
Der Verbraucher will Kühe auf der Weide grasen und Schweine im Erdreich wühlen sehen. „Warum lässt Du Deine Tiere nicht raus ins Freie?“, wird so mancher Bauer gefragt. Dass das nicht so einfach ist, erläuterte das AELF Nördlingen-Wertingen anhand von zwei Beispielbetrieben im Dorfkern von Mörslingen. In beiden Fällen ist es der Immissionsschutz, der ein höheres Maß an Tierwohl an den Hofstellen im Ort unmöglich macht.
Auch deshalb hat die Familie Senning ihren Schweinemastbetrieb ausgesiedelt (Bericht über den Milchviehbetrieb Eberle folgt). Ernst Senning betreibt innerorts eine Ferkelproduktion mit 200 Zuchtsauen. Sein Sohn Sebastian veredelt die Ferkel außerorts in seinem Mastbetrieb mit 960 Plätzen zu Schlachtschweinen. An der Hofstelle im Ort gilt zwar der Bestandsschutz für die Zuchtsauenhaltung, aber eine Erweiterung um die Mast zum geschlossenen System wäre schon aufgrund des Immissionsschutzes nicht möglich gewesen.Also entschied sich Sebastian Senning im Jahr 2008, seinen Mastbetrieb auszusiedeln. Einige hundert Meter vom Ort entfernt errichtete er einen Tierwohl-Stall mit Auslauf im PigPort 3-System, das der Haltungsformstufe 3 der Initiative Tierwohl entspricht. „Dabei dachte ich aber auch an die erhebliche Menge an Energie, die ich durch die freie Belüftung sparen kann“, erklärt Senning.
Für die Mast setzt der Jungbauer ausschließlich Ferkel aus der Zuchtsauenhaltung seines Vaters ein. Die Schlachtschweine verkauft er über Kaufland unter der Eigenmarke „Wertschätze“. Haltungsformstufe 3 bedeutet für die Tiere 40 % mehr Platz als vorgeschrieben, Auslauf ins Freie, eine isolierte feste Liegefläche, gentechnikfreie Fütterung, Stroh und Grascops als natürliches Beschäftigungsmaterial, Befunddatenerhebung am Schlachthof und qualifiziertes Antibiotikamonitoring. „Die Corona-Pandemie hat mir aufgezeigt, wie wichtig die festen Abnahmeverträge mit garantierten Mindestpreisen für meine Tierwohl-Schweine sind, sagt er.
Stickstoff- und phosphatreduzierte Fütterung
Die Immissionen aus der Schweinemast werden durch eine stickstoff- und phosphatreduzierte Fütterung reduziert. Der Landwirt räumt mit dem Irrglauben der Verbraucher auf, dass Antibiotika in Schweineställen generell prophylaktisch eingesetzt werden. „Wenn ein Tier krank ist, hat es Anspruch auf eine entsprechende Behandlung. Auch das gehört zur tierwohlgerechten Haltung.“
Senning zählt zu den 8 % der schwäbischen Schweinemäster, die ihre Tiere in der Stufe 3 halten, erklärt Bernhard Linder vom Sachgebiet Nutztierhaltung am AELF Nördlingen-Wertingen. 53 % der Mastschweine werden dagegen noch in der Stufe 1 gehalten, die lediglich den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. In der Haltungsformstufe 2 mit einem erhöhten Platzangebot befinden sich immerhin schon 39 % der schwäbischen Mastschweine. Nur 0,4 % werden nach Biorichtlinien gehalten.
Mehr Tierwohl
Dass immer mehr Tiere in Ställen mit höheren Haltungsformstufen stehen, macht die Bereitschaft der Betriebe zu mehr Tierwohl deutlich, betont Linder. Allerdings seien Investitionen in Um- und Neubauten aufgrund der hohen Betriebsmittelkosten und der schwierigen Erlössituation kaum realisierbar. Das verdeutliche der Rückgang des Zuchtsauenbestands um 12 % und des Mastschweinebestands um 10 % in Schwaben in den vergangenen zwölf Monaten. Für etwas Licht am Horizont sorgt die gewachsene Nachfrage nach Schweinen aus der Haltungsformstufe 3, die höher als das Angebot ist. Doch mit dem Wunsch nach mehr Tierwohl allein sei es für die Betriebe nicht getan, weiß Linder. Neben den hohen Investitionskosten gelte es, die Hürden eines baurechtlichen Verfahrens und der neuen gesetzlichen Vorgaben zum Immissionsschutz zu nehmen. Die Technische Anleitung (TA) Luft fordert eine Reduzierung der Ammoniakemissionen um ein Drittel. Durfte der Betrieb Senning beim Bau des PigPort-Stalls vor 14 Jahren mit seinen 960 Mastschweinen noch bis zu 202 m an einen Wald oder ein schützenswertes Ökosystem heranrücken, so müsste er jetzt einen Mindestabstand von 374 m einhalten. Die verschärften Bestimmungen gelten Linder zufolge auch, wenn Senning bei gleicher Schweineanzahl mehr Platz schaffen wollte, um beispielsweise Bioschweine halten zu können.
Offene Ställe mit Auslauf
Mehr Tierwohl durch offene Ställe mit Auslauf und am besten noch mit Stroheinstreu bedeutet auch mehr Emissionen, erklärt Linder. Das sei der Bevölkerung kaum bewusst. „Die verschärften Auflagen der TA Luft erschweren landwirtschaftlichen Betrieben die Umsetzung von mehr Tierwohl deutlich.“ Nur den Tierbestand abzustocken anstatt den Stall für den erhöhten Platzbedarf umzubauen, sei wirtschaftlich nicht tragbar.
Der erhöhte Arbeitsaufwand in Tierwohl-Ställen stelle viele bäuerliche Familien vor große Herausforderungen. Damit ein Tierwohlstall wirtschaftlich betrieben werden kann und sich die hohe Investition auszahlt, benötigt der Landwirt Planungssicherheit über langfristige Abnahmeverträge, betont der Leiter des AELF Nördlingen-Wertingen, Dr. Reinhard Bader. Das hätten auch die Politik und der Lebensmitteleinzelhandel verstanden. Der Handel führte vor zwei Jahren ein Tierwohl-Label mit vier Haltungsformstufen ein. Seither kann der Verbraucher zwischen unterschiedlichen Stufen des Tierwohls wählen, indem er einen Mehrpreis entrichtet. Damit trage die Bevölkerung eine Mitverantwortung bei der Umsetzung von mehr Tierwohl.
Investitionen notwendig
Dass die Betriebe für ein Mehr an Tierwohl entsprechende Investitionen stemmen müssten, sei der Politik sowie dem Handel schnell klar geworden. Deshalb hat die bayerische Staatsregierung im Juni 2022 das Programm Tierwohl (BayProTier) ins Leben gerufen. Der Fokus des Programms liegt zunächst auf der Zuchtsauenhaltung und der Ferkelproduktion. „Wenn die Gesellschaft mehr Tierwohl fordert, hat die Landwirtschaft die Aufgabe, diesen Markt zu bedienen“, betont der Amtschef. Die Verbraucher wollten ihr Gewissen entlasten und sagen: „Dem Tier, das ich esse, ist es einmal gut gegangen.“