Unter dem Motto „Der Landwirt als Energiewirt – wie geht es weiter mit Biogas und Co.“ organisierten der vlf/VLM Kempten und der vlf Immenstadt wieder den Dietmannsrieder Unternehmertag in der Festhalle der Gemeinde. Namhafte Referenten bezogen zu aktuellen Themen Stellung.
Es sei zwar nicht immer alles gleich umsetzbar, was an neuen Erkenntnissen und technischen Möglichkeiten auf dem Markt ist. „Aber wir müssen uns mit der Zukunft jetzt beschäftigen“, sagte Rainer Hoffmann, Geschäftsführer von vlf/vlm Kempten sowie vlf Immenstadt, bei der Begrüßung. Die jetzige Krise biete auch eine Chance. Darauf zu hoffen, wieder zu den sogenannten, guten alten Verhältnissen zurückkehren zu können, werde ein Wunschtraum bleiben, sagte er.
Stromverbrauch steigt in der Zukunft stark

Erste Referenten waren Thorsten Häusler vom Allgäuer Überlandwerk GmbH (AUW) und Andreas Breuer von der Solarenergie Allgäu GmbH & Co. KG (SEA). Sie informierten über die Energieversorgung der Zukunft, auslaufende Photovoltaik-Anlagen und Agri-Photovoltaik. Häusler zeigte auf, dass der Stromverbrauch in der Zukunft stark ansteigen werde. Auch der Staat habe diese Entwicklung erkannt und entsprechend notwendig war, die Vergütungssätze für neue PV-Dachanlagen auf ein marktgerechtes Niveau zu erhöhen. Hintergrund sei auch, dass die Ampel-Parteien im Bund im Koalitionsvertrag fixiert haben, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) am steigenden Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 80 Prozent gesteigert werden solle. Derzeit seien etwa 60 GW aus PV am Netz. Dieser Wert soll bis zum Jahr 2030 auf 215 GW ansteigen.
Der Fördersatz bei PV-Anlagen im Segment bis 10 kWp lag im Juli 2022 noch bei 6,2 Cent/kWh für neu installierte Anlagen. Danach wurden die Fördersätze für eine neu installierte PV-Dachanlage bis 10 kWp bei Volleinspeisung auf 13 Cent/kWh und im Eigenverbrauchsmodell bei 8,2 Cent/kWh für die eingespeiste Kilowattstunde angehoben. Bei neuen Dachanlagen zwischen 301 kWp und 750 kWp liege der Fördersatz bei 6,2 Cent für die Volleinspeisung.
Schnell handeln bei Ökostrom
Generell sei zu raten, schnell zu handeln. Die Allgäuer Überlandwerk GmbH böte bereits jetzt ein regionales Ökostromprodukt „AllgäuStrom 100%“ an, das zu 100 Prozent regionalen Ökostrom „aus dem Allgäu – für das Allgäu“ anbiete. Damit bleibe die Wertschöpfung auch in der Region.
Die Fachleute legten auch eine Berechnung über den künftigen Stromverbrauch für den Raum Kempten/Oberallgäu bis zum Jahr 2035 vor. Hauptabnehmer seien dann die E-Autos, Wärmepumpen und die Industrie.
Aktuelle Vergütungsmodelle für erneuerbare Energien
Häusler präsentierte zudem die aktuellen Vergütungsmodelle, die bald aus der langjährigen EEG-Förderung herausfallen:
- Option 1, Volleinspeisung: Abnahme durch Netzbetreiber (automatisch über Auffangvergütung) und Abnahme über einen Direktvermarkter, wie beispielsweise die AÜW.
- Option 2 beinhalte den Eigenverbrauch und somit die Umrüstung dazu über einen Elektroinstallateur. Für Überschussmengen gebe es die gesetzliche Auffangvergütung des zuständigen Netzbetreibers.
Auch warb Häusler bei diesen „Post-EEG-Anlagen“ dafür, den Eigenverbrauch durch beispielsweise ein intelligentes Steuerungssystem zu erhöhen. Weiterhin könne auch durch den Einsatz eines auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmten Batteriespeichers der Eigenverbrauch erhöht werden. Für die Landwirte interessant sei dabei, die Milchkühlung oder auch Rührwerke verstärkt mit Eigenstrom zu betreiben. Eine andere Möglichkeit könne sein, den in den E-Autos oder in Hybrid-Traktoren gespeicherten Strom für Haus und Hof verwenden zu können.
Was ist nach EEG förderfähig?
Zu klären war auch, welche Flächen im Allgäu eigentlich EEG-förderfähig seien? Prinzipiell könne man sagen, dass Flächen östlich der A 96, vielfach benachteiligte Flächen, also förderfähig für PV-Freiflächenanlagen sind, sagte Häusler. Kriterien für die Einstufung als benachteiligte Flächen und somit Gewährleistung der Förderfähigkeit für Freiflächen seien beispielsweise:
- Höhenlage über 700 m
- Hangneigung über 18 %
- Feldstücke unter 1 ha, und
- die Ertragsmesszahl muss niedriger als 44,5 sein.
Agri-PV mit Vorteilen

Sein Kollege aus dem Unternehmen Solarenergie Allgäu, Andreas Breuer, ging unter anderem auf den Komplex Agri-PV ein, also den Betrieb einer PV-Anlage auf einer Fläche, die zudem landwirtschaftlich genutzt wird. Grundsätzlich sei dadurch eine Steigerung der Landnutzungseffizienz möglich. Darüber hinaus kann dadurch die Problematik der Flächenkonkurrenz entschärft werden.
Erste Auswertungen in einem Jahr mit einem sehr heißen Sommer hätten ergeben, dass bei diesem System in kleinen Versuchsanlagen sogar eine Steigerung des Wachstums einzelner Obst- oder Gemüsekulturen beobachtet werden konnte. Durch die Verschattung waren die Böden vor starker Sonneneinstrahlung geschützt und sind nicht so stark ausgetrocknet. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass dieser Effekt, wenn überhaupt, nur bei Kulturen zu beobachten sei, die keine starke Sonneneinstrahlung zum Wachstum benötigen, wie Breuer hinzufügte.
Grünlandnutzung und Ackerbau trotz Agri-PV
Agri-PV sei sowohl bei Grünland als auch bei Ackerbau möglich. Der Referent stellte in diesem Zusammenhang eine nachgeführte Anlage vor, die als Pilotprojekt mit 3 MW im österreichischen Bruck betrieben wird. Bei dieser Anlage werden 80 % der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Der Flächenverbrauch dieser Anlage betrage nur 2 %. Eine „smarte“ Steuerungssoftware ermögliche zudem auf bestimmte Aspekte wie Niederschlag oder Teilverschattung zu reagieren und so das Optimum aus der Kombination von Solarerzeugung und Pflanzenaufwuchs herauszuholen. Derzeit werde auch an einem Projektobjekt im Allgäu gearbeitet, bei dem verschiedene Systeme getestet werden.
Breuer sprach auch die hochaufgeständerten PV-Anlagen an. Eine solche Versuchsanlage mit etwa 200 kW-Leistung stehe in Hegelbach (Bodensee). Die Module sind in einer Höhe zwischen zwei und fünf Metern aufgerichtet, der Reihenabstand beträgt etwa das 1,4-fache einer herkömmlichen PV-Anlage. Die untersuchten Kulturen waren Kleegras, Sellerie, Kartoffeln und Winterweizen, die ohne Bewässerung auskommen mussten.
In einem weiteren Pilotprojekt sei festgestellt worden, dass Hühner auf den Flächen unter den Modulen gut passen. Sie hätten kein Interesse an den PV-Anlagen und seien somit gut kombinierbar.
Vielversprechende Projekte mit Agri-PV-Anlagen
Auch auf Grünland gebe es schon interessante Versuche mit vertikal aufgeständerten Modulen. Solche wurden auch als Zäune realisiert. Breuer sprach davon, dass möglicherweise auch im Allgäu ein derartiges Pilotprojekt angegangen wird. Realisiert sei so etwas bereits im Solarpark Donaueschingen mit einer Leistung von 4,1 MW. Der Ertrag betrage hier pro Jahr 4850 MW. Es sei die europaweit größte Agrar-PV-Anlage, die vertikal in Ost-West-Richtung aufgeständert ist. Die landwirtschaftliche Nutzung ist für Heu und Silage.
Veränderungen im EEG 2023
Welche Veränderungen im EEG stehen 2023 bevor? Dazu sagte der Referent beispielsweise:
- Flächen entlang der Autobahn und Schienenwegen müssen im Abstand von mindestrens 500 m, vorher 200 m, errichtet werden.
- Auf Dauergrünland nur, wenn die Fläche kein Moorboden oder Naturschutzgebiet ist.
Breuer wies ergänzend darauf hin, dass Freiflächen für Agri-PV gesucht werden. Die Firma SEA wolle die Energiewende mit seinen Partnern gerne im Allgäu gestalten.