenrein war einmal unsere Stärke“, so Riehr. Mühlschlegel setze dagegen auf gespreizte Sortenvielfalt. „Wir produzieren immer noch an der Realität vorbei.“ Statt an einem hohen Proteingehalt sollte die Qualität des Weizens an den Backeigenschaften gemessen werden. So bietet beispielsweise die Sorte Asory ein sehr hohes Backvolumen (APS 9) auch bei relativ niedrigen Rohprotein-Gehalten.

Dinkel derzeit nicht nachgefragt

Ein Absatzproblem sieht Bayer beim Dinkel, der als „Luxusware“ derzeit nicht nachgefragt werde. Er liege mit Kontraktangeboten um die 28 € im Juli zu Unrecht über dem Weizen, für den zur selben Zeit rund 23 € geboten wurden. Bayer empfiehlt, Dinkel zu lagern und im nächsten Jahr zu verkaufen, weist aber gleichzeitig auf die Risiken bei der Lagerung hin.

Die gemeldete Gerste konnte für 28 €/dt verkauft werden zu einem Zeitpunkt, als der Weizen um 5 € höher gelegen war. Im Juli bewegte sich der Preis um 23 €/dt.

Die weltweite Marktsituation von Marktfrüchten stellte Stefanie Strebel, Börsenmaklerin für Agrarrohstoffe und Geschäftsführerin der KS Agrar GmbH, vor. Die Weizenbilanz 20/21 zeigte eine komfortable Ausgangssituation: 773,43 Mio. t Produktion stand ein Rekordverbrauch von 785,5 Mio. t gegenüber. Produktionssteigerungen in Russland und Brasilien wurden durch ein schwächeres Ergebnis in Argentinien ausgeglichen. Für Australien wird eine gute Ernte erwartet, so dass davon auszugehen ist, dass Australien als Exporteur auftritt. In Europa ist von einer reduzierten Ernte von 134,1 gegenüber 138,42 Mio. t in der Vorsaison auszugehen. Die globalen Endbestände sind gegenüber der Vorsaison nur leicht von 280 auf 266,8 Mio. t geschrumpft. Über die Hälfte der Endbestände lagern in China. „Wir haben in der EU keine sehr großen Lagerbestände. Wir werden sie etwas ausbauen, aber nicht signifikant.“

EU hat ihre Exportziele verfehlt

Die EU habe ihr Exportziel verfehlt, so Strebel. Auch in Deutschland ist der Export von Weizen rückläufig. Als großer Exporteur auf dem Weltmarkt ging der Export von 35 Mio. t auf 31 Mio. t zurück. Das hohe Preisniveau habe dazu geführt, dass weniger exportiert wurde als gedacht. Strebel sieht im derzeitigen Weizenpreis einen stabilen Wert. Viele fraglichen Faktoren sind beim Weizen schon eingepreist. Die internationalen Käufer haben angesichts der Preisrückgänge inzwischen angefangen, wieder zu kaufen.

Mit 1,18 Mio. t liegen beim Mais weltweit Verbrauch und Produktion auf dem selben Niveau. Die Produktion in den EU-27-Ländern ist gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Mio. t auf 68 Mio. t gesunken. Der Importbedarf der EU beläuft sich auf 16 Mio. t. Die Entwicklung auf dem Markt hänge, so Strebel, von der Ernte in den USA und den Ausfuhrmöglichkeiten aus der Ukraine ab. Die Maklerin rechnet mit weiteren Kursrückgängen.

Rekordproduktion bei Soja

Bei Sojabohnen gab es weltweit eine Rekordproduktion von 391,4 Mio. t vs. 352,74 Mio. t im Vorjahr. Der globale Verbrauch lag dabei unter der Produktion bei 377 Mio. t. Die globalen Endbestände sanken leicht von 100,46 Mio. t auf 99,6 Mio. t. Die globale Raps-Produktion stieg zum Vorjahr von 71,36 auf 80,8 Mio. t, in der EU von 17,26 auf 18,25 Mio. t. Die Ölsaaten finden sich derzeit auf einem hohen Preisniveau. Strebel geht davon aus, dass es bei den Ölsaaten bei einer guten Crush Margin bleibt.

Darf man der Börsenmaklerin glauben, war es noch nie so schwer, eine Marktprognose abzugeben. „Die Risiken sind in den Märkten derzeit höher als die Chancen.“ Strebel empfiehlt den Landwirten eine betriebsindividuelle Beurteilung des Marktpreises. „Was deckt meine Produktionskosten? Wo ist mein Unternehmerlohn?“ Stimmt die Kalkulation der Vollkosten, dann stimmt der Marktpreis und der Landwirt sollte verkaufen – über Partner am physischen Markt oder über die Warenterminbörse. Dort könne man die aktuelle Ernte und die von 2023 verkaufen. Die Warenterminbörse erlaube, so Strebel, eine Preissicherung gerade auch für das kommende Jahr. Und 2023 ist angesichts gestörter Lieferketten und hoher Betriebskostenpreise noch völlig offen.