
Laimering/Lks. Aichach-Friedberg - Welche Konsequenzen die Düngeverordnung für die Erträge und Qualitäten beim Getreide hat, erläuterte Jörg Reisenweber vom Institut für Agrarökonomie an der Landesanstalt für Landwirtschaft auf der Marktfrucht-Fachtagung des AELF Augsburg und der Saatgetreide-Erzeugervereinigung Schwaben.
Vorsitzender Hubert Jakob erklärte, dass die schwäbischen Saatgutvermehrer trotz der Trockenheit im vergangenen Jahr allgemein eine gute Getreideernte mit guten Qualitäten eingefahren haben. Abgesehen von der überregionalen Vermarktung sei auch der Absatz zufriedenstellend verlaufen. Schwierigkeiten dürften neue Auflagen für die Anwendung von Beizmitteln machen. Dazu gehörten künftig beispielsweise Grenzwerte für die Windgeschwindigeit bei der Ausbringung des gebeizten Saatguts. Immer mehr und strengere Auflagen könnten auf absehbare Zeit zu einem Strukturbruch in der Saatgetreideerzeugung führen, warnte Jakob.
Neuer EU-Pflanzenpass kommt

Wie Franz Steppich vom Fachzentrum Pflanzenbau am AELF Augsburg erklärte, kommt auf einen Teil der Saatguterzeuger mit der Ernte 2020 ein neuer EU-Pflanzenpass zu. Das Dokument bescheinigt, dass das Saatgut frei von Quarantäne-Schädlingen ist oder dabei bestimmte Grenzwerte nicht überschreitet. Von dieser Neuregelung sei der Getreidebereich jedoch nicht betroffen, sondern nur das Saatgut von Luzerne, Raps, Rübse, Sojabohne, Sonnenblume, Lein, Weißem Senf und Kartoffeln.
Steppich zufolge wirtschafteten in Schwaben im vergangenen Jahr 68 Vermehrer auf einer Öko-Fläche von 477 ha und einer konventionellen Fläche von 1525 ha. 1889 von 2002 angemeldeten Hektar Vermehrungsfläche wurden erfolgreich besichtigt. Den größten Teil der schwäbischen Vermehrungsfläche nahmen das Getreide mit 1820 ha und die Leguminosen mit 174 ha ein. Probleme bei der Anerkennung des Saatguts gab es vor allem bei der Ackerbohne und Luzerne, bei denen die Keimfähigkeit und der Schädlingsbesatz moniert wurden.
Neues Führungsgremium gewählt
Auf der Fachtagung wählte die schwäbische Saatgetreide-Erzeugervereinigung einen neuen Vorstand und Beirat. Aus der Wahl gingen Hubert Jakob (Rehling) als erster, Klaus Steigerwald (Fünfstetten) als zweiter und Michael Wiedemann (Krumbach) als dritter Vorsitzender hervor. Sowohl Steigerwald als auch Wiedemann wirtschaften ökologisch. In den Beirat berufen wurden Tobias Breitsameter (Zahling), Hermann Hagg (Graben), Johannes Schmid (Schwabmünchen), Ernst Stauderer (Großaitingen) und Georg Zimmermann (Wittsilingen).
Humusabbau führt zu geringerer Bodenfruchtbarkeit
„Stell Dir vor, es ist Weltmarkt und Du produzierst nicht für den Weltmarkt – dann kommt der Weltmarkt zu Dir“, begann Jörg Reisenweber seinen Vortrag über die ökonomischen Auswirkungen einer reduzierten Düngung. Das kann durchaus der Fall sein, wenn sich aufgrund der neuen Düngeverordnung die Erträge und Qualitäten im Getreideanbau reduzieren. Folglich wird sich die Zucht auf neue Ziele ausrichten müssen, das Saatgutspektrum wird sich verändern, es komme langfristig zum Humusabbau und damit zur Verringerung der Bodenfruchtbarkeit. Die verminderte Ausbringung von Wirtschaftsdüngern erfordere einen höheren Flächenbedarf und eine höhere Lagerraumkapazität, was wiederum langfristig zur Abstockung der Tierbestände führen dürfte.
Dabei ist ein erheblicher Teil der bayerischen Ackerflächen schon jetzt mit Phosphat unterversorgt. Wird hier noch mehr an Dünger gespart, sei eine Minderung der Deckungsbeiträge unausweichlich. Die Festkosten bleiben nämlich gleich, während sich die Erträge reduzieren. Besonders hart trifft es Landwirte, die in Roten Gebieten wirtschaften. Ausgerechnet diese zählen in Schwaben zu den wichtigsten Weizenanbaugebieten. Dazu kommt noch, dass die Düngebedarfsermittlung auf der Basis der durchschnittlichen Erträge aus den zurückliegenden drei Jahren erfolgen muss.
Abwärtsspirale verhindern

Da sich mit der Düngeverordnung die Erträge sukzessive verringern, würde dies eine Abwärtsspirale bei der erlaubten Düngermenge und damit der Erträge nach sich ziehen. Um dies zu vermeiden, soll laut Reisenweber von staatlicher Seite bei den Erträgen ein Referenzwert vorgegeben werden.
Das Dilemma: Die Erzeugerpreisdifferenzen zwischen E-, A- und B-Weizen folgen nicht den Vorgaben der Düngeverordnung. So könnte es bald der Vergangenheit angehören, dass sich der Deckungsbeitrag beim E-Weizen auf 112 % des Deckungsbeitrags beim A-Weizen beläuft, wie es im Schnitt der vergangenen zehn Jahre der Fall war.
Für einen kalkulierten Ertrag von 80,2 dt/ha wurde in Versuchen ein Düngebedarf von 220 kg Stickstoff ermittelt. Nach der neuen Düngeverordnung wären jedoch nur 180 kg mineralischer Stickstoff zugelassen, was zu einem Ertrag von nurmehr 78 dt/ha führen würde. In den Roten Gebieten ergäbe sich sogar nur ein Ertrag von 74 dt/ha, wenn die Stickstoffdüngung auf 144 kg zurückgefahren wird.
Unter strikter Einhaltung der neuen Düngeverordnung lassen sich also E- und A-Weizen nicht mehr marktkonform erzeugen. Damit besteht die Gefahr, dass sich der Handel und die Mühlen mit qualitativ hochwertigerer Ware aus dem Ausland eindeckten. Es sei nur fair, wenn die Folgen dieser Entwicklungen nicht nur den Ackerbauern aufgebürdet, sondern zwischen diesen und den Viehhaltern verteilt werden, so Reisenweber.
Stickstoff als Minimumfaktor
Ein Lösungsansatz könnte darin liegen, dass der Stickstoff zum Minimum-Faktor wird und mit Blick auf den Ertrag und die Qualität alle anderen pflanzenbaulichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Es gelte die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu fördern, den Stickstoffverlust drastisch zu reduzieren oder auch die Fruchtfolge zu ändern.
Vonseiten der Verarbeiter müssten die Qualitätsparameter und vonseiten der Züchter die Zuchtziele überdacht werden. Eine noch wichtigere Rolle als bisher wird der Sortenwahl zukommen. Und schließlich gilt es standortspezifische Lösungen zu suchen oder gleich – für manche Betriebe vielleicht das Mittel der Wahl – auf den ökologischen Landbau umzustellen.
Pflanzen mit hoher Stickstoffeffizien erforderlich
Die Sicht der Pflanzenzucht auf die neue Düngeverordnung schilderte Dr. Hubert Kempf von der Secobra Saatzucht GmbH in Feldkirchen. Als übergeordnete Zuchtziele führte er die Nährstoffeffizienz, Ertragsstabilität, Ertragsstruktur, Gesundheit und Qualität der Pflanzen an.
Beim Weizen ist das entscheidende Qualitätsmerkmal das Backvolumen, wichtig sind auch der Rohproteingehalt, die Fallzahl, der Feuchtkleber, der Sedimentationswert, die Wasseraufnahme und Mehlausbeute sowie der Geschmack.
Zwar hat das Bundessortenamt im vergangenen Jahr die Rohprotein-Klassifizierung bei der Qualität der Winterweizensorten aufgegeben, doch der Handel kann seinerseits immer noch Anforderungen an den Proteingehalt stellen. In Deutschland seien 95 % des Weizens backfähig, davon werden aber nur 50 % benötigt.
Es gebe jedoch kaum E-Weizen-Sorten, die die Handelsnorm von 14,0 bis 14,5 % Rohproteingehalt erfüllen. Jetzt liege es an den Züchtern, Sorten mit hoher Stickstoffeffizienz zu erzeugen oder die Pflanzen auf den Proteingehalt zu selektieren.
Im Übrigen gebe es beim Stickstoffentzug aus dem Boden keinen Unterschied zwischen E-, A-, und C-Weizen, auch wenn die Düngeverordnung dies anders sieht, erklärte Kempf.