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Grundwasser

Messstellen: Land- und Wasserwirtschaft üben Dialog

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Michael Ammich
am Donnerstag, 25.06.2020 - 10:33

Wie kommt die Wasserwirtschaft zur Ausweisung eines Roten Gebiets und wie wird an den Messstellen eigentlich gemessen?

Der Donau-Rieser Bauernverband wollte es genau wissen und hat sich die Vorgehensweise von Mitarbeitern des Donauwörther Wasserwirtschaftsamts vor Ort an einer Messstelle bei Grosselfingen über dem Grundwasserkörper „Nördlinger Ries“ erklären lassen. Zusammen mit drei weiteren Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen ist diese ausschlaggebend für die Einstufung einer Fläche von mehr als 50 000 ha als Rotes Gebiet.

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Nicht einmal zwei Meter unter der Bodenoberfläche steht an der Messstelle bei Grosselfingen das Grundwasser an, erklärt Karl Spanowksy, Laborleiter im Doanuwörther Wasserwirtschaftsamt. Gemeinsam mit Chemielaborantin Maria Miller pumpt er erst einmal das stehende Grundwasser aus der Messstelle gründlich ab, damit bei der Probenahme nur das nachgelaufene frische Grundwasser entnommen wird. Dann lässt die Laborantin an einem Seil einen Behälter hinab, mit dem das Grundwasser aufgenommen wird.

Später im Labor wird anhand von rund 30 Parametern, beispielsweise Chlorid, Sulfat oder Nitrat, der biologisch-chemische Zustand der Wasserprobe ermittelt. Und der sieht mit Blick auf den Nitratgehalt nicht gut aus, wie die regelmäßigen Messungen in den vergangenen Jahren zeigen. Der gesetzliche Nitrat-Grenzwert liegt bei 50 mg pro Liter, bei der letzten Messung in Grosselfingen ergab sich ein Wert von 64 mg/l.

Insgesamt sieben über das Nördlinger Ries verteilte Messstellen werden herangezogen, um den Zustand des Grundwasserkörpers zu beurteilen. An vier von ihnen wird der Nitrat-Grenzwert regelmäßig überschritten. „Die Messstellen wurden von der Wasserwirtschaft gemeinsam mit der Landwirtschaftsverwaltung festgelegt“, betont Dr. Rüdiger Zisch, Leiter des Fachbereichs Wasserversorgung, Gewässer- und Bodenschutz an der Donauwörther Behörde. Alle sieben Messstellen bilden jeweils ein bestimmtes Grundwassereinzugsgebiet ab. Für Messstellen können sowohl gefasste und nicht gefasste Quellen als auch grundwasserführende Schichten herangezogen werden. Gemessen wird jeweils in der obersten Grundwasserschicht, deren Zustand vom Menschen beeinflusst ist. Rund 600 solcher Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen wie bei Grosselfingen gibt es in Bayern. Auf absehbare Zeit soll ihre Anzahl auf 1500 erweitert werden. Die neuen Messstellen werden von den Wasserwirtschaftsämtern ausgesucht und anschließend der Landwirtschaftsverwaltung vorgeschlagen.

Mehr oder weniger schnell im Grundwasser

Wie Zischak erklärt, gelangen die von der Landwirtschaft ausgebrachten Nährstoffe in Abhängigkeit von den Niederschlagsmengen mehr oder weniger schnell von der Bodenoberfläche in das Grundwasser. Zur Beurteilung des Zustands des Grundwasserkörpers „Nördlinger Ries“ werden jedoch nicht nur die sieben Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen herangezogen, sondern auch die örtlichen Wassergewinnungsanlagen. Bewegt sich bei diesen der Nitratwert über 37,5 mg/l Wasser, schrillen im Wasserwirtschaftsamt die Alarmglocken. Zwar liegt der gesetzliche Grenzwert bei 50 mg/l, doch 37,5 mg/l gelten als Schwellenwert, der eine Tendenz zu einem schlechten Grundwasserzustand nahelegt.

In einem weiteren Schritt werden alle weiteren im Grundwasserkörper verfügbaren Messstellen zur Beurteilung des Grundwasserzustands herangezogen. Gut 10 000 solcher Messtellen gibt es im Freistaat. Das Wasserwirtschaftsamt beurteilt also den Zustand des Grundwasserkörpers „Nördlinger Ries“ keineswegs nur anhand der sieben Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen, versichert Zischak.

Grundwasser insgesamt im Blick

Der Diplom-Geologe räumt ein, dass es im Rieskrater keine ausreichenden Grundwasserleiter gibt, aus denen sich Trinkwassergewinnungsanlagen betreiben ließen. Doch bei der Beurteilung der Messergebnisse habe das Wasserwirtschaftsamt eben nicht nur das Trinkwasser im Blick, sondern das Grundwasser insgesamt. Aus diesem speisen sich nämlich neben den Trinkwasserbrunnen auch die Flüsse, welche die Nährstoffe weiter transportieren – solange, bis sie irgendwann auch in den Meeren landen. Ein Zuviel an Nährstoffen befördert in den Flüssen, Seen und Ozeanen beispielsweise das Algenwachstum.

Gut 80 % des Nitrateintrags im Grundwasser stammen aus der Landwirtschaft, sagt Zischak. „Deshalb stehen die Landwirte beim Wasserschutz im Fokus.“ In der bayerischen Agrarwirtschaft herrsche ein Nährstoffüberschuss, der „ja irgendwo auch wieder rauskommt“. Zischak rät den Landwirten zur „suboptimalen Düngung“, sprich, sie sollten nicht das Allerletzte aus ihren Ackerkulturen herauszuholen versuchen.

Landwirte sind bereit, etwas für den Wasserschutz zu tun

Kreisobmann Karlheinz Götz zeigt sich aufgeschlossen. Wo die Landwirtschaft als Verursacher erhöhter Nitratwerte im Grundwasser ermittelt werden kann, dort müsse sie auch verstärkt etwas für den Wasserschutz tun. Für die reduzierte Düngung müsse es dann allerdings auch einen finanziellen Ausgleich geben. Das sieht Zischak nicht anders.

Weiter fordert Götz eine zusätzliche Differenzierung der Roten Gebiete durch mehr Messstellen. „Das Rote Gebiet im Nördlinger Ries lehnen wir in seinem aktuellen Umfang ab.“ Hier rät Zischak jedoch zur Vorsicht. Zusätzliche Messstellen könnten zwar dazu führen, dass sich der Zustand des Grundwasserkörpers weiter differenzieren lässt und einige Bereiche aus dem Roten Gebiet herausfallen. Andererseits könnte es aber auch sein, dass dann neue Bereiche hinzukommen. Wenn das Wasserwirtschaftsamt jedoch wüsste, dass alle Landwirte über dem Grundwasserkörper ordnungsgemäß wirtschaften, könnte die Behörde gezielt nach anderen Verursachern der erhöhten Nitrateinträge suchen. Dazu wäre es freilich notwendig, dass die Landwirtschaftsämter die Nährstoffbilanzen der Betriebe offenlegen. Dagegen habe er nichts einzuwenden, sagt der Kreisobmann. „Aber nur, wenn die Daten zuvor anonymisiert werden.“

Messstellen müssen repräsentativ sein

„Der Bauernverband sucht den engen Kontakt zu den Wasserwirtschaftsämtern“, bekräftigt BBV-Geschäftsführer Michael Stiller. Wenn der Nitratwert an einer Messstelle für die Ausweisung eines Roten Gebiets verantwortlich ist, müsse diese Messstelle aber auch repräsentativ sein.

Reduziere die Landwirtschaft im Umfeld einer repräsentativen Messstelle ihre Düngung und sinke daraufhin tatsächlich der Nitratwert, dann sei die Anordnung von Maßnahmen für die Bauern auch leichter nachvollziehbar. Schwer täten sich die Bauern jedoch beispielsweise, wenn der Nitratwert in der öffentlichen Wasserversorgung der Stadt Nördlingen aus Brunnen bei Ederheim am Riesrand einen passablen Nitratwert aufweist und die umliegenden Flächen trotzdem als Rotes Gebiet eingestuft werden. Überhaupt erschließe sich ihm nicht, so Stiller, warum das Nördlinger Ries als Rotes Gebiet ausgewiesen wird, obwohl es im Rieskrater selbst keine öffentlichen Wassergewinnungsanlagen gibt.

In roten Gebieten keine Herbstdüngung zu Zwischenfrüchten

Was Stiller auch nicht versteht: Im Herbst dürfen Zwischenfrüchte nicht gedüngt werden, obwohl das Nitrat über die Bindung an die organische Masse auf dem Boden gehalten und deshalb kaum in das Grundwasser eingetragen wird. Auf Dauer müsse noch viel mehr auf die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Wetterkapriolen und Ackerbau geachtet werden. „Hier helfen punktuelle Maßnahmen wie die Ausweisung von Roten Gebieten nur wenig weiter.“

Am Ende erneuert Zischak seine „flehentliche Bitte“: „Das Wasserwirtschaftsamt braucht die Emissionsdaten von den Betrieben, um sauber abklären zu können, ob die Ergebnisse aus einer Messstelle repräsentativ sind. Wasserwirtschaft und Landwirtschaft müssen zusammenarbeiten.“