
Wir werden, was die Milchviehhaltung angeht, nicht gefragt. Die Richtung gibt der Handel vor“, brachte es Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer vom Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) auf dem Infoabend Milch des Verbandes in Germaringen deutlich auf den Punkt. Peter Graf, Vizepräsident vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband in Freiburg, drückte es sogar noch drastischer aus. „Was die Tierhaltung angeht, werden düstere Zeiten auf uns zukommen.“
Wenn der Handel und damit auch die Molkereien Milch aus Anbindehaltung und sogar aus der Kombihaltung nicht mehr abnehmen, werden viele Betriebe in Baden-Württemberg, vor allem aber im Schwarzwald aufgeben müssen, so seine düstere Prognose. Denn etwa 30 % der Betriebe hätte Anbindehaltung, das sind etwa 12 % der Kühe.
Viele kleinere Betriebe unter den Anbindehaltern
Darunter, so zeigte er anhand einer Statistik des Landesverbandes Baden-Württemberg für Leistungs- und Qualitätsprüfung, sind vor allem kleinere Betriebe mit einer durchschnittlichen Kuhzahl von 24 Kühen. Diese reinen Grünlandbetriebe, die vor allem im Schwarzwald liegen, würden nicht in Laufställe für 20 oder 30 Tiere investieren, so die Prognose von Graf, vor allem dann, wenn sie das Geld dafür aus der Milchviehhaltung erwirtschaften müssten.
Hinzu komme, dass es in dieser Region viele Nebenerwerbslandwirte gäbe und die Altersstruktur der Landwirte zwischen 50 und 65 liege. Trotzdem, so machte auch Graf deutlich, nützten dem Verband diese Argumente wenig, wenn der Handel es anders will.
Handel ist Wortführer

Die Dynamisierung ist in diesem Fall äußerst dramatisch, bestätigte der Vorsitzende des VMB, Wolfgang Scholz, und betonte, dass in diesem Fall nicht die Politik, sondern der Handel die gesamtgesellschaftliche Diskussion um die Milchviehhaltung und das damit verbundene Tierwohl mit anführe. Umso wichtiger sei deshalb die länderübergreifende Zusammenarbeit, so Scholz weiter. „Wir müssen uns über die Ländergrenzen hinweg bemühen, das Thema mehr an die Öffentlichkeit zu bringen“, lautete sein Appell.
Doch selbst das sei nicht so einfach, denn der Norden würde sich einen Wettbewerbsvorteil erwarten, der auch die süddeutschen Milchviehhalter unter Druck setzen werde. Bei der im Bereich Schwein und Geflügel bereits etablierten Initiative Tierwohl (ITW) würden die norddeutschen Schweinemäster von einer „sehr gelungenen Aktion“ sprechen, in Bayern wäre die Umsetzung eher „stockend“, meinte er.
Rindermast schwieriger einzustufen als Schweinesektor

Insgesamt läge die Marktdurchdringung beim Schwein bei 24 %. „Wenn die Auflagen beim Tierwohl bezahlt werden, ist das eine gute Sache“, meinte Scholz. Darüber hinaus wäre es für den Verbraucher leichter, sich im Dschungel der Labels und Kennzeichnungen zurechtzufinden. Die Kennzeichnung mache es transparenter. Doch was beim Schwein und beim Geflügel wenig Probleme mache, sähe beim Rind aufgrund der heterogenen Stufen der Kälbermast, Rindermast (Färse, Jungbulle) sowie der Schlachtkuh, die bis dahin eine Milchkuh war, anders aus. „Da wird einfach alles über einen Kamm geschert, sowohl Kälber als auch Rinder“, so Scholz.
Initiative Tierwohl nun auch bei Rind aktiv

Trotzdem hat der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) einen Antrag an die Initiative Tierwohl gestellt, sich auch mit Rind und Rindfleisch zu befassen. Dazu wurde die AG ITW Rind eingerichtet, in der von bayerischer Seite drei Personen vertreten sind. Diese Gruppe sei erst in den Anfängen, es wurde aber bereits erreicht, dass der Entwurf eines anfangs gemeinsamen Kriterienkataloges Rind bereits in drei Teilbereiche mit Kälbermast, Rindermast und Milchviehhaltung differenziert werden konnte.
Der Fleischbereich ist nicht das Problem, problematisch seien die Anforderungen des LEH an die Milchviehhaltung, erklärte Scholz und fügte hinzu, dass nicht nur Landwirte, sondern auch die Molkereien stark verunsichert seien. Die Diskussion um das Tierwohl habe damit auch die Milchviehseite voll erreicht. Man könne sich aber dieser Diskussion nicht entziehen, machten Scholz und Seufferlein klar.
An QM-Milch wird kräftig gearbeitet
Derzeit wird bereits kräftig an der der Weiterentwicklung von QM Milch gearbeitet. Seit Juni ist mit dem Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BLVH) ein gewichtiger Akteur mit im Boot von QM-Milch vertreten und meldet seine Ansprüche bei der Weiterentwicklung von QM-Milch an, schilderte Dr. Seufferlein die Entwicklung. Zukünftig soll das Logo von QM-Milch als Label auf Milchpackungen ausgelobt werden können.
Dabei geht es mit dem weiterentwickelten „QM Tierwohl“ um ein Mehr an Tierwohl und Tiergesundheit, das der Handel nach eigenem Bekunden mit einem Preisaufschlag belohnt. Dieses Mehr an Tierwohl soll mit den Stufen der Haltungsform verknüpft werden und zwar von 1 bis 4.
Handel: Kombihaltung ist nicht ausreichend

„Königsthema dabei ist die Anbindehaltung“, ergänzte Scholz. Theoretisch gäbe es zwar bei der ITW Tierwohl vier Stufen, der Handel aber gebe vor, dass seine Eigenmarken die Stufe 2 erreichen müssen. Nach Auffassung des Handels erreiche die bayerische Definition der Kombihaltung aber diese Stufe nicht. „Wenn wir die Kombihaltung nicht in Stufe 2 hineinbringen, haben wir in Bayern ein Riesenproblem“, sprach es Dr. Hans-Jürgen Seufferlein deutlich aus. Auch für die bayerischen Molkereien sei dieses Szenario „eine Katastrophe“, weil sie die Milch getrennt erfassen müssten, damit aber die Kosten ansteigen.
Nicht nur diese Aussichten, sondern auch Corona machten dem Milchmarkt zu schaffen wie Jürgen Geyer vom VMB Kempten in seiner Milchpreisanalyse ausführte. Eigentlich wären die Bedingungen für den Milchmarkt für das Jahr 2020 recht gut gewesen, doch dann „kam Covid-19 und veränderte komplett die Gesellschaft und auch die Wirtschaft“, zeigte er anhand von Statistiken.
Angepasste Milcherzeugung in der EU
Der Milchmarkt 2019 habe sich durch eine angepasste Milcherzeugung in der EU und global ausgezeichnet, der Welthandel vor allem nach China, sei ansteigend gewesen und es habe eine feste Inlandsnachfrage gegeben, so dass die Milchpreise zum zweiten Halbjahr mit Übergang zu 2020 angezogen hätten. Doch mit Corona ging der Welthandel mit Milchprodukten zurück und zwar von Januar bis April bei Magermilchpulver und Käse. Vor allem nach Italien, Spanien und England exportierte Deutschland im Vorgleich zum Vorjahr bis zu 13 % weniger. Mit der sinkenden Nachfrage gingen auch die Preise zurück.
Molkereien setzen auf proteinreiche Produkte
Auch die Molkereien suchen nach Wertschöpfung und schauen, wo sich Geld verdienen lässt, zeigte Geyer einen weiteren Trend, nämlich den von proteinreichen Produkten, auf. Hinsichtlich des Milchauszahlungspreis für Spotmilch zeigte er anhand einer Statistik, dass der Preis für Spotmilch sehr variabel ist und in den letzten Jahren durchschnittlich bei 31 ct lag.