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Allgäu

Immer noch eher in kleinen Strukturen

PressegesprMeG1
Margarethe Schreyer
am Dienstag, 31.03.2020 - 08:56

Die MEG Ostallgäu will das Bild der Allgäuer Landwirtschaft in der Öffentlichkeit zurechtrücken.

PressegesprMeG2
Das Bild der heilen Welt im Allgäu, mit braunen Kühen auf gelben Löwenzahnwiesen und herrlicher Bergkulisse im Hintergrund, hat seit den Tierschutzskandalen auf einigen großen Milchviehbetrieben einen Schlag abbekommen. Schon ein paar Mal, kürzlich wieder in Dietmannsried, geriet die Allgäuer Landwirtschaft ins Scheinwerferlicht der öffentlichen Wahrnehmung und dies rundum negativ.
Zu Unrecht, findet die Milcherzeugergemeinschaft Ostallgäu, welche im mittleren Landkreis die Milch von knapp 200 Milcherzeugern vermarktet. Um die Allgäuer Landwirtschaft in der Bevölkerung wieder ins rechte Licht zu rücken, lud die Vorstandschaft der MEG zu einem Pressegespräch in die Filmburg Marktoberdorf ein. „Bei diesem Gespräch soll das Geschehen nicht verharmlost oder Missstände relativiert werden. Wir wollen einfach das Bild der Allgäuer Landwirtschaft im Allgemeinen aufzeichnen und Fehlinterpretationen zurechtrücken“, sagte Vorsitzender Gerhard Metz.

Im Stall stehen im Schnitt 33 Milchkühe

Eingangs erläuterte er die Strukturen der Betriebe in Zahlen: Trotz eines enormen Strukturwandels, der auch im Allgäu seine Spuren hinterlassen hat, produzierten die Mitgliedsbetriebe der MeG Ostallgäu im Durchschnitt aktuell 250 000 kg Milch. Dies entspricht einer Zahl von etwa 33 Kühen. In Bayern werden pro Betrieb durchschnittlich 51,5 Kühe gehalten, im Bundesschnitt sind es 86,9 Kühe. „Diese Zahlen zeigen, dass das Allgäu noch immer von einer kleinbäuerlichen Struktur geprägt ist, hinter der hunderte von Familienbetrieben ohne Fremdarbeitskräfte stehen“, machte Metz deutlich. Den Tierschutzskandal lösten zwei große Milchviehbetriebe im Unterallgäu aus, von denen einer sogar mehr als 1000 Kühe hielt. Diese Betriebsdimensionen seien aber in der Region die absolute Ausnahme und spiegeln in keinster Weise das Bild der Allgäuer Milchwirtschaft wider.

Überwiegend Grünlandwirtschaft

Die 182 Mitgliedsbetriebe der MEG Ostallgäu liegen bis auf einige wenige Ausnahmen im Berggebiet. Der Grünlandanteil von 99 % der Betriebe liegt bei über 75 %. 85 Prozent der Betriebe bewirtschafteten sogar nur Grünland, 43 % der Betriebe sind im KuLaP. „Die viel kritisierte Nitratbelastung des Grundwassers durch die Landwirtschaft ist deshalb für mich im Grünlandgürtel entlang der Alpen kein Thema“, so Metz.
„Das Allgäu ist definitiv nicht das Land der Turbo-Kühe“, machte er deutlich und verwies dabei auf die Durchschnittsleistungen aus dem Haupteinzugsgebiet der MeG von rund 7600 kg Milch pro Jahr. Neben einer extensiveren Fütterung, die anstelle von Silomais auf die Hauptnährstoffquelle Gras setzt, spiele auch die Milchkuhrasse eine Rolle. Noch überwiege hier das Braunvieh, das zwar weniger Milch gibt, dafür aber länger lebt. „Der Eindruck, dass die Allgäuer Milchwirtschaft grundsätzlich ein Problem mit Umwelt und Tierschutz hat ist also absolut falsch, genau das Gegenteil ist der Fall. Die Allgäuer Milchwirtschaft ist aufgrund ihrer Strukturen, dem hohen Grünlandanteil und der tendenziell eher extensiven Bewirtschaftung im Berggebiet besonders nachhaltig“, betonte er.

Niedrige Erzeugerpreise, übertriebene Auflagen

Metz machte auch klar, dass viel zu niedrige Milchpreise, immer neue Auflagen und die fachlich total überzogene Handhabungen der Blauzungenkrankheit verheerende Schäden auf den Betrieben anrichte und den Strukturwandel im Allgäu massiv befeuere. „Damit passiert aktuell genau das Gegenteil von dem, was eigentlich passieren müsste, statt sie zu schützen wird die besonders nachhaltige Form der Allgäuer Landwirtschaft weiter zerstört“, kritisierte er. Auch am Beispiel der MEG Ostallgäu zeige sich diese Entwicklung deutlich, denn seit ihrer Gründung vor 30 Jahren schlossen in der Gemeinschaft 61 % der Betriebe ihre Tore für immer. Die Zahl reduzierte sich von ursprünglich 468 auf 182. Allein in den vergangenen neun Jahren mussten 33 Prozent aufgeben.
Metz erläuterte den Pressevertretern auch die Probleme der ab 2024 verpflichtenden bodennahen Gülleausbringung. Aus fachlicher Sicht sei diese Regelung hochumstritten, weil es aufgrund der hohen Fahrzeuggewichte zu massiven Bodenverdichtungen komme und das Futter durch die Streifenablage der Gülle stark verschmutzt werde. Zudem ist die neue Technik extrem teuer in der Anschaffung und technisch anfällig. „Gerade kleine Grünlandbetriebe stoßen hier finanziell schnell an ihre Grenzen“, sagte er voraus.
Metz kritisierte auch das Ungleichgewicht zwischen Milcherzeugungskosten von 48,65 Cent/kg und dem Auszahlungspreis von 34 bis 35 Cent/kg. Die Unterdeckung von 28 % werde politisch und gesellschaftlich seit Jahren stillschweigend hingenommen. Gleichzeitig nehme aber der Druck auf die Betriebe durch höhere Standards und schärfere Kontrollen kontinuierlich zu, „das passt nicht zusammen und sorgt für großen Frust auf den Betrieben und für die massiven Demonstrationen“. Diese Radikalisierung der Landwirte sehen die Verantwortlichen der MeG Ostallgäu mit großer Sorge.

Was wünschen sich die Milcherzeuger?

  • Das Allgäu hat noch einen relativ gesunden Bestand an kleinen bis mittelgroßen Familienbetrieben. Diese sind akut in Gefahr! Wer die bäuerliche Struktur im Allgäu erhalten will, muss sich langsam über Schutzprogramme Gedanken machen. Es kann nicht sein, dass ein Allgäuer Grünlandbetrieb mit 30 Kühen genauso behandelt wird, wie ein Großbetrieb mit mehreren hundert Tieren.
  • Vorbild seien an dieser Stelle Österreich und Südtirol. Beide Länder unterstützten ihre Bergbauern mit Sonderprogrammen und gewähren Sonderregelungen bei der Tierhaltung und im Düngerecht. Darüber hinaus förderten beide Länder Umweltmaßnahmen im Berggebiet großzügig und sicherten damit die Existenz der bäuerlichen Familienbetriebe.
  • Milchviehhaltung in den Grünland- und Bergebieten ist aus ökologischer Sicht sinnvoll! Ihre Futtergrundlage bestehe aus dem, was hier aufgrund der klimatischen Bedingungen besonders gut wächst, nämlich Gras. In diesem Zusammenhang ist das Allgäu auch prädestiniert für den Ökolandbau. Ziel von Erzeugern, politischen Vertretern und Verarbeitern müsse es sein, auch die Verarbeitung auf ein ökologisches Fundament zu heben. Besonders im Bereich der Biokäserei gelte es, neue Verarbeitungskapazitäten und Produkte zu entwickeln. Die Masse der Bergbauern könne nicht zu Weltmarktpreisen produzieren! Ein Wachstum im Biosegment werde deshalb ohne neue Verarbeitungskapazitäten im Käsebereich nicht möglich sein.
  • Bezüglich der neuen Düngeverordnung fordern die Allgäuer eine Differenzierung. Kleine Betriebe im Berggebiet seien nicht die Verursacher von Umweltproblemen, sie seien vielmehr ein Teil der Lösung! Zu strenge Umweltauflagen hinsichtlich der Ausbringtechnik überforderten die Betriebe und gefährdeten deren Existenz.

Auch die Milchviehhalter selbst sind gefordert

  • Aber auch die Allgäuer Milcherzeuger selbst seien gefordert. Anstelle von großen überregionalen Zusammenschlüssen, wäre eine verstärkte regionale Bündelung der Allgäuer Milch erfolgversprechender. Besonders die Milcherzeuger in den Berggebieten müssten ihren Standortnachteil zum Standortvorteil in der Milchvermarktung ausbauen
  • Obwohl im gesamten Allgäu bisher kein einziger Blauzungenkrankheitsfall aufgetreten ist und die Krankheit auf den Menschen nicht übertragbar ist, gefährde die behördliche Handhabung der Blauzungenkrankheit die Tierhalter und deren Vermarktungsorganisationen mittlerweile existenziell. Das Allgäuer Braunvieh werde zwischen den Ristrektionen und Vermarktungshemmnissen regelrecht „zerrieben“. Entweder die Politik lockert die fachlich total überzogenen Sanktionen bezüglich der Blauzungenkrankheit, oder sie muss die gewaltigen Schäden finanziell ausgleichen. Bisher werden die Bauern mit den Folgen der Blauzungenkrankheit, die hier überhaupt nicht stattfindet, komplett allein gelassen. Wenn die Politik ein Allgäu mit Braunviehkühen erhalten will, muss sie jetzt handeln!