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Gülledüngung

Güllegipfel in Kempten: Kommt Bewegung in die Technik?

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Dr. Josef Hiemer
am Mittwoch, 31.05.2023 - 16:43

Nach dem „Güllegipfel“ am Spitalhof in Kempten am gestrigen Dienstag möchte man meinen, dass in Sachen Gülleausbringung doch noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde.

Die „Günzacher Landwirte“ geben nicht auf. Zusammen mit lokalen Vertretern von BBV, BdM und AbL sowie den Ökoverbänden konnten sie mit sechs Landtagsabgeordnete von CSU und FW viel politische Prominenz zu einem erneuten „Güllegipfel“ locken. Von der CSU kamen Fraktionsvorsitzender MdL Thomas Kreuzer, der stv. Vorsitzende des Agrarausschusses MdL Martin Schöffel, sowie der stv. Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz MdL Eric Beißwenger; von den Freien Wählern kamen stv. Fraktionsvorsitzender, Bernhard Pohl, MdL Nikolaus Kraus, Mitglied im Landwirtschaftsausschuss, und der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses Dr. Leopold Herz.

Mit Konrad Koch, Leiter der Abteilung Ressourcenschutz in der Landwirtschaft, Düngung und Pflanzenschutz, entsandte das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) den zuständigen Beamten für die Umsetzung der Düngeverordnung ( DÜV) in Bayern nach Kempten. Begleitet wurde er von Dr. Maximilian Wohlgschaft, dem Leiter der Abteilung Bildung und Beratung und Michael Diepolder, der an der LfL am Institut für Agrarökologie die Gülleversuche verantwortet.

Landwirte betonen: "Wir sind keine Rebellen"

Gülletag-Kempten-Landwirte: Drei Männer stehen im Freien.

Bernhard Pohl leitete in Vertretung des verspäten Dr. Herz das sachliche Gespräch. Er hielt sich nicht lange mit dem Rückblick auf die vergangenen Versuche auf, den rechtlichen Zwang zur bodennahen Gülleausbringung zu verhindern, sondern forderte die Teilnehmer auf, den Blick in die Zukunft zu richten. „Die Zeit drängt“, mahnte er im Hinblick auf das drohende Verbot der Breitverteilung ab dem 1. Februar 2025.

Die Landwirte betonten, nicht grundsätzliche gegen die streifenförmige Ausbringung der Gülle zu sein. Sie seien weder technologiefeindlich noch „Rebellen“. Bei der Frage der NH3–Emissionen sollte nicht nur auf Technik gesetzt werden, sondern auch die Einflüsse von Temperatur, Niederschlag und der TS-Gehalt der Gülle nach Wasserverdünnung beachtet werden. Der Landwirt solle individuell entscheiden können, bezogen auf die Situation in seinem Betrieb, forderten die Praktiker.

Bodennah Gülle ausbringen geht nicht im Sommer

Josef Müller aus Oberostendorf hatte letzten Montag Gülle mit dem Schleppschuh auf zwei Hektar Grünland ausgebracht. Ihn beschleicht wegen des ausgebliebenen Regens ein schlechtes Gefühl, „wenn der Dreck im Silo liegt“. Bodennahe Gülleausbringung gehe im Frühjahr und im Herbst, nicht aber im Sommer, auch nicht mit separierter Gülle, ist er überzeugt.

Ins gleiche Horn stößt Landwirt Elmar Karg, der Vorsitzende des Milchwirtschaftlichen Vereins Bayern. Er bringt seit 1997 bodennah aus, nutzt aber dazwischen die Breitverteilung. Gleiche Erfahrungen machte Markus Binzer aus Obergünzburg. Auch er setzt seit vielen Jahren beide Verfahren ein.

Gülle-Versuche in der Praxis

Die Praktiker forderten Informationen über die bisherigen Versuche, in denen eine NH3–Reduktion von 50 – 90 % durch die bodennahen Verfahren festgestellt wurde. Wurde in den Versuchen die Praxis der Gülleausbringung im Grünlandgebiet berücksichtigt, fragen die Allgäuer Praktiker? Zweifel seien angebracht, wenn man das Wachstum im Frühjahr breitverteilter Gülle betrachtet, bei der das meiste NH3 in die Luft entweichen soll.

Versuche am LVFZ Spitalhof hätten keinen Ertragszuwachs bei bodennaher Gülleausbringung ergeben. Zweifel bestünden auch bei der verwendeten Technik der Breitverteiler. Wurde am Prallteller gemessen oder mit dem nach unten abstrahlenden Schwenkverteiler? Praxisnahe Versuche mit aktueller Technik, das ist die Forderung der Allgäuer Milchviehhalter.

Die Futterqualität spielt eine Rolle bei der Gülleverteilung

Güllegipfel-Kempten-konrad-koch: Ein Mann im Anzug steht im Freien eines landwirtschaftlichen Betriebs.

Gülleverteilung müsse auch die Futterqualität mit einbeziehen, fordern die Landwirte, denn „wir wollen keine kranken Tiere“. Bei dem Vorhaben der NH3-Reduzierung sollten auch die Emissionen im Stall mit einbezogen werden. Versuche von Prof. Barbara Benz, Hochschule Nürtingen zeigten, dass durch bauliche und Management- Maßnahmen erhebliche Einsparpotenziale bestünden.

Die 50 - 90 %-NH3 Reduktion stammen nach Angaben von Konrad Koch aus einem breiten, international angelegten Versuch. In sechs Ländern sei auf 490 Feldern die NH3-Emission bei vier Verteiltechniken gemessen (Breitverteilung, Schleppschlauch,- schuh und Injektion) worden. Mit den gewonnenen Daten sei ein Rechenmodell „Alfam“ entwickelt worden. Damit ließen sich die NH3-Emissionen der vier Verteiltechniken in Abhängigkeit vom N-Gehalt, TS-Gehalt, Gülleart, Temperatur, Wind etc berechnen (mehr unter www.projects.au.dk/alfam).

Konrad Koch wehrte sich gegen Vorwürfe an die LfL, „Fake- Versuche“ zur Gülledüngung gemacht zu haben. Die Mitarbeiter der LfL würden redlich und sauber arbeiten. Versuche mit Futter im Weckglas seien nur die ersten Schritte des Versuchsverlaufes gewesen, seit heuer würden Praxisversuche laufen. „Die LfL hat immer für die Bauern gearbeitet“, ist man im Ministerium überzeugt.

Düngeverordnung: Vorgaben aus Brüssel und Berlin

Koch erinnerte zudem daran, dass Bayern die in Berlin und Brüssel beschlossenen gesetzlichen Vorgaben umsetzen müsse. Andernfalls drohe ein Anlastungsverfahren durch die EU. Bayern reize die Möglichkeiten der Düngeverordnung sogar maximal über Ausnahmen aus, andere Bundesländer ließen überhaupt keine Ausnahmen zu. Breitverteilung sei dank der Ausnahmeregelung in 50 % der Betriebe in Bayern möglich durch Anrechnung von VNP- und Steilflächen auf die 15 ha Grenze, wie Koch sagte.

Suche nach Alternativen zur bodennahen Gülleausbringung

MdL Bernhard Pohl zitierte die DÜV, die Alternativen zur bodennahen Gülleausbringung zuließe, wenn diese nachweislich vergleichbare Emissionen wie die bodennahe Ausbringung brächten. Die Landesbehörde könne dann weitere Ausnahmen zulassen. Bisher gebe es lt. StMELF bereits Ausnahmen. Gülle unter 2 % TS oder unter einem ph-Wert unter 6,4 könne auch nach 2025 mit Breitverteilung ausgebracht werden. Das STMELF sei für weitere alternative Techniken zur NH3-Reduzierung, z. B über Zuschläge durchaus offen, betonten die Herren aus dem Ministerium.

Elmar Karg brachte die traditionelle Wasserzugabe im Allgäu ins Spiel. Er schlägt vor, versuchsweise Gülle auf 3,5 - 4 % TS zu verdünnen, und die NH3-Emissionen bei Breitverteilung zu messen. Er erwarte vergleichbare Emissionen wie bei bodennaher Ausbringung. Die fließfähige Gülle dringe nämlich schneller in den Boden ein.

Konrad koch ist sich mit Engelbert Vogler, Stötten, einig, dass es gelte, möglichst viele Betrieb zu erhalten. Strukturbrüche durch die bodennahe Gülledüngung, wie sie Vogler befürchtet, müssen vermieden werden. Das Ministerium sei aber gezwungen, die Vorgaben der EU und des Bundes umzusetzen.

Einigkeit über neue Versuche bei der Gülledüngung

Thomas Kreuzer forderte neue Ergebnisse, „um in der Sache vorwärts zu kommen“. Auch er sieht die bodennahe Gülledüngung im Grünland als suboptimal an. Es gelte nun alles zu tun, um eine Anlastung zu vermeiden. Mit den 300 000 € bereitgestellten Fördermitteln könnten neue Versuche gemacht werden, um zu prüfen, ob die Breitverteilung unter bestimmten Umständen auch die gesteckten Reduktionsziele erreichen könne. Es sei nun zu klären, welche neuen Versuche gemacht werden sollten. Das Konzept sollte in einem kleinen Kreis abgestimmt werden, damit die Versuchsreihe möglichst bald starten könne. Pohl stieß ins gleiche Horn.

Fraktionsübergreifend waren sich alle Abgeordneten in diesem Punkt einig: Es sollen nun Vorschläge für neue Versuche erarbeitet werden. Eingebunden würden auch die Vorschläge der „Günzacher Landwirte“. Sie bekamen die Zusage, umgehend die Unterlagen zu bekommen über die bisher durchgeführten Versuche zur bodennahen Gülleausbringung, um deren Praxistauglichkeit zu überprüfen. Bereits im Juni sollte das Konzept hierfür feststehen.

Die zentrale Frage der neuen Versuche laute: Unter welchen Bedingungen kann die Breitverteilung gleiche Ergebnisse bezüglich der Emissionsminderung liefern wie die bodennahe Gülleausbringung? Für die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe nehmen sowohl die Fraktion der CSU als auch der Freien Wähler Vorschläge entgegen. Die notwendige wissenschaftliche Begleitung kann auch von anderen Einrichtungen als der LFL erfolgen, z.B. der Uni Hohenheim. Die Aussage von MdL Pohl, alle säßen in einem Boot, war nicht nur sein Wunsch, sondern scheint sich im Ergebnis des „Güllegipfels“ zu bewahrheiten.

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