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Schulklassen

Was bedeutet der grüne Streifen?

Schwaben
Patrizia Schallert
am Mittwoch, 13.11.2019 - 09:15

Die gemeinsame Aktion "Erlebnis Bauernhof" des Bayerischen Landwirtschafts- und Kultusministeriums berücksichtigt jetzt auch ältere Schüler.

Friedberg - Das macht schon einen Unterschied, ob achtjährige Knirpse einfache Fragen stellen oder dreizehnjährige Teenager den Landwirt mit kritischen Fragen löchern. Doch daran werden sich die Bäuerinnen und Bauern, die ihre Betriebe für das Programm „Erlebnis Bauernhof“ zur Verfügung stellen, gewöhnen müssen. So besuchten jetzt im Landkreis Aichach-Friedberg erstmals fünf Klassen aus einer weiterführenden Schule einen landwirtschaftlichen Betrieb. In Friedberg waren sie zu Gast auf dem breit aufgestellten „Gemeinschaftsbauernhof“ der Familien Augustin, Körner und Hintermayr.

Vor sieben Jahren lief das Lernprogramm des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums „Erlebnis Bauernhof“ an. Seither haben rund 220.000 Grundschulkinder der zweiten bis vierten Jahrgangsstufe, Förderschulkinder allerJahrgangsstufen und Kinder in Deutschklassen kostenfrei die bäuerliche Urproduktion auf landwirtschaftlichen Betrieben kennenlernen dürfen.

Heuer hat die bayerische Landwirtschaftministerin Michaela Kaniber die Erweiterung des Programms angestoßen. Im ersten Schritt nahmen im Freistaat zehn Schulen an dem Pilotprojekt für die Jahrgangsstufen sechs und sieben von Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien teil.

Direktvermarktung und Wohlfühlschweine

Ulrike Rauberger, Leiterin der Hauswirtschaftsschule in Friedberg, nahm für das Dienstgebiet des AELF Augsburg die Umsetzung des erweiterten Projekts in die Hand: Fünf Klassen der Konradin-Realschule besuchten einen Bauernhof in Friedberg. Dort haben sich vor zwanzig Jahren drei Landwirte für die Führung eines gemeinsamen Betriebs entschieden. „Jeder für sich ist zwar eigenständig, aber die Vermarktung der Produkte erfolgt über eine GbR direkt an den Hofladen der Familie Körner in Friedberg“, erklärt Stephan Körner.

Der Landwirtschaftsmeister und Metzgermeister hat sich mit dem Bauernhof einen Kindheitstraum erfüllt. „Ich wollte immer nur eines, nämlich Bauer sein.“ Den Außenklima-Schweinestall mit 480 Mastplätzen hat Körner nach zahlreichen Betriebsbesichtigungen und vielen eigenen Ideen fast komplett in Eigenleistung gebaut. „In dem geräumigen Stall mit viel Licht und frischer Luft fühlen sich unsere Schweine sauwohl“, versichert der Landwirt den 133 Realschülerinnen und -schülern, die in Gruppen eingeteilt die fünf Stationen am Betrieb durchlaufen.

„Außerdem haben unsere Schweine 30 Prozent mehr Platz als üblich.“ Die Ferkel, die Körner vom Berufskollegen Eberle aus Obergriesbach bezieht, hält er je nach Alter in verschiedenen Buchten auf Stroh. „Jede Bucht ist in drei Wohnbereiche - Ruhe- und Schlafbereich, Fress- und Kotplatz - unterteilt.“

Meist würden Schweine auf Spaltenböden gehalten, er sei allerdings von der Strohhaltung überzeugt. Auf der rauen Strohunterlage könnten die Tiere gut laufen, das schont ihre Gelenke. Das Stroh sättige die Schweine ohne dick zu machen. „Außerdem ist das Stroh ein gern genutztes Spielzeug, vor allem für die jüngeren Ferkel.“ Die Einstreu kostet Körner zusätzlich 30 € pro Schwein. „Aber das ist es mir wert, wenn ich sehe, wie gut es den Tieren geht.“ Das zeige sich vor allem am geringen Krankheitsdruck in den Gruppen.

Naturheilmittel statt Chemie

„Warum haben ein paar Schweine einen grünen Streifen auf dem Rücken?“, fragt eine Schülerin. „Bei diesen Tieren habe ich einen leichten Husten festgestellt und sie mit einem pflanzlichen Hustensaft behandelt“, erklärt Körner. „Damit ich ihren Gesundheitszustand besser kontrollieren kann, habe ich sie gekennzeichnet.“

Im Übrigen setzt der Landwirt in seinem Stall lieber auf Naturheilmittel als Chemie. Das Futter für die Mastschweine stammt aus eigenem Anbau und besteht je nach Alter aus drei verschiedenen Mischrationen. Am 24-Stunden-Futterautomaten können die Tiere selbst entscheiden, wie viel Wasser sie beim Fressen dazu mischen.

Dreimal wöchentlich wird der Stall mit dem Radlader ausgemistet, weil Hygiene das A und O für gesunde Tiere sei. „Mit dem Mist wird eine 75 kW-Biogasanlage gefüttert. Sie erzeugt neben Strom und Wärme auch ein Gärsubstrat, das auf den hofeigenen Flächen als Dünger ausgebracht wird.“

Ackerbau mit Sojabohnen und Kartoffeln

Der Ackerbau obliegt Friedrich Hintermayr. Auf rund 60 ha werden Weizen, Mais, Gerste und gentechnikfreie Sojabohnen als Viehfutter und Kartoffeln für die Direktvermarktung angebaut. Außerdem gibt es eine Heidelbeerplantage für das Selberpflücken. Auf einem abgeernteten Feld hat der ausgebildete Landwirt einen Schlepper mit Güllefass samt Schleppschlauchtechnik aufgestellt. Er erklärt den 11- bis 14-Jährigen die Vorteile der bodennahen Gülleausbringung. „Zum einen wird die Ammoniak- und Lachgasemission stark reduziert und damit auch die Geruchsbelästigung für die Anwohner“, sagt Hintermayr. Die bodennahe Ausbringung minimiere also den Eintrag von Nährstoffen in Gewässer und von klimaschädlichen Gasen in die Luft. „Aber wie Mensch und Tier benötigen auch Pflanzen Nährstoffe, die sie in Form des Güllesubstrats erhalten. Mit dem Schleppschlauchverteiler erfolgt die Düngung direkt dort, wo die Pflanzen sie benötigen.“ 

Der Dritte im Bund der „Betriebsgemeinschaft“ ist Martin Augustin. Er hat sich der Zucht und Mast von Pinzgauer Rindern verschrieben. Der Landwirtschaftmeister schätzt besonders das ruhige Temperament dieser Rasse, ihre ausgezeichneten Fundamente, die Leichtkalbigkeit und ihre hervorragende Fleischqualität. Ob er den Kälbern denn auch die Hörner wegschneiden müsse, fragt ein Mädchen schüchtern. „Eher selten“, antwortet Augustin.

„Für den Natursprung setze ich genetisch hornlose Bullen ein mit dem Ziel, dass nur noch hornlose Kälber auf die Welt kommen.“ Die Herdengröße beläuft sich auf 50 Mutterkühe samt Nachzucht und vier Bullen. Die Mütter mit ihren weiblichen Kälbern verbringen den Sommer auf den Weiden. Insgesamt stehen 50 ha Grünland für die Beweidung, Heu- und Grassilageproduktion zur Verfügung. 

Die Mutterkühe und ihre männlichen Kälber, die im Alter von fünf bis sechs Monaten kastriert werden, sind wiederum im Außenklima-Tretmiststall untergebracht. „Leider haben wir zu wenig Fläche, um alle Tiere ins Freiland zu lassen“, bedauert der Landwirt. Der Stall wird zweimal wöchentlich gereinigt und der Mist der Biogasanlage zugeführt. Das hat den großen Vorteil, dass es kaum Fliegen am Betrieb gibt. Schon bald kommen auch die Tiere von der Weide wieder in den Stall, wo sie den Winter verbringen.

Erstaunen darüber, wieviel eine Kuf säuft

In einer Schubkarre hat Augustin eine Futterration bereitgestellt, die eine Kuh täglich frisst. Hier sollen die Mädchen und Buben herausfinden, welche Futterkomponenten darin enthalten sind. Schnell ist klar: Das ist Heu, das dort Maissilage und das hier Grassilage. Verwundert sind die Realschüler darüber, wie viel Wasser eine Kuh täglich benötigt, das der Landwirt in einem großen Bottich gefüllt hat.

Die Kälber bleiben 300 Tage bei der Mutter und trinken deren Milch. „Das macht das Fleisch zarter“, weiß Augustin. Bis zur Schlachtreife dauert es rund 24 Monate. Wie ruhig und gutmütig Pinzgauer Rinder sind, erleben die Mädchen und Buben, als sie mit Augustin auf die Weide gehen. Die Tiere nehmen es recht gelassen, als plötzlich 25 Kinder um sie herumschwirren, sie streicheln und berühren wollen. „So sind sie halt, die Pinzgauer“, schmunzelt der Landwirt.

Die Schlachtung der Rinder und Schweine erfolgt durch Körner im hofeigenen, EU-zertifizierten Schlachtraum. „Natürlich ist die Schlachtung nicht der schönste Teil des Umgangs mit unseren Tieren“, erklärt der Landwirt den Realschülern. „Aber wenn man Fleisch genießen will, gehört sie dazu.“ Es liege ihm am Herzen, dass die Tiere stressfrei und mit großer handwerklicher Sorgfalt geschlachtet werden. „Eine sanfte Schlachtung trägt dazu bei, dass sich aus unseren mit viel Mühe und Fürsorge großgezogenen Schweinen und Rindern auch qualitativ hochwertiges Fleisch und veredelte Produkte herstellen lassen.“ Die Vermarktung erfolgt komplett über „Körners Hofladen“ im Stadtzentrum von Friedberg.

Mit Herzblut beim Gemeinschaftsprojekt

Die drei Landwirte stehen mit Herzblut hinter ihrem Gemeinschaftsprojekt. Das ist auch kein Wunder, schließlich mussten sie jahrelang dafür kämpfen, dass sie den Aussiedlerhof bauen konnten. „Die schlechte Erfahrung mit der Bevölkerung hat uns geprägt“, sagt Hintermayr. „Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, Kindern und Jugendlichen einen Einblick in die moderne Landwirtschaft zu ermöglichen.“

Bei der Durchführung des Projekts „Erlebnis Bauernhof“ wurden die drei Bauern von Ulrike Rauberger, Ines Mayer und Birgitt Wagenpfeil vom AELF Augsburg unterstützt. An den Stationen „Wer lebt im Ackerboden“ und „Rettet die Bienen“ sorgten sie mit für einen reibungslosen Programmablauf. Schließlich galt es 133 wissbegierige Schülerinnen und Schüler zu beschäftigen. „Sie waren sehr neugierig, haben viele Fragen gestellt und ich denke, sie nehmen viele positive Eindrücke mit nach Hause“, resümiert Stephan Körner.