Ärger und Frust bei den Grünlandbauern sind groß. Besonders die ab 2025 vorgeschriebene bodennahe Gülleausbringung erregt die Gemüter. Sie werde den Bedingungen im Grünland des Allgäus mit mehreren Schnitten und Weidegang oder Eingrasen nicht gerecht. Die Gesundheit ihrer Tiere sei durch die „Güllewurstmaschinen“ in Gefahr. Aber auch die Düngeverordnung steht in massiver Kritik: Sie enthalte praxisferne und fachlich falsche Vorgaben zum Nachteil von Umwelt und Landwirtschaft.
Wie groß der Frust und Druck ist, zeigte sich bei einer Versammlung im Modeon in Marktoberdorf. 800 Besucher füllten den Saal bis auf den letzten Stehplatz. Aus Sicherheitsgründen konnten über 200 weitere Besucher nicht mehr eingelassen werden.
Betroffene Landwirte diskutieren friedlich und sachlich

Erfreulich war, dass die Veranstaltung friedlich und sachlich verlief. Angesichts des Ärgers auf den Betrieben hätte man auch laute Töne erwarten könne. Statt die Stimmung aufzuheizen blieb der Moderator stets sachlich, Populistische Schlagworte blieben aus. Vielmehr wurde deutlich, wie sehr die Landwirte bemüht sind, in der Sache weiterzukommen.
Was bisher nicht oft vorkam: Eingeladen hatten die wichtigsten Organisationen der Landwirtschaft gemeinsam: IG gesunde Gülle, die Landwirte der „Günzacher Gruppe“, BBV, AbL, LSV (Land schafft Verbindung), BDM und LVÖ.
Tausend Landwirte tun sich zusammen: Einigkeit macht stark
Moderator war Landwirt Thomas Fleschutz aus Günzach, Er bedauerte mit drastischen Worten, dass die Bedenken der Praktiker von der Wissenschaft, besonders der LfL, und der Politik bisher nicht ernst genommen wurden. Mit der gemeinsamen Veranstaltung solle der Druck auf die Entscheidungsträger, vor der Landtagswahl im Oktober, nochmals erhöht werden.
„Bodennahe Gülleausbringung im Grünlandgebiet funktioniert nicht“, ist die Überzeugung von Benedikt Ohneberg, vor seiner Rente über 20 Jahre Fütterungsberater im Allgäu. Die Vorgaben zur Grundfutterqualität seinen damit nicht einzuhalten. Dies gelte besonders für Bio- und Heumilchbetriebe und Betriebe, die Eingrasen, die kostengünstigste Art der Futterbeschaffung. Für diese Betriebe sei die bodennahe Gülleausbringung unmöglich. „Die Kühe schieben so eine Silage hin und her“. Bei einer TMR-Fütterung sind sie gezwungen, diese Silage mit zu fressen. Die Kühe würden zwar nicht akut krank, doch stiegen die Zellzahlen an, es komme verstärkt zu Durchfall und Stoffwechselstörungen.
Enttäuschung statt Unterstützung

Rudolf Rauscher, Sprecher der „Günzacher Landwirte“, erinnerte an zahlreiche Treffen mit Politikern und Wissenschaftlern seit 2018. Die Wissenschaft ignorierte die Bedenken der Praktiker, die Versprechen der Politiker blieben folgenlos. Hubert Aiwanger wurde z.B. auf der vorletzten Agrarschau in Dietmannsried eine tausendfach unterzeichnet Petition für den Beibehalt der Breitverteilung der Gülle übergeben. Er versprach damals, diese „als eine Bombe hochgehen zu lassen“. Die Bombe erwies sich als Blindgänger, selbst nachdem die Petition im Ausschuss gewürdigt wurde. Auch ein Versprechen von Ministerin Kaniber zu dem Thema: „Ich stehe hinter euch“ hatte bisher keine erkennbaren Auswirkungen.
Enttäuschend auch eine Vorführung von Gülletechnik auf dem Spitalhof. Es war kein einziges Güllefass mit Breitverteiler da. Kommentar Kaniber damals: „Breitverteiler brauchen wir nicht mehr“. Zweifel an dem Versuch entstanden: Das Schleppschuhgerät verteilte die Gülle nur außerhalb der Achse. Das Problem der Gülleausbringung auf den von den Rädern niedergewalzten Grasbestand, sei damit umgangen worden.
Er habe daraufhin einen Versuch mit Breitverteilung und Schleppschuh auf seinem Betrieb angelegt und LfL und Ministerin um Begutachtung geben, die aber kein Interesse zeigten. Bei der Futtervorlage der beiden Düngevarianten, fraßen die Rinder das mit dem Breitverteiler gedüngte Futter bevorzugt, hat er beobachtet.
Betroffene Landwirte aus der Region berichten von ihren Sorgen
Markus Binzer bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb und kann auf eine achtjährige Erfahrung mit dem Einsatz von Schleppschuh und Breitverteiler zurückblicken. Beide Techniken setzt er nebeneinander ein. „Es gibt zwar Zeiten, in denen man Gülle auf Grünland bodennah ausbringen kann. Wenn das Verbot kommt, führt das im Grünlandbetrieb zum Chaos“ ist seine Erkenntnis. Eine Verpflichtung zu bodennaher Gülleausbringung lehnt er deshalb ab.
Er stellte auch Sinnhaftigkeit der 170 kg N/ha-Regelung in Frage. Diese gelte für ganz Bayern, im trockenem Mittelfranken, genau so wie im regenreichen Allgäu. Sie gelte auch für extensive Wiesen mit 2,5 Schnitten, wie für die intensiv genutzten Mähweiden des Allgäus.
Andreas Schmid, seit 2022 neuer Kreisobmann im Ostallgäu, freute sich über die gemeinsame Veranstaltung. In Zukunft könne nur gemeinsam etwas erreicht werden ist er überzeugt. Auch für ihn ist die 170 kg N Regelung wirtschaftlicher Unsinn. Sie könne dazu führen, dass eigene Gülle zu anderen Betrieben transportiert werde und dafür Mineraldüngern gekauft werden müsse. Der BBV habe unzählige Gespräche zum Thema Düngen auf allen Ebenen der Politik geführt.
Regionale Konzepte sind für die Düngung notwendig
AbL-Vertreter Georg Martin bewirtschaftet seit 30 Jahren seinen Milchviehbetrieb ökologisch. Er erinnerte daran, das es bereits 2019 ein gemeinsames Papier der in der Landwirtschaft engagierten Verbände gegeben habe. Die damals bereits angesprochen Probleme seien auch heute nicht gelöst. DÜV gelte für ganz Deutschland, in Bayern für Regionen mit Weinbau, genauso wie für das Allgäu. Eine Regionalisierung sei dringend notwendig, um den unterschiedlichen Verhältnissen gerecht zu werden.
Auf Grund der Aufzeichnungspflichten beim Düngen und den Wetterdaten könne noch in 10 Jahren festgestellt werden, ob auch bei Breitverteilung größere NH3-Emissionen entstanden seien, bricht Georg Martin eine Lanze für die Breitverteilung, ein Verfahren mit wenig Bodendruck und der Möglichkeit, im Einzelbetrieb optimale Wetterbedingungen abzuwarten.
LSV Bayern erinnert: "Nicht nur die Ausbringtechnik betrachten"
Andreas Magg und Philipp Jans, LSV Bayern, erinnerten daran, beim Ziel der Reduktion von NH3 nicht nur die Ausbringtechnik zu beachten. Die Verluste begännen bereits im Stall, im Lager. Sie hingen von Boden und Wetter ab, vom Ablageort der Gülle und der Konzentration auf der Auflagefläche. Besonderen Einfluss habe die Einwirkzeit. Streifenablage könne genauso ausgasen wie Breitverteilung. Nach wie vor besonderen Einfluss habe die Verdünnung mit Wasser. „Mit bodennaher Ausbringung alleine ist nicht alles erledigt“, sind die beiden überzeugt. Bei den Emissionen gebe es keinen Unterschied in der Ausbringmethode, wenn man die Einwirkzeit betrachte, zitierten sie Untersuchungen. Die Einwirkzeit ist die Zeit, in der die Gülle auf dem Boden oder der Pflanze liege. Magg appellierte an die Entscheidungsträger, gemeinsam mit den Landwirten Lösungen zu suchen.
Ausnahmen bei der bodennahen Gülleausbringung sind möglich
Jens Keim, von der IG gesunde Gülle wies darauf hin, dass es auch Ausnahmen bei der bodennahen Gülleausbringung gebe für:
- Betriebe unter 15 ha landw. Nutzfläche
- Steillagen
- Gülle mit einem TS-Gehalt unter 2 %
- Gülle mit einem pH-Wert unter 6,4
Demnächst seien auch einzelbetriebliche Ausnahmegenehmigungen möglich, Anträge könnten vermutlich ab Sommer gestellt werden.
Keim sieht zwei gute Alternativen:
- Für das Allgäu sieht er gute Chancen für die Breitverteilung, wenn Temperatur und Niederschläge stimmen. Praktikerversuche sollen hierfür Ergebnisse liefern.
- In den trockenen fränkischen Gebieten soll durch Aufbereitung des wirtschaftseigenen Düngers zu Rotte-Gülle den Anforderungen der DÜV Genüge getan werden können.
Düngeverordnung: Noch mehr Druck auf die Politik machen
MdL Bernhard Pohl (FW) forderte die Landwirte auf, weiter auf breiter Front auf die Politik Druck zu machen. Da die DÜV eine Bundes-Verordnung sei, habe man auf regionaler Ebene wenig Einflussmöglichkeiten. Die DÜV biete den Landesstellen aber die Möglichkeit, über Ausnahmen zur Verpflichtung zur bodennahen Gülleausbringung zu entscheiden. Diese Ausnahmen seien möglich, wenn sie zu gleichen Ergebnissen wie die streifenförmige, bodennahe Ausbringung führten. Im Haushaltsausschusses sei es gelungen, trotz anfänglichem Widerstand von Ministerin Kaniber 300 000 € für Praktikerversuche zur Düngung in den Haushalt einzustellen. Alle Fraktionen des Landtages stimmten zu bis auf eine Ausnahmen: die Grünen.
Die 15ha-Grenze streichen?
Maria Hohenester, Geschäftsführerin des Landesverbandes für ökologischen Landbau, unterstützt im Namen der Ökoverbände die neuen, geplanten Versuche unter verschiedenen praxisnahen Bedingungen. Für langjährige Versuche unter Laborbedingungen sei keine Zeit mehr. In den Ökobetrieben herrsche wegen der Bedenken bei der Futterqualität große Unsicherheit, auch wegen der durch die schweren Güllefässer verursachten Bodenverdichtung. Die Ökoverbände plädieren zudem, die 15 ha Grenze nach oben zu verschieben, um so den meist kleineren Mitgliedsbetrieben den Übergang zur bodennahen Gülleausbringung zu ersparen.
Thomas Fleschutz befürchtet, dass die DÜV mit der bodennahen Gülleausbringung den Strukturwandel in unserer Landwirtschaft weiter verstärken werde. Es sei zu befürchten, dass in zehn Jahren nur noch die Hälfte der heutigen Betriebe da sein werden. Das habe mit Sicherheit auch weitreichende Konsequenzen für die Kulturlandschaft und den Tourismus.
Wie geht es weiter?
Ministerpräsident Söder hatte jüngst auf der Agrarschau Allgäu in Dietmannsried sinngemäß bestätigt, „man müsse alles daran setzen, diese rigorose Vorschrift nicht zu machen“. Gemeint war die Pflicht zur streifenförmigen, bodennahen Gülleausbringung. MdL Pohl will die Initiative nun aufgreifen und an einem Runden Tisch auf höchster Ebene mit dem Ministerpräsidenten, seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger, Agrarministerin Kaniber und LfL-Vertetern nochmals nach praktischen Lösungen suchen.