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Bildung

Eine Lehrstunde in Sachen Nachhaltigkeit

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Michael Ammich
am Donnerstag, 22.07.2021 - 15:28

Studierende der LWS Kaufbeuren beim Betrieb Donderer in Aichen, Landkreis Günzburg, einem Vorzeigebetrieb im bayerischen BioRegio-Netz.

Aichen Eine Lehrstunde in Sachen Nachhaltigkeit erteilte Franz Donderer den Studierenden der Landwirtschaftsschulen Kaufbeuren und Mindelheim auf seinem Bioland-Betrieb in Aichen. Er zeigte den 24 jungen Frauen und Männern, wie sich Festmist und Gülle von einem manchmal lästigen Nebenprodukt zu einem ertragssteigernden, umweltfreundlichen und kostensparenden Wirtschaftsfaktor entwickeln lassen. „Es geht um die Optimierung der innerbetrieblichen Nährstoffkreisläufe bei viehhaltenden Betrieben durch die Behandlung und den bestmöglichen Einsatz von Mist und Gülle“, erklärte Donderer. Mit anderen Worten: Es gehe darum, mit den vorhandenen Mitteln gut zu wirtschaften. „Man nehme, was man hat.“

Vor 40 Jahren hat die Familie Donderer ihren Milchvieh- und Ackerbaubetrieb auf den ökologischen Landbau umgestellt. Heute ist er ein Vorzeigebetrieb im bayerischen BioRegio-Netz. Zum Hof gehören 75 ha Nutzfläche, darunter 30 ha Grünland. Weil die Familie mit der Arbeit im Stall und auf dem Feld an ihre Belastungsgrenzen kam, wurde die Milchviehhaltung im vergangenen Jahr aufgegeben und der Betrieb auf die Ammen- und Mutterkuhhaltung, extensive Weide-, Ochsen- und Färsenmast umstrukturiert. Für zusätzliche Einnahmen sorgen der Ausbau der Direktvermarktung mit einem Automaten und eine noch im Bau befindliche Photovoltaik-Freilandanlage mit einer Leistung von drei Megawatt.

Auf einer Wiese neben dem Hof hat Franz Donderer einen Gülleversuch durchgeführt. Mit einem Breitverteiler und im bodennahen Schleppschuhverfahren brachte er jeweils 12 m³ Gülle pro Hektar aus. Zuvor hatte er die Gülle mit mehreren Komponenten behandelt: Diabas-Gesteinsmehl, Gülleschwefel, Pflanzenkohle, Zeolith, Montmorillonit, Greengold und mit effektiven Mikroorganismen wie Milchsäure-, Hefe- und Schimmelkulturen. Das Ergebnis: Auch nach vielen Wochen blieb die per Schleppschuh ausgebrachte Gülle noch in Form von langen Wurststrängen auf der Wiese liegen. „So kann die Gülle schnell mit ins Futter gehen und dann für Krankheiten beim Vieh sorgen“, sagt Donderer. „Übernimmt die Politik die Haftung, wenn durch die bodennahe Gülleausbringung das Vieh krank wird? Eine Kette bricht immer an ihrem schwächsten Glied.“

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Das Bodenleben hält keinen Winterschlaf

Die neue Düngeverordnung sei insbesondere für Biobetriebe alles andere als gut. Im ökologischen Landbau gelte nämlich der Grundsatz, dass die Behandlung der Ursachen immer besser ist, als die Behandlung von Symptomen. Gülleprobleme seien meist auf den schlechten Zustand des organischen Düngers zurückzuführen, also auf ihre mikrobielle Zusammensetzung, ihren pH-Wert und ein unausgewogenes Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis. Zudem zwinge die Düngeverordnung die Landwirte aufgrund der Sperrfristen dazu, die Gülle auch bei hohen Temperaturen auszubringen. Im Winter, wenn sie nicht auf die Felder darf, gase sie jedoch deutlich weniger aus als im Sommer. Deshalb wäre im Winter auch keine bodennahe Ausbringung erforderlich, betont Donderer. Außerdem halte das Bodenleben keinen Winterschlaf und wolle auch bei kalten Temperaturen mit Nährstoffen versorgt sein.

In den zurückliegenden Jahrzehnten habe die Politik die Landwirte dazu angehalten, Vollgas zu geben – „und die Bauern sind jetzt schuld an den Umweltproblemen“. Umso schwieriger werde es nun, Gesellschaft, Politik, Natur und Landwirtschaft wieder zusammenzubringen.

Derzeit stünden die Landwirte vor der Frage, wie sie mit einer reduzierten Düngung Eiweiß in das Tierfutter bringen und wie sie sich die teure Technik für die bodennahe Gülleausbringung leisten sollen. Diese Probleme werden den Strukturwandel weiter beschleunigen, ist Donderer überzeugt.

„Die Kosten für die Technik und die Nachteile durch die Sperrfristen stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Umwelt.“ Die Düngeverordnung sei ein Beispiel, wie die Politik die jahrhundertelangen Erfahrungen der Bauern missachtet, klagt der Aichener Biobauer. „Mist und Gülle sind für mich der wichtigste Dünger, den ich auch optimal einsetzen möchte.“

Einen neuen Weg im Ackerbau beschritten

Im Ackerbau geht die Familie Donderer einen neuen Weg in Richtung Marktgetreide, Leguminosen und Wintergerste. Dazu wird auf extensive Getreidearten wie Triticale und Hafer gesetzt, der Weizenanbau ist Donderer aufgrund der Düngeverordnung zu riskant geworden. Umso wichtiger ist ein gesunder, fruchtbarer Boden mit guter Struktur, viel Wurm- und anderem Bodenleben, mit einer guten Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit. „So bringt er auch langfristig aus eigener Kraft gute Durchschnittserträge.“ Je länger auf einem Feld keine Chemie mehr angewandt wurde, desto besser funktioniere das Bodenleben und desto höher seien im Öko-Landbau die Erträge.

Um die Bodenfruchtbarkeit zu steigern, baut Donderer auf eine Fruchtfolge mit extensivem Zwischenfruchtanbau, Gründüngung und optimalem Einsatz von betriebseigenem Dünger. Freilich orientiere sich die Fruchtfolge auch an betriebswirtschaftlichen Vorgaben, wie der Fütterung der Tiere. Unverzichtbar in der Fruchtfolge ist für Donderer das Mehrjährige Rotkleegras. Es minimiere nicht nur das Fusarienrisiko und halte das Unkraut in Schach, sondern fördere auch die Bodenstruktur, sammle Stickstoff aus der Luft, beschatte den Boden und sei darüber hinaus ein hervorragendes Futter. Eine gute Bodenstruktur fördere die Nährstoffversorgung der Kulturen teils noch stärker als entsprechende Düngemaßnahmen. Donderer verwies auf eine fünfschnittige Wiese, in der 25 verschiedene Klee- und Kräuterarten zu finden seien. Beim Anbau von Zwischenfrüchten legt der Biobauer Wert auf Mischungen, die einen etagenartigen Wuchs entwickeln. Dadurch könnten die Pflanzen möglichst viel Sonne einfangen.
„Die bodennahe Gülleausbringung im Grünland ist ein Schmarrn“, fasst Donderer seinen Ärger über die Düngeverordnung zusammen. Die Gülle habe eine fungizide Wirkung, die aber nur dann funktioniere, wenn sie mit den Blättern der Pflanzen in Kontakt kommt. Ohne Breitverteilung gehe diese Wirkung verloren. Außerdem widersprächen Güllestreifen dem Grundsatz, dass der Dünger möglichst gleichmäßig ausgebracht werden sollte. Das Arbeiten gegen die Natur habe noch nie zum Erfolg geführt. Der Boden sei ein hochkomplexes Ökosystem. In einem Hektar Wiese lasse sich in einer Tiefe bis zu 80 cm eine Biomasse finden, die 20 Großvieheinheiten entspricht. Düngen heiße, das Bodenleben zu füttern. „Der Boden ist der Partner der Bauern“, mahnt Donderer. „Ein gesunder Boden heißt gesunde Pflanzen, damit gesunde Tiere und letztlich ein gesunder Betrieb.“

In Koexistenz mit der Natur leben

Der Mensch müsse lernen, in Koexistenz mit der Natur zu leben, fordert Donderer. Das bedeute leben und leben lassen und voneinander zu profitieren. Ziel des Landwirts müsse die Erzeugung von hochwertigen, betriebseigenen Futtermitteln sein, um sich unabhängig von der Industrie und vom Handel zu machen. „Wer weniger Ausgaben hat, kann auch mit weniger Einnahmen zufrieden sein.“ Der ökologische Landbau vereine Ökonomie und Ökologie und sei damit die modernste Landwirtschaft mit Verstand.

Damit die 24 Studierenden aus den zwei Landwirtschaftsschulen nach so viel Kritik an der Düngeverordnung, der bodennahen Gülleausbringung und den Sperrfristen nicht auf dumme Gedanken kommen, zieht Pflanzenbauberater Michael Kistler vom AELF Kaufbeuren die Bremse etwas an: „Die Sperrfristen machen die Kontrolle einfach. Ich kann Ihnen nur raten, sich an die gesetzlichen Bestimmungen zu halten.“