EIP-agri Bauen in der Rinderhaltung geht bei der Umsetzung von Neuerungen im Rinderstallbereich neue Wege. Nicht nur bei der Konzeption, sondern auch beim Test sind Praktiker eingebunden. Die Neuerungen werden nicht in Versuchsstationen, Instituten oder Labors entwickelt, sondern von Landwirten direkt umgesetzt. 18 Milchviehhalter, drei Bullenmäster und ein Fresser-Aufzuchtbetrieb in Baden-Württemberg haben die zuvor gemeinsam mit Wissenschaftlern, Architekten, Beratern und Stallbaufirmen entwickelten neuen Konzepte für Rinderställe verwirklicht.
Virtuelle Stallbegehungen geplant
Zu Coronazeiten finden im „EIP-Rind talk“ virtuelle Stallbegehungen in einem der am Modellvorhaben beteiligten Betrieb statt. Die nächsten Stallbegänge sind am 17. 8, und 20.8., jeweils ab 13 Uhr geplant. Der Zugang für Jedermann erfolgt über www.eip-rind.de.
Der in der Nähe von Schwäbisch Hall gelegene Betrieb der Stier GbR in Schönenberg, Gemeinde Untermünkheim, bewirtschaftete vor der Baumaßnahme 80 ha LF in konventioneller Weise . Die 80 Milchkühe und 80 Stück weibliches Jungvieh waren in einem 1996 gebauten Laufstall und einem 2010 errichteten Anbau untergebracht. Der erste Laufstall hat die Form einer „großen Halle“, der Anbau besteht aus einem offenen Fressplatz und offenen, überdachten 20 Liegeboxen.
Lange Melkzeiten
Auslöser für den Stallneubau waren für die Familie die langen Arbeitszeiten im vorhandenen Stall, insbesondere die Melkzeiten in dem 2 x 4er-Fischgrätenmelkstand von insgesamt 6 Stunden täglich. Die Milch wird bereits um 8.30 Uhr abgeholt. Das bedeutete früh aufstehen und ein Arbeitsende nicht vor 20 Uhr. Ein weiteres Argument für den Stallneubau waren die für die rahmigen Kühe der Hochleistungsherde ungenügenden Platzverhältnisse im alten Laufstall.
Nach langer Planung entschied sich Daniel Stier für einen mehrhäusigen Stallneubau. Ausschlaggebend hierfür waren nicht der ca. 80 – 100 000 € niedrigere Investitionsbedarf gegenüber einer einhäusigen Halle, sondern seine Beobachtungen im alten Stall:
- Die Liegeboxen in dem offenen Anbau waren stets zuerst belegt.
- Die Futteraufnahme am Außenfuttertisch war höher als im alten Laufstall.
Es sollte zudem ein zentraler, überdachter Futtertisch mit 52 Fressplätzen auf jeder Seite sein. Der Futtertisch ist mit einem einfachen Blechdach eingedeckt. Gelegentliches Tropfkondensat sei kein Problem. Gravierender sei die größere Hitze unter dem nicht isolierten Dach. Heute würde Daniel Stier trotz höherer Kosten ein gedämmtes Dach vorziehen.
Dazu wurden zwei, an der Futtertischseite offene, dreireihige, gleich große Liegehallen für je 62 Kühe mit einer Länge von 40 m und einer Breite von ca. 12 m vorgesehen. Die Wandliegeboxen haben eine Länge von 2,9 m, der hintere Laufgang ist 3 m breit. Die Doppelboxen sind 5,20 m lang. Das Dach besteht aus wärmegedämmten Sandwichelementen. Trotzdem staue sich in den offenen Ställen die Hitze. Deshalb wurden zusätzlich Lüfter eingebaut.
Am Ende jeder Liegehalle gibt es weitere vier Fressplätze für Heu. Daniel Stier versprach sich hiervon eine Verbesserung des Fettgehaltes durch die zusätzliche Aufnahme von Heu. Die Erwartungen haben sich aber nicht erfüllt.

Weitere Vorhaben: Das Milchlager und Technikräume wurden an eine der Liegehallen angebaut. Die Trockensteher und die weibliche Nachzucht sind im alten Laufstall untergebracht.
Die frischgekalbten Kühe sind ebenfalls im alten Laufstall, solange sie Kolostralmilch geben. Für diese sechs bis acht Kühe kann der alte Melkstand genutzt und so ein spezieller Bereich für frisch gekalbte Kühe im neuen Stall gespart werden.
Integrierter Laufhof

Ein Trennbügel nach jedem zweiten Fressplatz sorgt für ruhigeres Fressen und weniger Störungen ranghöherer Kühe beim Fressen. Er zwingt die Kühe beim Verlassen des Standplatzes rückwärts zu gehen.
Die um 10 cm erhöhten 1,6 m langen Fressplätze mit einem Gefälle von 3 % sind auf 1,7 m überdacht. Damit sind gleichfalls die AFP-Bedingungen erfüllt. Mit dem 60 cm breiten Vordach der Liegehalle ergibt sich eine nicht überdachte Breite von 4,0 m. Damit erfüllt die Konstruktion die für Laufhöfe geforderten Mindestflächen je Tier, auch bei Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise. Die geforderten 4,5 m²/ Kuh, davon max. 2/3 überdacht, werden weit überschritten.
Die erhöhten Fressplätze können vollständig, der Laufhof teilweise, über eine Jalousie beschattet werden. Dadurch sinkt die Hitzebelastung der Kühe. Die Bildung von Schmierschichten auf den Laufgängen wird reduziert.
Gestaltung der Gänge
- Der Gummiboden sei wärmer als Beton.
- Durch den Gang der Kühe sei er dauernd in Bewegung, das Anfrieren wird verzögert. Auf Spaltenböden hätte sich in dieser Zeit über den verstopften Spalten eine hügelige Schnee-Eisschicht gebildet.
Beheizbare Spaltenböden

Gülle und Oberflächenwasser fliesen über ein waagrecht verlegtes 500 mm KG-Rohr in die 75 m entfernte Güllegrube. Am Boden der Güllegrube drückt eine Pumpe die dünnflüssige Gülle in die Gegenrichtung in ein 150 mm KG-Rohr. Im Sommer muss die Gülleleitung alle zwei Tage für ca. 10 min gespült werden, im Winter alle drei bis vier Tage. Schwachpunkt ist der 1,3 m breite und 1,8 m tiefe Querkanal am Stall, der im Winter für zehn Tage zugefroren war.
Familie Stier arbeitet seit 2018 in dem neuen Stallenensemble. Obwohl manchmal für etwa zehn Tage im Winter Zweifel über das System auftauchen, sei man doch überzeugt, die richtige Lösung gefunden zu haben. „Die Zahlen beweisen, dass es funktioniert“, fasste Daniel Stier seine Erfahrungen zusammen. Zum einen die positiven Aspekte der offenen Liegeboxen im Anbau an den alten Stall und am meisten die Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung. Die Arbeitszeiten seien nun deutlich gesunken und flexibler geworden. Eine Person könne in jeweils 1,5 Stunden die Routinearbeiten im neuen Stallgebäude erledigen. Der Investitionsbedarf für den neuen Stall betrug 10 000 €/Kuhplatz, ohne Güllegrube und Wegebau.
Beim Vergleich der beiden Bodenbeläge kann Daniel Stier keine gravierenden Unterschiede feststellen. Der plane Boden mit 3 % Gefälle habe seine Vorteile bei offenen Flächen. Der Regen könne dann die Flächen reinigen. Er sei wegen der Schmierschicht einige Tage nicht rutschfest. Das Problem ließe sich durch eine Wasserleitung in der Kotkante beheben.