Die Öko-Modellregion Oberallgäu-Kempten hat seit vier Jahren den „Verbleib der Biokälber aus dem Allgäu“ auf ihrer Agenda. Unter dem Aspekt der regionalen Kreisläufe aber auch des Tierwohls sollen Biokälber aus der Milchviehhaltung vermehrt regional aufgezogen und gemästet werden. Dabei ist die 3-monatige Milchphase die wohl größte Herausforderung, denn sie macht die abgesetzten Kälber teuer. Diese dann in die bestehenden Biorindfleischschienen zu vermarkten ist schwierig.
Die Bauern und Verbraucher wehren sich jedoch zunehmend gegen die Kälbertransporte in EU-Länder, die oft bis zu 20 Stunden dauern. Das schadet dem Tierwohlgedanken und dem Ruf des Ökolandbaus. Viele Bauern und Bäuerinnen leiden unter dieser Realität. „Wir brauchen Änderungen im System Biomilch und Biofleischerzeugung und ein Umdenken zum Beispiel in der Milchvieh-Hochleistungszucht“, sagt Beate Reisacher von der Öko-Modellregion. „Dazu braucht es mutige Vordenker bei den Bauern, im Handel und vor allem bei Kunden, die bereit sind, den Weg mit uns zu gehen.“
Vordenker in der Vermarktung
Ein mutiger Vordenker ist der ehemalige Landtagsabgeordnete Uli Leiner, seines Zeichens Landwirtschaftsmeister und heute Austragsbauer. Seit drei Jahren kauft er abgesetzte männliche und weibliche Biofresser aus der Milchviehhaltung und mästet diese auf der Sommerweide. 600 bis 800 € etwa zahlt Leiner für ein Biokalb, dazu 330 € für den Metzger, wenn er es als Jungrind schlachten läßt. Aber er liefert dafür höchstklassisches Fleisch nach höchsten Tierwohlstandards produziert und glaubt in eine Nische zu stoßen. „Die Leute essen heute weniger, dafür sehr gutes Fleisch.“
Auf seinen sechs Hektar großen Weiden hält er zwölf Stiere und Färsen und lässt diese im Spätherbst im Duracher Schlachthäusle schlachten und zerlegen. Leiner vermarktet 10-Kilo-Fleisch-Pakete an Personengruppen, abgepackt und etikettiert direkt ab Hof und auf dem Kemptener Wochenmarkt. 18 € bekommt er fürs Kilo, 500 € Gewinn veranschlagt er pro Tier „ da ist allerdings die Arbeitszeit nicht mit eingerechnet“, gibt er zu.
Wichtig ist die Rasse
Wichtig für die Mast sei, dass es sich bei den Kälbern um Zweinutzungsrassen oder um so genannte Gebrauchskreuzungen handelt. Die Allgäuer Brown Swiss-Kälber seien dafür nicht geeignet. „Man brauche Kälber, bei denen bewusst die Fleischrassen wie Blonde d `Aquitaine, Belgier, Limousin oder Original Allgäuer Braunvieh eingekreuzt wurden, weil sie schon bei der Besamung zur Mast vorgesehen waren. Leiner: „Unsere Biomilchkühe haben heute eine immer längere Nutzungsdauer. Der Landwirt braucht aber nicht jedes Jahr ein Kalb zur Nachzucht.“
Leiner sieht es als eine wunderbare Idee, zum Beispiel für Austragsbauern, diese Tiere auszumästen, da ein Altbauer heute Teilflächen zurückbehalten dürfe, die nicht mehr der Milcherzeugung dienen. Aber er warnt: „Nicht für jeden ist Direktvermarktung geeignet. Ich muss jetzt im Herbst 1,2 Tonnen Fleisch verkaufen. Da braucht man schon gute Kontakte und ein verlässliches Netzwerk.“
Direktvermarktung als Ausweg aus dem prekären Kälbermarkt
Fakt ist, dass auch aufgrund der prekären Zustände am Kälbermarkt immer mehr Bauern in die Direktvermarktung einsteigen, weil sie zu Recht nicht bereit sind, ihre Kälber unter Wert zu verkaufen. Vielen ist jedoch nicht bewusst wieviel Arbeit, welche rechtlichen Auflagen oder auch welche Art von Arbeit damit auf sie zukommt. Das führt dazu, dass oftmals Preise unrealistisch kalkuliert werden und der wirkliche Aufwand erst gar nicht mit in die Kalkulation einfließt.
Vorher gut überlegen
Die Entscheidung in die Direktvermarktung einzusteigen muss daher sehr genau durchdacht werden. Uli Leiner erzählt: „Direktvermarktung ist etwas ganz Anderes als die normale bäuerliche Arbeit. An einem Direktvermarktungstag machen meine Frau und ich nichts Anderes als Fleisch verpacken, etikettieren und mit meinen Kunden beim Abholen der Pakete Gespräche zu führen. An solch einem Tag geht definitiv nichts Anderes als zu vermarkten. Und am Ende des Tages sind wir bedient.“
Die bäuerliche Direktvermarktung sei einer der wenigen Gewinner in der aktuellen Situation und kann eine sehr gute Alternative sein, seine Tiere mit guter Wertschöpfung zu vermarkten. Aber es gehöre einiges an Know-How und persönlicher Eignung dazu, damit es auch ein langfristiger Erfolg wird.
An dieser Stelle sieht die Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten den richtigen Ansatzpunkt, durch Workshops, Vernetzung der einzelnen Akteure oder Öffentlichkeitsarbeit die bäuerliche Direktvermarktung unter dem Motto „Milch und Fleisch gehören zusammen“ zu professionalisieren und zu entwickeln.
Direktvermarkter besser vernetzen
Ziel sei in erster Linie nicht, mehr Bauern in die Direktvermarktung zu führen, sondern, dass sich die bestehenden in einem gemeinsamen Netz-werk verbinden und austauschen und mittelfristig auch die Preise auf ein Niveau zu erhöhen, bei dem die Kosten ehrlich einbezogen wurden. Interessenten am Netzwerk Direktvermarktung können sich bei den Fachleuten der Öko-Modellregion beraten lassen und dann eine fundierte Entscheidung treffen.
Parallel dazu treibt die Öko-Modellregion das Projekt „Allgäuer Hornochse“ intensiv voran. Verarbeitungs- und Vermarktungswege werden erschlossen, Kriterien ausgearbeitet, die Gründung einer Erzeugergemeinschaft vorbereitet. „Dahinter stecken noch viele Detailfragen, an denen wir zur Zeit arbeiten“ berichtet Projektmanagerin Sarah Diem. Wenn es soweit ist, sollen alle interessierten Betriebe über die Gründung informiert werden.