Wer kennt das nicht: Die Arbeit in der Außenwirtschaft ruft, ein Klauenpflegestand steht irgendwo im Dorf und überhaupt... Dabei könnte die Lösung so einfach sein. Mit einem in den Stall integrierten Klauenpflegestand lässt sich die Pediküre für die Rinder auch spontan und immer dann, wenn die sonstige Arbeit Luft lässt, durchführen. Auf einem Info-Tag des AELF Nördlingen-Wertingen wurde in Demmingen und Reistingen das System des integrierten Klauenpflegestands vorgestellt.
Klauenpflege direkt im Milchviehstall

Ein stationärer Klauenpflegestand lässt sich gut in einem Milchviehstall integrieren, beonte Ingrid Rosenbauer vom Sachgebiet Landwirtschaft. So können die Klauen der Kühe mit wenig Aufwand zeitnah kontrolliert und behandelt werden. Betriebe, die sich dreimal jährlich um die Klauenpflege der gesamten Herde kümmern und auch sonst immer Gewehr bei Fuß stehen, überzeugten mit ihren Leistungszahlen.
Unter den mehr als 20 Teilnehmern befand sich auch Mag. med. vet. Hubert Reßler, Geschäftsführer der Höchstädter Klauenpflege GmbH. „Von den ersten Anzeichen eines Missstands bei den Klauen bis zur Pflege der Kuh im Stand vergehen durchschnittlich 64 Tage“, sagte Reßler. „Wäre dieser Zeitraum kürzer, gäbe es auch deutlich weniger Klauenerkrankungen.“
Dr. Andrea Fiedler hat in einer Großtierpraxis die Bedeutung der Klauengesundheit erkannt. Seit 25 Jahren ist sie als niedergelassene Tierärztin mit eigener Praxis ausschließlich auf dem Gebiet „rund um die Rinderklaue“ tätig. „Wenn mehrere Kühe in der Herde lahmen, gilt es die Haltung und Fütterung der Tiere zu beleuchten“, sagt sie.
Rinder bevorzugen weichen Boden

Rinder, wie sie heute in der leistungsorientieren Nutztierhaltung im Stall stehen, hätten aufgrund ihres Körperbaus in freier Wildbahn keine Überlebenschance, erklärte Fiedler. Die Paarhufer wären eigentlich Weichbodengänger, was im Stall nicht gegeben sei. „Die Natur sieht vor, dass die Innen- und Außenklaue gleichmäßig belastet werden. Deshalb sind Erde und Gras besser als die Güllemischung im Stall.“ Freigesetztes Ammoniak aus der Gülle greife die empfindliche Haut der Klauen an und erleichtere dadurch das Eindringen von Infektionserregern in den Körper. Außerdem müssten die Hinterfüße auf Grund der Gewichtsbelastung deutlich stärker ausgeprägt sein als die Vorderfüße.
„Es haben sich also nicht nur die Gewichtsbelastung verändert, sondern auch die Haltungsbedingungen und die Einwirkung der Gülle“, sagte die Veterinärin. „Diese drei Faktoren reichen bereits aus, dass Kühe an ihren Klauen krank werden.“
Fiedler empfahl, auf die Hygiene im Stall zu achten. Das gelinge, wenn der Schieber öfter zum Einsatz kommt und die Schieberbahnen nicht zu lang sind. Der „Gülle-Tsunami“ sollte nie länger als 50 cm sein, damit die Kuh mit einem Schritt darübersteigen kann. Ausreichend bequeme Liegeboxen trügen ebenfalls zur Klauengesundheit bei.
Lahmheit ist ein sehr wichtiges Kuhsignal
Das wichtigste Kuhsignal rund um die Rinderklaue sei die Lahmheit. Deshalb sollte die Bewegung der Rinder regelmäßig beurteilt und überprüft werden. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung lahmer Kühe verbesserten die Heilungschancen erheblich, förderten die Tiergesundheit und verminderten die durch die Lahmheit entstehenden Verluste.
Flächendeckende Untersuchungen an verschiedenen Rassen ergaben, dass die Note 2 bei der Bewegungsbeurteilung (siehe Auflistung unten) noch keinerlei Auswirkungen auf die Milchleistung hat. „Kühe mit der Note 3 haben definitiv ein Problem mit ihrem Fundament, und zwar zu 95 % am ehesten an den Klauen“, sagte Fiedler. Diese Tiere gehörten zeitnah in den Klauenstand. In diesem Stadium gäben Schwarzbunte anders als Fleckviehkühe bereits weniger Milch. Die FV-Kuh merke, dass es ihr nicht gut geht, und fresse deshalb mehr. „Tiere mit der Note 4 sollten keinesfalls noch einen Tag länger im Stall herumlaufen. Schwarzbunte geben in diesem Bereich bereits bis zu 12 % weniger Milch, Fleckviehkühe wiederum fallen jetzt dramatisch in der Leistung ab. Gleiten sie gar in Stufe 5, gäben sie gar keine Milch mehr.
Schwarzbunte hingegen gäben selbst in dieser Stufe noch bis zu 30 kg Milch, weil sie genetisch in der Lage seien, 50 oder 55 kg zu produzieren. Die Veterinärin hört von Landwirten oft das Argument: „Der kann es doch gar nicht so schlecht gehen, die gibt doch immer noch über 30 Liter.“ Das sei jedoch kein Argument, wenn man sich bewusst macht, dass Rinder aufgrund ihres Urinstinkts darauf bedacht seien, so zu tun, als ob ihnen nichts fehlt, und nicht jammern. Deshalb seien Lahmheiten bei Kühen oft erst viel später erkennbar als beispielsweise bei einem Hund. Pro Lahmheit belaufe sich der Verlust im Mittel auf 450 €, könne aber auch deutlich höher liegen. Hochgerechnet auf 50 lahme Kühe seien das jährlich bis zu 7500 €.
Wie krumm geht die Kuh?
90 bis 95 % der Lahmheit sind durch Klauenerkrankungen verursacht, die sich relativ gut beheben lassen, sagte Andrea Fiedler. Die Bewegungsbeurteilung gliedert sich in ein Sechs-Punkte-Schema:
- Note 1 Lahmfreiheit: Gerader Rücken im Stehen und in der Bewegung, sichere und raumgreifende Schritte, flüssiger, raumgreifender Bewegungsablauf, bei dem alle Gliedmaßen gleichmäßig ohne Hinken belastet werden.
- Note 2 leicht abnormer Bewegungsablauf: Gerader Rücken im Stehen, leicht gekrümmt in der Bewegung, leicht gestörter Bewegungsablauf, Schrittlänge noch erhalten. Eine für die Störung im Bewegungsablauf verantwortliche Gliedmaße kann nicht identifiziert werden.
- Note 3 geringgradig lahm: Gekrümmter Rücken im Stehen und in der Bewegung, verkürzte Schritte mit einem oder mehreren Beinen, der Bewegungsablauf ist gestört.
- Note 4 mittelgradig lahm: Gekrümmter Rücken im Stehen, deutlich gekrümmter Rücken in der Bewegung, Schrittlänge deutlich verkürzt. Ein oder mehrere Beine werden geschont. Zögerliche Bewegung mit Kopfnicken.
- Note 5 hochgradig lahm: Stark gekrümmter Rücken im Stehen und in der Bewegung mit deutlichem Kopfnicken. Gliedmaßen werden nur noch kurz oder gar nicht mehr belastet (Kuh läuft auf drei Beinen). Schrittlänge deutlich verkürzt und das Tier setzt sich nur noch widerwillig in Bewegung.
- Note 6: Die Tiere stehen freiwillig überhaupt nicht mehr auf.
Tipps zur vorbeugenden Klauenpflege und Behandlung bei Lahmheit
Abschließend gab die Veterinärin den Landwirten wertvolle Tipps zur vorbeugenden Klauenpflege und Behandlungspflege bei Lahmheiten. Das Ziel eines jeden Betriebs sollte die vorbeugende Klauenpflege sein. Sinnvoll seien ein dreimal jährlicher Herdenschnitt und Bedarfsbehandlungen. „Nur ein rasches Eingreifen verhindert eine Verschlechterung, erleichtert die Durchführung der Klauenpflege, reduziert die Ansteckungsgefahr in der Herde und verhindert Tierleid.“ Damit die Bedarfsbehandlungen zeitnah durchgeführt werden, empfahl Fiedler einen fest installierten Klauenstand mit ausreichend Platz im Wartebereich, einfacher Zutriebsmöglichkeit, einem Wasseranschluss, guter Beleuchtung und griffbereitem Werkzeug und Material zur Behandlung. Das Netzwerk Fokus Tierwohl bietet unter „Fachinformationen Milchvieh“ To-do-Listen bei der Vor- und Nachbereitung einer Eigenbestandsklauenpflege und der Vorbereitung für eine externe Klauenpflege an.
Einblick in die Praxis: Ein Klauenpflegestand am Milchviehbetrieb

Am Nachmittag besichtigten die Teilnehmer den Milchviehbetrieb der Familie Hermanns in Reistingen mit einem fest installierten Klauenpflegestand. Der Betrieb bewirtschaftet mit vier Familien-AK, einer Fremd-AK in Teilzeit, zwei bis drei Auszubildenden oder Praktikanten und vier bis fünf Aushilfskräften 168 ha Nutzfläche. In den Ställen stehen 270 Fleckvieh-Milchkühe, 250 Stück weibliche Nachzucht mit Jungkuhvermarktung, 70 Zuchtbullen und 150 Kälber und Fresser. Betriebsleiter Bastian Hermanns hat die Klauengesundheit seiner Rinder stets im Blick. „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, in der alle Mitarbeiter im Stall ihre Beobachtungen festhalten.“ So dauert es höchstens drei Tage, bis eine auffällige Kuh im Klauenpflegestand kontrolliert und behandelt wird.