Die Milchviehtage des AELF Mindelheim müssen online stattfinden. Im ersten Seminar ging es um das selektive Trockenstellen und die Reduzierung von Antibiotika in der Tierhaltung (RAST), wie Melanie Jakob vom Institut für Landtechnik und Tierhaltung an der LfL erklärte. Über den RAST-Transfer werden die Erkenntnisse aus dem Projekt in die Praxis übergeführt, erklärte Jakob.
Allein in Deutschland wurden 2019 rund 670 t Antibiotika in der Tiermedizin eingesetzt, das sind 70 t mehr als in der Humanmedizin. Gut 70 % der Landwirte stellen ihre Tiere routinemäßig antibiotisch trocken. Wie der bayerische Tiergesundheitsdienst ermittelte, werden bei der Hälfte aller Kühe in den Herden Trockensteller angewandt. Nur 9 % der Betriebe verzichten durchweg auf antibiotische Trockensteller. Diese dienen sowohl der Therapie bestehender Infektionen als auch dem Schutz vor Neuinfektionen. Weil die Landwirte meist von einem hohen Neuinfektionsrisiko ausgehen, werden häufig alle Tiere einer Herde zum Trockenstehen mit Antibiotika behandelt. Dadurch sollen die Euter- und Tiergesundheit sichergestellt werden.
Betriebliche Vorausetzungen müssen passen
Wenn die betrieblichen Voraussetzungen passen, lässt sich durch das selektive Trockenstellen der Antibiotikaeinsatz erheblich reduzieren. Das kann auf zwei Selektionsebenen geschehen: Auf der Euterebene werden alle Euterviertel gleich behandelt, auf der viertelindividuellen Ebene wird für jedes Euterviertel einzeln entschieden, ob auf einen antibiotischen Trockensteller verzichtet werden kann, sagte Jakob. Aufgrund der Abhängigkeit der vier Euterviertel voneinander sollten jedoch bei einem infizierten Viertel alle vier Viertel behandelt werden.
Dass überhaupt Antibiotika eingesetzt werden, während die Kuh trockensteht, ist der Notwendigkeit des Ausheilens von bakteriellen Entzündungen geschuldet. Zu Beginn und zum Ende der sechs- bis achtwöchigen Trockenstehzeit besteht ein erhöhtes Risiko von bakteriellen Euterentzündungen, das durch antibiotischen Trockensteller minimiert werden soll. Es gibt jedoch eine Alternative: optimales Management während des Trockenstehens und die Anwendung eines internen Zitzenversieglers. Letzterer schützt das Euter vor eindringenden Keimen durch das Verschließen des Strichkanals.
Dreistufiger Entscheidungsbaum
Mithilfe eines dreistufigen „Entscheidungsbaums“ wurde abgeklärt, ob bei der trockenzustellenden Kuh ein antibiotischer Trockensteller nicht erforderlich war und auf einen Zitzenversiegler zurückgegriffen werden konnte. Geeignet für das selektive Trockenstellen sind Betriebe mit einer Herdensammelmilchzellzahl von weniger als 200 000 und einer Neuinfektionsrate von unter 25 % der Tiere während des Trockenstellens. Vorausgesetzt wird auch eine regelmäßige Bestandsuntersuchung auf Erreger. Dabei dürfen nur weniger als 15 % der Tiere mit den Keimen Streptococcus uberis und Staphylococcus aureus infiziert sein.
Landwirt berichtet über seine Erfahrungen
Am RAST-Projekt teilgenommen hat Tobias Weizenhöfer. Der 28-jährige Milchviehhalter, Landwirtschaftsmeister, Besamungstechniker und Fachagrarwirt für das Besamungswesen bewirtschaftet bei Haldenwang einen 56 ha-Milchviehbetrieb mit 70 Braunviehkühen und einer durchschnittlichen Milchleistung von rund 8000 kg. In seinem Betrieb werden die Kühe vier bis fünf Wochen lang je nach Milchleistung während des Trockenstehens abrupt oder mit einem veränderten Melkrhythmus trockengestellt. Vor der RAST-Teilnahme behandelte Weizenhöfer die Kühe mit dem Trockensteller Benestermycin. Inzwischen werden sie je nach Erreger behandelt oder ebenfalls mit Benestermycin, falls keine Euterprobe vorliegt. Erst seit der Projektteilnahme wurden durchgehend interne Zitzenversiegler verwendet.
Vorteile des selektiven Trockenstellens
Weizenhöfer weiß die Vorteile des selektiven Trockenstellens zu schätzen. „Die Dokumentation und häufige Beprobung ermöglichen mir einen besseren Überblick über alle Tiere und ich weiß, was los ist.“ Bei einer Mastitis könne er gezielter und schneller eingreifen, durch die gezielte Behandlung sinken die Zellzahlen. „Außerdem spare ich Antibiotika ein.“ Weitere Vorteile seien mehr hemmstofffreie Milch für die Kälber, weniger Kannenmilch, ein „gutes Gefühl“ und der intensivere Umgang mit den LKV-Daten. Aber: „Für jedes Tier muss eine Entscheidung getroffen werden.“
Die Dokumentation und häufige Beprobung ermöglichen mir einen besseren Überblick über alle Tiere und ich weiß, was los ist.