
Unschwer war an den vielen Fragen an Dickow festzustellen, dass die Bauern vor allem an seiner Meinung interessiert sind. Dies ist auch nicht verwunderlich, da die LsV es in kürzester Zeit schaffte, sich aus dem Nichts zu einem wichtigen Ansprechpartner der Bauern und der Politik hochzuarbeiten – und dies organisatorisch fast ausschließlich mit Hilfe der sozialen Medien, um die vielbeachteten Traktor-Demonstrationen auf die Beine zu stellen. Darauf ging auch Dickow in seinem Eröffnungsstatement ein: „Ich finde es gut, wenn Bauern auf ihre Situation aufmerksam machen. So ist die Gülleverordnung der Grund für viel Ärger und meiner Meinung nach ist sie nicht zu Ende gedacht – oder ist dies mangelnde Wertschätzung der Gesellschaft gegenüber der Bauern?“

Zu einer diskussionsfreudigen Veranstaltung trugen (v. r.) bei: Oberallgäus BDM-Vorsitzender Markus Böckler, BDM-Landesvorsitzender Manfred Gleich, LsV-Vorsitzender Sebastian Dickow, Moderator Josef Taffertshofer und BDM-Oberallgäu-Vorstandsmitglied Erwin Reinalter. (Die Veranstaltung fand vor Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen statt.)
Steigende Auflagen, sinkende Preise
Auch ärgerte sich der Landesvorsitzende, dass die Bauern sich in dem aktuellen Dilemma mit steigenden Auflagen befinden – aber immer günstiger produzieren sollen. Der Strukturwandel zeige das gesamte Dilemma auf. „Können wir es uns leisten alle Auflagen abzulehnen, wir können das, aber es geht nicht zum Nulltarif.“ Auch warf Dickow die Frage auf, ob der Einzelhandel schuld an der schlechten Situation der Agrarier ist, oder er geschickt die derzeitige Situation ausnützt? Er warf auch die Frage auf: „Handeln wir Bauern beim Einkauf unserer Betriebsmittel nicht anders als die Discounter, in dem wir hart verhandeln?“ Ernst warf der bayerische LsV-Vorsitzende die Frage auf, welche Verantwortung die Bauern an der aktuellen Situation haben, um selbst darauf zu antworten: Haben wir zulange mitgemacht oder andere machen lassen ohne zu hinterfragen?“ Die Situation sei ein Zusammenspiel vieler Vorkommnisse. Deshalb muss analysiert und Lösungen gesucht werden, um voran zu kommen.
Zu Beginn erläuterten mehrere junge Allgäuer Landwirte und eine Landwirtin welche Sorgen die Bauern umtreiben: Einer monierte, dass es nicht sinnvoll ist, 300 Kilogramm Stickstoff abzufahren – aber im Gegenzug nur 170 g an organischem Stickstoff düngen zu dürfen und die restliche Menge zukaufen zu müssen. Weiter wurde die Abstandsregelung zu Gewässer thematisiert und auch zu viele Impfungen würden die Tiere enorm belasten.
Fehlende Planungssicherheit bei Bauvorhaben
Ein Jungwirt sorgte sich um fehlende Planungssicherheit durch Bauvorschriften, gerade beim kostenintensiven Viehbetrieb. Auch ist derzeit nicht bekannt, wie lange die Anbindehaltung genutzt werden darf. Ein weiterer Bursche ärgert der „nicht zufriedenstellende Bio-Milchpreis, so dass unter Wert vermarktet werden muss. Dem stehen höhere Produktionskosten und Auflagen dagegen.“ Weiter ein dicker Dorn im Auge eines Jungbauern sind die „selbsternannten Kontrolleure“, die sogar in Ställe einbrechen. „So kann nicht mit uns umgegangen werden, folgerte er.“
Wie geht es nach dem Brexit weiter?
Taffertshofer warf die Frage auf, wie es nach dem Brexit weitergeht, da ja ein wichtiger Beitragszahler wegfällt und wie dessen Gelder wohl ausgeglichen werden können? Dickow sagte dazu, dass sich viele EU-Länder gegen einen Etat-Aufstockung wehren, um das Defizit ausgleichen zu können. Er hege deshalb großes Zweifel ob die EU einen vernünftigen Ausgleich erhalten wird? Er sieht die ganz große Gefahr bei den Herausforderungen und Belastungen die die Landwirtschaft jetzt schon habe, ob ein politisches System gefunden wird, das für alle tragfähig ist?
Vollkostendeckende Preise wichtig
Dazu wandte Dickow ein, dass bei solch einer Aktion wohl nicht alle Milchbauern Flagge zeigen würden. Notwendig wären am Markt vollkostendeckende Preise zu erzielen, um die Stellung der Bauern zu verbessern, die gelte es zu erwirtschaften. Klar sprach er sich gegen den Verkauf unter Einstandspreise aus. „Wenn man die Anzeigen und Flyer der Lebensmittelhändler anschaut, dann ist klar, wir müssen eine Richtung finden, dass Landwirte zu einer Art „Agentur im Einzelhandel“ werden.
In der Diskussionsrunde wurden die vorgetragenen Themen diskutiert und neue Fragen aufgeworfen, meist an Sebastian Dickow. So wurden die schlechten Preise, wie vor 30 Jahren, verurteilt, was vor allem die kleinen Betriebe besonders schädigt. Der Landwirt plädierte ebenfalls dafür die Mengen in den Griff zu bekommen. Dickow bestätigte, dass es gut wäre, wenn Verträge über Mengen festgelegt wären – doch wer bestimme dann, wer wie viel liefern kann? Auch gab er zu bedenken, dass Bauern Unternehmer sind: „Wenn viel über Verträge geregelt wird, dann sind wir nur noch Angestellte!“
Er bestätigte, dass die niedrigen Preise viel zu wenig seien. Dies müsse so gestaltet werden, dass mehr an uns Bauern durchgereicht wird. „Doch wir können den Landwirten die Mengen nicht vorschreiben, jeder soll selber entscheiden, was er machen will.“
Genossenschaften sind gefordert
Dazu erläuterte Dickow weiter: „Jeder ist selbst gefragt und kann zu seiner Molkerei oder Genossenschaft gehen. Ich versteh nicht, dass die Genossenschaften nicht mehr eingreifen, egal was bei uns passiert.“ Auch er forderte dass das Bundeskartellamt einschreitet, zumal das Vorgehen der Discounter „nach Absprachen schreit.“ Die Bauern sollen sich nicht alles gefallen lassen. Ein weiterer Bauer warf Aldi und Co. vor, „die verkaufen uns nach Strich und Faden.“ Dickow sagte dazu: Was ist die Alternative zu vernünftigen Gesprächen? Der Bauer ergänzte, dass die Düngeverordnung dazu beiträgt, „dass wir baden gehen!“ Auch wies er darauf hin, dass das einzige gute an Corona ist, dass alle merken wie gut und sicher Regionales ist!
Verbraucher mit ins Boot holen
Viele weitere Themen wurden an diesem Abend angesprochen. So sprach sich Dickow für eine verstärkte Verbraucheraufklärung aus. Dies will seine Organisation auch voranbringen. „Die Verbraucher müssen Landwirte statt Veganer als Ansprechpartner haben. Da müssen wir hin, dann sind wir auf einem guten Weg unsere Forderungen durchzubringen. Das geht am besten durch persönliche Kontakte.“