Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Prominenter Besuch

Landfrauen: Bauern und Bäuerinnen müssen Zukunft selbst gestalten

Der BBV-Kreisverband Dillingen mit (v. l.) BBV-Geschäftsführer Michael Stiller, den Frauen aus der Kreisvorstandsschaft und Kreisobmann Klaus Beyrer (r.) sowie (vorne, v. l.) stv. Kreisbäuerin Gabi Schmid und Kreisbäuerin Annett Jung freute sich über den Besuch von DBV-Vizepräsidentin Susanne Schulze-Bockeloh.
Brigitte Auer
am Montag, 20.03.2023 - 07:56

Ministerpräsident Söder und DBV-Vizepräsidentin Susanne Schulze-Bockeloh besuchen Landfrauentag in Dillingen.

Prominenter Gast: Ministerpräsident Markus Söder (r.) würdigte den Dillinger Landfrauentag mit seinem Besuch. Darüber freuten sich auch (v. l.) OB Frank Kunz und Kreisbäuerin Annett Jung.

Dillingen a. d. Donau Markus wie „Machen!“ – Kreisbäuerin Annett Jung nutzte ein Fragespiel und sprach auf dem Landfrauentag in Dillingen aus, was die Landwirtschaft derzeit bewegt: Große Herausforderungen verlangen ein engagiertes Handeln der Politik. In Jung hat der BBV-Kreisverband Dillingen selbst eine starke Macherin an seiner Spitze: Mit Ministerpräsident Markus Söder und DBV-Vizepräsidentin Susanne Schulze-Bockeloh brachte sie gleich zwei Protagonisten von Rang auf die Bühne. Und sie ist überzeugt: Auch die Landfrauen und -wirte müssen selbst an ihrer Zukunft mitbauen. Dialog und ein neues Selbstbild sind gefragt.

Ganz dem gängigen bäuerlichen Image entsprechend, war auf dem Landfrauentag Traditionspflege angesagt: Die Landfrauen präsentierten sich im feschen Dirndl bei Gesang und Gebet und verwöhnten ihre Gäste mit köstlichem Selbstgebackenem. Herzlich, geduldig, aufrichtig, aber auch kompetent, eigenwillig und bestimmt: Was da in einem umgedichteten Liedtext über die Leiterin des Dillinger Landfrauenchors gesagt wurde, könnte für viele der Anwesenden gelten. Elvira Foitl wurde bei der Gelegenheit für 20 Jahre Engagement geehrt: „Eine Chorleiterin“, so Annett Jung in ihrer Laudatio, „die nicht nur fachlich überzeugt, sondern auch eine Freundin geworden ist.“

75 Jahre Landfrauen gefeiert

Gefeiert wurden an diesem Tag im Stadtsaal Dillingen auch 75 Jahre Landfrauenarbeit. Zahlreiche Mitstreiter im Ehrenamt waren gekommen: neben Kreisobmann Klaus Beyrer und dem neuen Geschäftsführer Michael Stiller auch BBV-Verbandsvertreter aus den umliegenden Landkreisen

Die DBV-Vizepräsidentin sieht den Wechsel bereits in vollem Gange: „Wir haben 15 Prozent Betriebsleiterinnen, 50 Prozent Agrarwissenschaftsstudentinnen und viele heimliche Betriebsleiterinnen.“ Und nun, dank einer Satzungsänderung, auch die erste stellvertretende Vorsitzende auf Bundesebene.

Landrat Markus Müller warf einen Blick zurück und wies in seinem Grußwort auf die unverzichtbaren Verdienste der Landfrauen hin: Den enormen Wandel, den Gesellschaft und Landwirtschaft in den letzten 75 Jahren erlebt habe, hätten, so Müller, diese „Universalmanagerinnen“ in den Familien und in den Dörfern wesentlich mitgestaltet.

Muss sich die Politik auf Bundes- und EU-Ebene häufig beißende Kritik durch BBV-Vertreter gefallen lassen, so wird gerne die prinzipiell gute Zusammenarbeit mit der bayerischen Staatsregierung hervorgehoben. Als der Ministerpräsident sich entschloss, der Einladung von Annett Jung zu folgen und auf dem Dillinger Landfrauentag zu erscheinen, konnte er also mit einem freundlichen Willkommen rechnen. Ein „Spruchbeutel“ habe er, so Söder, auch nicht sein wollen und das einmal gegebene Versprechen deshalb gerne eingelöst. Von der Kreisbäuerin ließ sich der bayerische Ministerpräsident auf der Bühne aufs Sofa locken und stellte sich den Fragen, die die Landfrauen zusammengetragen hatten.

Mit seinem Auftritt wolle er seine Wertschätzung für den ländlichen Raum aussprechen. „Geht es dem ländlichen Raum gut, geht es Bayern gut.“ Ein Thema, das die Landfrauen dabei besonders Sorge macht, sind laut Annett Jung die hausärztliche Gesundheitsversorgung, der Bestand der regionalen Krankenhäuser und die Sicherung der Pflege. Söder zählte in seiner Antwort die besonderen Leistungen Bayerns in diesem Bereich auf: Ausbau der Medizin-Studienplätze, Anreize für die Übernahme von Landarztpraxen, finanzielle Förderung von Pflegeplätzen. „In Bayern lebt man länger als woanders. Die letzten Wege sollen wir mit Würde gehen können.“

Söder wünscht sich mehr Wertschätzung für die Bauern

Mehr Wertschätzung wünscht sich Söder für die Landwirtschaft, mehr Rückendeckung im eigenen Land. „Alle reden von der Zeitenwende. Wo es die nicht gibt, ist bei der Einstellung zur Landwirtschaft.“ Und er forderte eine bessere Aufklärung darüber, was die Landwirtschaft in den Bereichen Ernährung, Landschaftspflege und Energie leistet.

Ausdrücklich würdigte der Ministerpräsident das von den BBV-Frauen entwickelte Konzept „Alltagskompetenzen – Schule fürs Leben“, das die bayerische Regierung eins zu eins für die bayerischen Schulen übernommen habe.

Mit Flächenverbrauch und Roten Gebieten sprach die Kreisbäuerin zwei Themen an, in denen sich die Landwirtschaft durch Überregulierung gegängelt sieht. Auch für Söder gehört das Flächenmanagement in die Hände der Landwirte: „Wir müssen endlich dazukommen, dass der, dem das Land gehört, die Freiheit hat, selbst zu entscheiden, was er macht.“ Stilllegungsmanagement, Naturschutzflächen etc. müssten überdacht werden. „Die Welt hat Hunger, wenn wir einen Beitrag leisten wollen, müssen wir die Flächen bewirtschaften“, sagte Söder.

Bei der Ausweisung der Roten Gebiete stellte Söder eine klarere Datenlage mittels weiterer Messstellen und vorläufige Bestandsschutzregelungen in Aussicht, und warb für eine liberalere Auslegung der gesetzlichen Vorgaben und eine großzügige Härtefallregelungen.

Landwirte brauchern mehr Planungssicherheit

Mehr Planungssicherheit brauchen Landwirte, so Jung weiter, auch bei der Tierhaltung. Aber auch mehr Respekt vor Produkt und Produktion. Landwirtschaft werde, mit großer Sorgfalt und Qualität betrieben. „Da steckt so viel Liebe drin“, bestätigte Söder. Um Tierhaltung und Fleischkonsum werde, derzeit ein kleiner Kulturkampf geführt, der bis in die Kitas hineinreiche. „Können Sie sich einen Kindergeburtstag vorstellen, der mit Brokkoli zum Erfolg geführt wird?“ Söder bekannte sich zu bayerischer Hausmannskost und möchte mehr regionales Angebot auf den Märkten der Großstädte und in der Gemeinschaftsverpflegung erreichen.

Die Landwirtschaft, stellte Susanne Schulze-Bockeloh in ihrem Vortrag am Nachmittag fest, habe sich im Laufe der Zeit immer weiter von der Allgemeinheit entfernt und sei in deren Alltagswirklichkeit kaum präsent. Es fehlten Kontaktpunkte und so lebten beide Seiten wie Parallelwelten nebeneinander her. Polarisierungen ersparten das Denken und wirkten vor allem in Krisenzeiten entlastend, wenn Handeln gefragt ist.

Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft bringen

Die Folge jedoch sei Stillstand. „Wir wollen die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft bringen“, erklärte Schulze-Bockeloh und forderte: „Wir müssen uns fragen: Mit welchen Bildern und welchen Geschichten erreichen wir die Menschen?“ Die Rheingold-Studie ,,Wertschätzung für die Landwirtschaft nach dem Corona Schock“ (2020) habe gezeigt, dass Verbraucher wie Landwirte sich mehr Zukunftsorientierung in der Landwirtschaft wünschen. Von fünf in der Studie entwickelten neuen Bildern für den Landwirt/ die Landwirtin finde das Konzept des Zukunftsbauern auf beiden Seiten den größten Anklang. Landwirte werden dort als fortschrittsoffene Fachleute gezeigt, die neben der Ertragssteigerung auch Tierwohl und Nachhaltigkeit in ihrer Betriebsentwicklung berücksichtigen.

Im DBV würden die Ergebnisse der Studie in der AG Zukunftsbauer diskutiert und für die Verbandsarbeit umgesetzt. Das Projekt verstehe sich dabei nicht als reine Marketingkampagne, sondern will auch nach innen auf das Selbst- und Rollenverständnis der Bauern wirken. Es brauche Kraft, Mut und Einigkeit, eine neue berufsständige Politik in Richtung LEH, Verbraucher und Politik zu entwickeln. „Auch wir müssen uns verändern“, ist Schulze-Bockeloh überzeugt. Tradition und Wandel seien kein Widerspruch, das hätten zuletzt 75 Jahre Landfrauen gezeigt.