Bissingen/Lks. Dillingen - Ob im Wald, auf dem Feld oder im Stall, der Klimawandel geht den Bauern ins Geld. Und das in zweifacher Hinsicht: Zum einen muss der Landwirt Folgeschäden wie Futtermangel, Ertrags- oder Qualitätsverluste wegstecken, zum anderen sind da ja auch noch die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen. Auf dem Nordschwäbischen Milchviehtag in Bissingen wurden in zwei Fachvorträgen beide Seiten eingehend erörtert.
Eröffnet wurde der Milchviehtag, der seit einigen Jahren erkennbar unter Besucherschwund leidet, vom Chef des AELF Wertingen. Der Milchpreis und die Futterproduktion waren heuer gar nicht schlecht, stellte Magnus Mayer fest. Die Wasservorräte seien durch die Niederschläge gerade mal so aufgefüllt worden. An den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden die schlechte Stimmung in der Landwirtschaft und damit vielleicht auch die sinkenden Besucherzahlen des Milchviehtags also nicht liegen.
Für den heftigen Ausschlag des Stimmungsbarometers machte Mayer vielmehr die ständige Kritik an den Bauern verantwortlich: Hier die guten Verbraucher, die eifrig das Volksbegehren zum Artenschutz unterschrieben haben, und dort die bösen Landwirte, die ihre Tiere quälen und alle Insekten totspritzen. Die „Tierschutz-Skandale“ auf mehreren Milchviehbetrieben im Allgäu waren hier Wasser auf den Mühlen der Kritiker.
Bei solchen Missständen sei jedoch oft eine Überforderung der Betriebsleiter im Spiel. „Das rechtfertigt nichts, erklärt aber vieles“, sagte Mayer. Große Betriebe hätten zwar Kostenvorteile, doch ein bäuerlicher Familienbetrieb habe ebenfalls einen unschlagbaren Vorteil: Die Bezahlung der Arbeitszeit spielt auf einem kleineren Betrieb eine weniger entscheidende Rolle. Das sei mit ein Grund, weshalb die Milchviehhaltung nach wie vor eine tragende Säule der bäuerlichen Landwirtschaft in Bayern ist.
Klimaschutzpaket stellt Anforderungen an Bauern

Den Klimawandel bekommen alle Betriebe zu spüren, gleich ob groß oder klein. Dr. Annette Freibauer, Leiterin des Instituts für ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz an der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, umriss die Herausforderungen, vor die der Klimaschutz die bäuerlichen Betriebe stellt. Dazu gehört auch das Klimaschutzpaket der Bundesregierung. Es fordert von der Landwirtschaft
- die Verminderung der Stickstoffüberschüsse,
- die energetische Nutzung von Wirtschaftsdüngern,
- den Ausbau des ökologischen Landbaus,
- die Reduzierung von Emissionen aus der Tierhaltung,
- die Erhöhung der Energieeffizienz,
- den Erhalt und Aufbau von Humus in Ackerböden,
- den Erhalt von Dauergrünland,
- den Schutz von Moorböden und die Reduktion von Torfsubstraten.
Dazu kommen noch die von der bayerischen Staatsregierung beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen wie die spezifische Umsetzung der Düngeverordnung, die Zielvorgabe von 30% Öko-Landbau, der Erhalt von Dauergrünland und die vermehrte Verwertung von Wirtschaftsdünger in Biogasanlagen. Letzteres sorgt dafür, dass Emissionen aus der offenen Lagerung vermieden werden.
Bei biologischen Prozessen ist eine Nullemission nicht möglich
Freibauer erinnerte daran, dass die Landwirtschaft nicht nur Verursacher und Betroffener des Klimawandels ist, sondern auch ein wichtiger Baustein im Klimaschutz. Sie kann treibhausgaseffizient produzieren, Emissionen durch ihre Kohlenstoffsenken vermindern, erneuerbare Energien bereitstellen und nachwachsende Rohstoffe erzeugen.
Eines aber sei klar: „Bei biologischen Prozessen ist eine Nullemission nicht möglich.“ Die Emissionen lassen sich jedoch über viele kleine Schrauben steuern, beispielsweise bei der Lagerung von Wirtschaftsdünger, bei der Düngung, beim Energieverbrauch, im Bereich der Futtermittelexporte und der Mineraldüngerherstellung. Alles in allem ist die Landwirtschaft für immerhin 13% der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Auch für die Öko-Fraktion gibt es hier keinen Persilschein. Laut Freibauer schneiden die Biobetriebe zwar bei den Lachgasemissionen und beim Humusaufbau besser, bei den Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung jedoch ebenso schlecht wie die konventionellen Betriebe ab.
Klima-Check kann Situation verbessern
Eine gute Möglichkeit, die einzelbetriebliche Klimabilanz zu optimieren, ist der Klima-Check mit Betriebsrundgang, Beratungsgespräch und Ergebnisprotokoll. Wenn es gut läuft, ist mit dem Check sogar die Einsparung von Kosten verbunden, sagte Freibauer. Ein Ergebnis des Checks ist beispielsweise die Menge der Treibhausgasemissionen pro Kilogramm erzeugter Milch.
Wie erste Auswertungen zeigten, gibt es hier eine enorme Streubreite. Ein großes Potenzial an Emissionseinsparungen ist bei der Futterproduktion vorhanden: Je höher die Grundfutterleistung, desto weniger Treibhausgase. Die Tierhalter sollten auf heimische Eiweißquellen zurückgreifen, nach Bedarf und möglichst verlustfrei düngen, auf eine klimaeffiziente Technik setzen und die Nutzungsdauer ihrer Tiere ausschöpfen. Freibauer empfahl den Landwirten, sich lieber über den Klima-Check aktiv am Klimaschutz zu beteiligen, bevor neue und noch mehr Vorschriften auf ihre Betriebe einprasseln.
An vielen kleinen Schrauben drehen
Den einen, großen Hebel zur Verbesserung der Klimabilanz der Landwirtschaft gebe es nicht, aber schrittweise lasse sich einiges erreichen:
- kurzfristig: bestehende Produktionssysteme verbessern,
- mittelfristig: neue Techniken und Produktionssysteme entwickeln,
- langfristig: den Stickstoffkreislauf sowie den Kohlenstoff in Boden und Biomasse optimieren .
Der Klimawandel verlangt von der Landwirtschaft Strategien zur Anpassung, Risikostreuung und Vorsorge. Viele Maßnahmen lassen sich in Synergie mit dem Gewässer- und Artenschutz durchführen. Schon erste Maßnahmen können Kosten senken, so Freibauer. Aber auch die Verbraucher müssten mitspielen, wenn die Landwirtschaft erfolgreich Klimaschutz betreiben soll.
Gegen Futterknappheit vorsorgen

Betroffene des Klimawandels sind die bäuerlichen Familien auch bei der Futterproduktion. Die langen Trocken- und Hitzephasen in den Sommern 2018 und 2019 haben gezeigt, dass das Futter knapp werden kann. In der Bundesrepublik beliefen sich die Ertragseinbußen auf Grünland zwischen 2010 und 2018 im Mittel auf 26,8 und beim Silomais auf 22 Prozent.
Dabei fehlte es weniger an der Qualität, sondern an der Masse. Das heißt, vom Grundfutter lassen sich heute deutlich weniger Rinder ernähren als noch vor zehn Jahren. Dr. Thomas Jilg vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) in Aulendorf stellte auf dem Milchviehtag Wege der Vorsorge gegen Futterknappheit vor.
Natürlich gibt es für die Rinderhalter einige Möglichkeiten, die Futterrationen bei Grundfutterknappheit anzupassen. „Das darf aber nicht zulasten der Strukturversorgung gehen“, warnte Jilg. Ansonsten kann es schnell zu Gesundheitsproblemen in der Herde kommen. Im Grunde bleiben drei Möglichkeiten:
- Erweiterung der Futterbasis,
- Futterzukauf und
- Abstockung des Kuhbestands.
Jilg führte mehrere Beispiele an, wie sich Futterknappheit kompensieren lässt.
- 2 kg Mischfutter sparen 3-4 m³ Silage ein.
- 8 kg Biertreber pro Tier und Tag sparen 3 m³ Silage ein.
- Eine Erhöhung des Milchleistungsfutters um 2 kg pro Tier und Tag spart 3 m³ Grundfuttersilage ein.
- 10 kg Pressschnitzelsilage pro Tier und Tag ersetzen 6 m³ Grundfuttersilage.
Das Problem: Ersatzkomponenten wie Biertreber sind nicht für alle Betriebe verfügbar. Umso besser, dass sich auch über einen strategisch durchdachten Futterbau der Knappheit gegensteuern lässt. Hier bezog sich Jilg insbesondere auf den Anbau von Zwischenfrüchten, Zweitfruchtmais und Luzerne sowie die Wahl trockentoleranter Arten und Sorten, an denen die Züchtung bereits intensiv arbeitet. Der Klimawandel macht es erforderlich, dass die Landwirte frühzeitig den Futterbedarf abschätzen und trockentolerante Futterpflanzen entsprechend in die Fruchtfolge einbauen. Es gilt, dem Mangel vorzusorgen und „ihm nicht immer nur hinterherzulaufen“, betonte Jilg.
Mit Stroh lässt sich die Futterbasis ein Stück weit verbreitern. Dabei sei jedoch zu bedenken, dass Stroh Strukturfutter ist und entsprechend mehr Kraftfutter in der Ration erfordert. Das Stroh sollte kurz geschnitten und gut eingemischt werden. Eine Kombination von 100 kg Stroh mit 10 kg Melasse kann das Stroh für die Kühe richtig schmackhaft machen. Bei der Fütterung von Zwischenfrüchten ist darauf zu achten, dass diese oft hohe Nitratgehalte und eine geringe Struktur aufweisen.
Längere Nutzungsdauer vermindert Nachzucht
Eine weitere Methode der Futtereinsparung ist die Steigerung der Nutzungsdauer der Milchkühe. Je höher sie ist, desto weniger Jungvieh muss der Landwirt nachziehen und füttern. Einfluss auf den Futterbedarf hat auch die Dauer der Aufzucht. Jilg empfahl den Milchviehhaltern, bei Futterknappheit den Kuhbestand kritisch durchzusehen, euterkranke, leistungsschwache und mit Fruchtbarkeitsproblemen behaftete Tiere zu selektieren sowie eine eventuelle Überbelegung zu reduzieren.
Am kostengünstigsten sei der Abbau des Jungviehbestands und der Überbelegung. Das Wichtigste aber ist und bleibt die Vorsorge. Jeder Milchviehhalter sollte eine Reserve von 20 % des üblichen Futterbedarfs haben, um gegen eine unvorhergesehene Futterknappheit gewappnet zu sein.