Augsburg Eine ergiebige Fundgrube für Volkskundler und Brauchtumsforscher ist die Fastnacht. Obwohl der schwäbisch-bayerische Landstrich – anders als das benachbarte Oberschwaben jenseits der Iller – keine echte Fastnachtlandschaft ist, in der sich typische Brauchtumsformen entwickelt haben, sind Fas(t)nacht und Karneval doch von alters her überall gefeiert worden.
Wurzeln der Fastnacht reichen 500 Jahren zurück
Maskerade, Faschingsbälle, Faschingskränzchen und Mummenschanz sind durchaus Begriffe, die in frühen Umfragen über das Fastnachtsbrauchtum auch hier genannt werden. Die Haupttage der Fastnacht sind auch in Bayerisch-Schwaben der „G(l)umpige“ – im alemannischen Sprachgebrauch der „Schmotzige“ Donnerstag, der „Rußige“ Freitag, der „Schmalzige Samstag“ (Schmalz und Fett mussten noch verwendet werden, ehe die Fastenzeit begann), Faschingssonntag, Rosenmontag und Faschingsdienstag, die sogenannte „richtige“ Fas(t)nacht.
Die Wurzeln der schwäbischen Fastnacht liegen nach Ansicht des Rottweiler Fastnachtsforschers Werner Mezger vor rund 500 Jahren. Von der katholischen Kirche sei das traditionelle „Schwellenfest“ vor den Beginn der 40tägigen vorösterlichen Fastenzeit gesetzt worden.
Während der Fastenzeit wurden die Menschen zu Veganern
Fastnacht war noch einmal ein „Fest der Fleischlichkeit“, da die Fastenzeit einen ungeheuren Einschnitt in das Wirtschaftsjahr bedeutete. Fastenzeit hieß ja nicht nur, dass kein Fleisch mehr gegessen werden durfte, vielmehr sei der Verzehr auch aller anderer tierischer Produkte wie Milch, Käse, Eier und Schmalz untersagt gewesen.
Sex vor der Fastenzeit - Babyboom Neun Monate nach Fastnacht
Fest der Fleischlichkeit auch in anderer Hinsicht: Nicht nur das Essen von Fleisch wurde vor der Fastenzeit noch einmal richtig „inszeniert“, sondern in der Fastnacht ließ man auch der Sexualität, der Fleischeslust, noch einmal freien Lauf. Nicht von ungefähr kam es daher, dass Fastnacht ein beliebter Heiratstermin war, sollten doch die Hochzeitsnacht und der Vollzug der Ehe noch in die „tollen Tage“ gelegt werden, um dies unter keinen Umständen in der anschließenden, sogenannten „geschlossenen Zeit“ geschehen zu lassen.
Statistiken belegen übrigens eindeutig, dass sich die Menschen sehr genau an diese kirchlichen Vorgaben hielten: Jeweils neun Monate nach Fastnacht sei überall im Lande ein deutlicher Geburtenanstieg festzustellen gewesen. Noch heute ist es ja vielerorts so, dass die geschlossenen Zeiten Advent und österliche Fastenzeit nicht gerade beliebte Termine für Tanzveranstaltungen und Hochzeiten seien, so Mezger.
Metzger hatten Privilegien in vielen Städten
Die Berufsgruppe, die durch die Fastnacht, dem Fest der Fleischlichkeit, noch einmal zu Geld kommen konnte, ehe in der Fastenzeit alle Einnahmen nahezu versiegten, waren die Metzger. Sie durften deswegen in vielen Städten die Fastnacht „ausrichten“ oder hatten in dieser Zeit ganz besondere Privilegien.
Unter den vielen weiteren Formen der Vergnügung und der Darstellung in der Fastnacht tritt besonders das Fastnachtsspiel hervor. Während das ganze Jahr über vorwiegend liturgisches und geistliches Theater geboten wurde, durften einmal im Jahr auch rein weltliche Stoffe inszeniert werden. Dafür bedienten sich die Darsteller häufig der Requisiten, Kostüme und Masken, die im kirchlichen Fundus vorrätig waren und sonst für religiöse Schauspiele benötigt wurden. Am liebsten wurden dabei natürlich die Negativgestalten, wie etwa der Teufel, ausgewählt.