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Rinderhaltung

Mehr Tierwohl und weniger Emissionen schaffen

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Josef Hiemer
am Donnerstag, 29.07.2021 - 15:18

Das EU-Projekt EIP-Rind untersucht Innovationen beim Bau von Rinderställen. Ziele sind u. a. mehr Tierwohl und weniger Emissionen. Unser Allgäu zeigt am Beispiel der Stier GbR, Untermünkheim, was in dieser Hinsicht angedacht wird.

EIP-agri Bauen in der Rinderhaltung geht bei der Umsetzung von Neuerungen im Rinderstallbereich neue Wege. Nicht nur bei der Konzeption, sondern auch beim Test sind Praktiker eingebunden. Die Neuerungen werden nicht in Versuchsstationen, Instituten oder Labors entwickelt, sondern von Landwirten direkt umgesetzt. 18 Milchviehhalter, drei Bullenmäster und ein Fresser-Aufzuchtbetrieb in Baden-Württemberg haben die zuvor gemeinsam mit Wissenschaftlern, Architekten, Beratern und Stallbaufirmen entwickelten neuen Konzepte für Rinderställe verwirklicht.

Virtuelle Stallbegehungen geplant

Zu Coronazeiten finden im „EIP-Rind talk“ virtuelle Stallbegehungen in einem der am Modellvorhaben beteiligten Betrieb statt. Die nächsten Stallbegänge sind am 17. 8, und 20.8., jeweils ab 13 Uhr geplant. Der Zugang für Jedermann erfolgt über www.eip-rind.de.

Der in der Nähe von Schwäbisch Hall gelegene Betrieb der Stier GbR in Schönenberg, Gemeinde Untermünkheim, bewirtschaftete vor der Baumaßnahme 80 ha LF in konventioneller Weise . Die 80 Milchkühe und 80 Stück weibliches Jungvieh waren in einem 1996 gebauten Laufstall und einem 2010 errichteten Anbau untergebracht. Der erste Laufstall hat die Form einer „großen Halle“, der Anbau besteht aus einem offenen Fressplatz und offenen, überdachten 20 Liegeboxen.

Lange Melkzeiten

Auslöser für den Stallneubau waren für die Familie die langen Arbeitszeiten im vorhandenen Stall, insbesondere die Melkzeiten in dem 2 x 4er-Fischgrätenmelkstand von insgesamt 6 Stunden täglich. Die Milch wird bereits um 8.30 Uhr abgeholt. Das bedeutete früh aufstehen und ein Arbeitsende nicht vor 20 Uhr. Ein weiteres Argument für den Stallneubau waren die für die rahmigen Kühe der Hochleistungsherde ungenügenden Platzverhältnisse im alten Laufstall.

Nach langer Planung entschied sich Daniel Stier für einen mehrhäusigen Stallneubau. Ausschlaggebend hierfür waren nicht der ca. 80 – 100 000 € niedrigere Investitionsbedarf gegenüber einer einhäusigen Halle, sondern seine Beobachtungen im alten Stall:

  • Die Liegeboxen in dem offenen Anbau waren stets zuerst belegt.
  • Die Futteraufnahme am Außenfuttertisch war höher als im alten Laufstall.

Es sollte zudem ein zentraler, überdachter Futtertisch mit 52 Fressplätzen auf jeder Seite sein. Der Futtertisch ist mit einem einfachen Blechdach eingedeckt. Gelegentliches Tropfkondensat sei kein Problem. Gravierender sei die größere Hitze unter dem nicht isolierten Dach. Heute würde Daniel Stier trotz höherer Kosten ein gedämmtes Dach vorziehen.

Dazu wurden zwei, an der Futtertischseite offene, dreireihige, gleich große Liegehallen für je 62 Kühe mit einer Länge von 40 m und einer Breite von ca. 12 m vorgesehen. Die Wandliegeboxen haben eine Länge von 2,9 m, der hintere Laufgang ist 3 m breit. Die Doppelboxen sind 5,20 m lang. Das Dach besteht aus wärmegedämmten Sandwichelementen. Trotzdem staue sich in den offenen Ställen die Hitze. Deshalb wurden zusätzlich Lüfter eingebaut.

Am Ende jeder Liegehalle gibt es weitere vier Fressplätze für Heu. Daniel Stier versprach sich hiervon eine Verbesserung des Fettgehaltes durch die zusätzliche Aufnahme von Heu. Die Erwartungen haben sich aber nicht erfüllt.

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Weitere Vorhaben: Das Milchlager und Technikräume wurden an eine der Liegehallen angebaut. Die Trockensteher und die weibliche Nachzucht sind im alten Laufstall untergebracht.

Die frischgekalbten Kühe sind ebenfalls im alten Laufstall, solange sie Kolostralmilch geben. Für diese sechs bis acht Kühe kann der alte Melkstand genutzt und so ein spezieller Bereich für frisch gekalbte Kühe im neuen Stall gespart werden.

Integrierter Laufhof

Der nicht überdachte Fressgang zwischen Liegehalle und Futtertisch hat eine Breite von 6,40 m. Davon sind 4,8 m als planbefestigte Fläche ausgebildet, davon sind 4 m nicht überdacht. Mit den 4 m nicht überdachter Fläche erfüllt das Vorhaben die Förderbedingungen im AFP-Programm in Baden-Württemberg. Auf den restlichen 1,6 m stehen die Kühe auf einem um 20 cm erhöhten Fressplatz. Der erhöhte Fressplatz bietet mehrere Vorteile: Der Mistschieber stört die Kühe nicht, er kann häufiger eingesetzt werden und die Laufgänge bleiben sauberer. Da die Tiere auf den erhöhten Fressplatz nicht abkoten verringern sich die Kotfläche und damit auch die NH-Emissionen.
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Ein Trennbügel nach jedem zweiten Fressplatz sorgt für ruhigeres Fressen und weniger Störungen ranghöherer Kühe beim Fressen. Er zwingt die Kühe beim Verlassen des Standplatzes rückwärts zu gehen.

Die um 10 cm erhöhten 1,6 m langen Fressplätze mit einem Gefälle von 3 % sind auf 1,7 m überdacht. Damit sind gleichfalls die AFP-Bedingungen erfüllt. Mit dem 60 cm breiten Vordach der Liegehalle ergibt sich eine nicht überdachte Breite von 4,0 m. Damit erfüllt die Konstruktion die für Laufhöfe geforderten Mindestflächen je Tier, auch bei Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise. Die geforderten 4,5 m²/ Kuh, davon max. 2/3 überdacht, werden weit überschritten.

Die erhöhten Fressplätze können vollständig, der Laufhof teilweise, über eine Jalousie beschattet werden. Dadurch sinkt die Hitzebelastung der Kühe. Die Bildung von Schmierschichten auf den Laufgängen wird reduziert.

In jeder der Liegehallen arbeitet ein automatisches Melksystem (AMS). „Wir haben versucht, den Auslauf in den Kuhstall hinein zu holen“, erläuterte Daniel Stier seinen Grundgedanken.
Die Liegehallen sind mit einem wärmegedämmten Sandwichdach eingedeckt. Das Blechdach der Futterhalle wurde aus Kostengründen nicht isoliert.

Gestaltung der Gänge

Der 4,8 m breite, betonierte und mit einer Gummimatte belegte Fressgang weist ein Gefälle von 3 % zur Harnrinne in der Gangmitte auf. Dadurch läuft der Harn schneller ab, die Lauffläche ist trockener als bei ebenen Gängen. Trockene Gänge ermöglichen harte Klauen, auch die NH-Emissionen sinken.
Der trockene Kot bildet zeitweise Schmierschichten. Daniel Stier beobachtet dies an ca. 20 % der Tage. Schmierschichten entstehen vor allem in der Übergangszeit, an trockenen Tagen und folgendem Tau in der Nacht. Ab 11-12 Uhr seien die Schmierschichten wieder trocken. 2 bis 3 Liter/m² Regen lösen die Schmierschicht auf. Auch die installierte Kuhdusche kann Schmierschichten beseitigen. Das Wasser dürfe aber nicht zu fein vernebelt werden. Der verformbare Gummiboden im Laufhof verhindert das Festkleben des Kotes, wodurch ihn der Schieber beseitigen kann. In der Praxis bilden die Schmierschichten kein Problem: Die Kühe laufen auch dann normal. Ein Abschieben „von Hand“ sei nicht notwendig. Auch durch Beschattung könne das Problem der Schmierschichten auf Teilflächen des Laufhofes reduziert werden.
Der Gummiboden mit Harnrinne überzeugte auch im Winter. Nach fünf Tagen Frost räumte der Schieber immer noch ordnungsgemäß. Daniel Stier macht hierfür 2 Ursachen verantwortlich:
  • Der Gummiboden sei wärmer als Beton.
  • Durch den Gang der Kühe sei er dauernd in Bewegung, das Anfrieren wird verzögert. Auf Spaltenböden hätte sich in dieser Zeit über den verstopften Spalten eine hügelige Schnee-Eisschicht gebildet.
Die Gänge in den Liegehallen zwischen Wand- und Doppelbox sind ebenfalls betoniert. Auf dem ebenen Beton liegt eine gerillte, verformbare Gummimatte mit nach zwei Seiten zu den Rillen abfallenden Oberflächen. Das Gefälle der ca. 20 cm breiten Lauffläche beträgt ca. 4 %, dadurch läuft der Harn schneller ab. Sie sind 14 mm tief und ca. 35 mm breit. In die Oberfläche des Gummibelages ist das Schleifmittel Korund eingebaut, das für Klauenabrieb und höhere Trittsicherheit sorgen soll. Die Reinigung erfolgt mit einem fest eingebauten Kammschieber.
Zur Beseitigung eventueller Schmierschichten wurde in die Kotkante der Liegeboxen eine gelochte Wasserleitung installiert, die ausreichend Wasser zu deren Beseitigung liefert. Wasser ist in der 160 m³ großen Zisterne ausreichend vorhanden. In der Praxis erwies sich die Bewässerungsleitung aber bisher als nicht notwendig. Der Rillenboden sei immer sauber, Schmierschichten entstehen nicht.

Beheizbare Spaltenböden

Der Vorraum vor dem Melkroboter bis zu den Doppelliegeboxen ist als Spaltenboden ausgebildet. Damit die Schlitze des Spaltenbodens auch bei Minusgraden frei bleiben, sind die Spalten beheizbar. Hierzu wurde ein eigener Wasserkreislauf installiert, das Wasser mit einem in Autos verwendeten Frostschutzmittel versetzt. Ein eigener Kreislauf bietet den Vorteil, dass mit höheren Temperaturen als im Wasserkreislauf der Tränken gearbeitet werden kann. Die Heizung wurde im abgelaufenen Winter bei Temperaturen von bis zu -18 °C nur etwa eine Woche benötigt.
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Gülle und Oberflächenwasser fliesen über ein waagrecht verlegtes 500 mm KG-Rohr in die 75 m entfernte Güllegrube. Am Boden der Güllegrube drückt eine Pumpe die dünnflüssige Gülle in die Gegenrichtung in ein 150 mm KG-Rohr. Im Sommer muss die Gülleleitung alle zwei Tage für ca. 10 min gespült werden, im Winter alle drei bis vier Tage. Schwachpunkt ist der 1,3 m breite und 1,8 m tiefe Querkanal am Stall, der im Winter für zehn Tage zugefroren war.

Familie Stier arbeitet seit 2018 in dem neuen Stallenensemble. Obwohl manchmal für etwa zehn Tage im Winter Zweifel über das System auftauchen, sei man doch überzeugt, die richtige Lösung gefunden zu haben. „Die Zahlen beweisen, dass es funktioniert“, fasste Daniel Stier seine Erfahrungen zusammen. Zum einen die positiven Aspekte der offenen Liegeboxen im Anbau an den alten Stall und am meisten die Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung. Die Arbeitszeiten seien nun deutlich gesunken und flexibler geworden. Eine Person könne in jeweils 1,5 Stunden die Routinearbeiten im neuen Stallgebäude erledigen. Der Investitionsbedarf für den neuen Stall betrug 10 000 €/Kuhplatz, ohne Güllegrube und Wegebau.

Beim Vergleich der beiden Bodenbeläge kann Daniel Stier keine gravierenden Unterschiede feststellen. Der plane Boden mit 3 % Gefälle habe seine Vorteile bei offenen Flächen. Der Regen könne dann die Flächen reinigen. Er sei wegen der Schmierschicht einige Tage nicht rutschfest. Das Problem ließe sich durch eine Wasserleitung in der Kotkante beheben.

Für Daniel Stier hat der Rillenboden im Alltag im Stall bisher keine entscheidenden Vorteile gezeigt. Beim Vergleich mit dem mit ebenen Gummimatten ausgelegten Fressgängen konnte er beobachten, dass die Kühe, besonders beim Rindern, auf dem Rillenboden etwas vorsichtiger als auf dem ebenen Gummiboden des Laufhofes laufen. „Die beiden Böden im neuen Stall sind aber gegenüber dem Spaltenboden im alten Stall allemal besser“, ist Daniel Stier sicher.