Maxi und Sara Schweiger aus Beckstetten standen vor dem Dilemma: Durch Aufstockung der Milchviehherde war der bereits 1984 gebaute Laufstall zu klein geworden. Es gab nicht für jeder Kuh einen Liegeplatz. Weidegang war an der nur etwa einen Hektar großen Hofstelle nicht ausreichend möglich. Für weitere Weideflächen musste die Kreisstraße überquert werden. Andererseits war die Bausubstanz des Stalles noch gut.
Nach 1984 wurde der Stall verlängert. Für das Jungvieh schuf man durch Verbreiterung des Stalles Liegeboxen. Auf der Kuhseite baute Familie Schweiger 2015 Außenliegeboxen mit einem Laufhof. Max Schweiger beobachtete aber eine unterschiedliche Nutzung des Laufhofs: Bei Temperaturen unter 25 °C waren die Kühe alle auf dem Laufhof. Dort waren sie den Klimareizen ausgesetzt, standen aber stundenlang und konnten nicht Fressen, die Milchleistung sank. Über 25 °C mieden die Kühe den Laufhof, die Milchleistung stieg. Es musste gehandelt werden.
Aus einem Kuhstall wurden zwei geplant
Auslöser der Planung war dann auch die unbefriedigende Situation beim Melken. Die Melkarbeite für die 100 Kühe im alten 2 x 4er Fischgrätenmelkstand ohne Abnahme dauerte für die beiden Melker jeweils 2,5 Stunden je Melkzeit. Naheliegend war demnach der Bau eines neuen Melkstandes. Gedacht war 2019 an ein Melkkarussell. Die geschätzten Kosten von 400 000 € für die Melktechnik und weitere 200 000 € für die notwendigen Baumaßnahmen waren für die Familie aber „ein Schock“ und stellten die ganze Planung infrage, zumal der begrenzte Platz an der Hofstelle und der eingeschränkte Weidegang nach wie vor ein Problem waren.
Zwangsläufig entstand der Gedanke an eine Aussiedlung des Milchviehstalles auf eine große Weidefläche in etwa ein Kilometer Entfernung. Der neue Stall auf dem verlagertem Standort wurde nur für die laktierenden Kühe geplant. Trockensteher, ältere und nicht melkrobotertaugliche Kühe, Kühe nach dem Abkalben, Kälber und das weibliche Jungvieh sollten im alten Stall verbleiben. Mit diesem Konzept können die alten Gebäude auf absehbare Zeit weiter genutzt werden. Die geschätzten Baukosten für den neuen Stall waren zwar etwas höher, lagen aber noch im finanziellen Rahmen.
Die neue Stallbaulösung erlaubt eine spätere Erweiterung

Mit der Lösung „Stallneubau auf der grünen Wiese“ in Verbindung mit einem automatischen Melksystem (AMS) können die Kühe nun selbstständig auf die Weide gehen. Der neue Standort hält zudem alle Türen für eine Betriebserweiterung offen.
Für den Milchviehstall entschied sich Familie Schweiger für eine zweihäusige Lösung, in die der Laufhof integriert ist. Ein Gebäude enthält 80 Liegeplätze, das andere ebenso viele Fressplätze und den 5 m breiten, befahrbaren Futtertisch. Beide Gebäude zusammen sind 20 m breit und 66 m lang. Insgesamt stehen jeder Kuh über 10 m² Fläche zur Verfügung. Der 5 m breite, nicht überdachte Fressgang erfüllt gleichzeitig die Anforderungen als Laufhof. Der Futtertisch bietet überdies die Möglichkeit, das Gebäude zu spiegeln, d. h. den Kuhbestand mit einer zweiten AMS-Einheit zu verdoppeln. Mit den geringen Firsthöhen von 5,2 m fügen sich die beiden Gebäude harmonisch in die Landschaft ein.
Auf den Stahlstützen der in Ost-West-Richtung stehenden Gebäude liegt ein ungedämmtes Faserzementdach. Die Nord- und Südwand verschließt ein aufwickelbarer Curtain. Fünf Ventilatoren wälzen die Luft in der Liegehalle um und sorgen damit für eine angenehme Abkühlung an heißen Tagen.
Neuer Kuhstall: Konstruktion lässt Erweiterungen in der Zukunft zu

Der Fressgang und der 3 m breite hintere Laufgang sind als planbefestigter Betonboden mit Besenstrich ausgebildet. In den Boden wurden Rillen zur besseren Harnableitung gefräst. Entmistet wird mit einem Faltschieber. Das Kot-/Harngemisch kommt in die neue offene 6 m tiefe Güllegrube mit einem Durchmesser von 16 m.
Die Kühe liegen in Tiefboxen, die mit dem Substrat der hofeigenen Gülleseparation alle 4 – 5 Wochen befüllt werden. Für die Boxenpflege baut Max Schweiger ein spezielles Gerät an den Hofschlepper an. Mit ihm lassen sich die tiefen Liegemulden ohne schwere Handarbeit mit zwei Durchfahrten pro Woche beseitigen. Um den Beton auf dem Futtertisch gegen Säure aus der aufgewerteten Mischration zu schützen, wurde der Futtertisch versiegelt.
Die Melkarbeit übernimmt ein automatisches Melksystem (AMS). Damit können bis zu 79 Kühe gemolken werden. Die hohe Kapazität ergibt sich, da neben den trockenen Kühen alle Problemkühe im alten Stall untergebracht sind. Der Kuhverkehr ist gelenkt nach dem Prinzip „feed first“, d. h. Priorität hat das Fressen. Nach dem Melken gelangen die Kühe zunächst an den Fressplatz. Hat eine Kuh kein Melkanrecht, kommt sie nicht in den Wartebereich vor dem AMS, sondern in die Liegehalle. Von dort kann sie wieder in die Fresshalle.
Problemkühe werden automatisch selektiert

Der Zugang von der Weide erfolgt über ein Tor am westlichen Ende der Liegehalle auf den Fressgang. Besonders praktisch ist die automatische Selektion von Problemkühen in die nach dem AMS kommenden, eingestreuten beiden Buchten. Damit entfällt das Suchen einer Kuh und das Heraustreiben aus der Herde. Kann Max Schweiger z. B. an einem Tag nicht wie geplant die Klauenpflege durchführen, wird die Kuh so lange in den Sonderbereich gelenkt, bis er sie per Knopfdruck am AMS wieder in die Herde lässt.
Der Weidegang wird über ein Smartgate geregelt. Von 3 Uhr früh bis 9 Uhr morgens können alle Kühe ohne Melkrecht auf die Weide. Dadurch erhöht sich die Aktivität in den sonst so trägen Morgenstunden. Im Laufe des Tages werden die Kühe durch die am Vormittag vorgelegte aufgewertete Mischration über ein Einwegtor wieder zurück in den Stall gelockt. Trotz Weidegangs erreichen die Kühe so 2,5 Melkungen / Tag, ohne dass sie von der Weide geholt werden müssen.
Ein automatischer Futternachschieber sorgt für eine permanente Futterversorgung, was ein wichtiges Detail für einen reibungslosen AMS-Betrieb ist. Er entlastet die Landwirte, besonders in diesem ca. 1 km von der Hofstelle entfernten Stall.
Bei der Finanzierung hatte die Familie ein gutes Händchen

Auf der Liegehalle geht in Kürze eine neue PV-Anlage in Betrieb. Damit soll der auf 45 000 kWh/ Jahr gestiegene Strombedarf zum erheblichen Teil gedeckt werden. Im Vergleich zum alten Stall inkl. Wohnhaus hatte sich der Strombedarf nämlich um mehr als das Doppelte erhöht.
Viel glückliche Umstände halfen, den Finanzbedarf der Investition in den neuen Stall in Grenzen zu halten. Baubeginn war im Juli 2021, Einzug war im Mai 2022. Die Auftragsvergabe erfolgte noch vor den späteren, extremen Kostensteigerungen. Lieferengpässe gab es auch noch nicht, sodass die Bauarbeiten nicht unterbrochen werden mussten. Auch die notwendigen Darlehen konnten noch vor dem Zinsanstieg und mit einem Nominalzinssatz von 0,85 % abgeschlossen werden.
Der Vater von Max Schweiger arbeitet in einem Baugeschäft. Dadurch konnten beim Unterbau und der Güllegrube Kosten gespart werden. Das Bauholz für die Koppelpfetten lieferte der Betrieb nach einem Windwurf selbst. Am Baugrund liefen eine Wasserleitung und Leerrohre für den Strom vorbei. Die Erschließungskosten für Strom und Wasser betrugen jeweils nur 18 000 €. Bereits im September 2020 hatte der Betrieb zur Bestandsaufstockung 55 Kälber zugekauft. Sie haben inzwischen gekalbt, sodass der neue Stall bald nach Fertigstellung voll belegt war.
Freiwillig optiert, der Umsatzsteuer wegen
Max Schweiger optierte freiwillig, um die Umsatzsteuer der Investition zu erhalten. Die Mehrwertsteuererstattung während der Bauphase ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Sicherstellung der Liquidität in dieser Zeit. Durch die Viehaufstockung stiegen die Umsätze, sodass der Betrieb nun optionspflichtig wurde. Ohne die freiwillige Option wären die beachtlichen Finanzmittel durch die Mehrwertsteuererstattung verloren gewesen.
Der gesamte Investitionsbedarf für den Stall betrug 920 000 € brutto. Nach Abzug der Mehrwertsteuer und einer Förderung von 25 % nach dem einzelbetrieblichen Investitionsprogramm ergab sich für den Betrieb ein Finanzbedarf von etwas über 7700 € je Kuhplatz.