Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Medien

Authentische Einblicke ins Landleben

Martin Grimm bei der Stallarbeit
Anja Worschech
am Montag, 08.03.2021 - 12:24

Öffentlichkeitsarbeit wird für Landwirte immer wichtiger. Biolandwirt Martin Grimm aus Thalkirchdorf im Oberallgäu gibt per Video Einblicke in das Landleben. Insgesamt hat er bereits über 2,7 Mio. Klicks auf YouTube.

Eine feuchte Kuhschnauze schiebt sich ins Bild und zupft an Martin Grimms Arm. Der Biolandwirt aus Thalkirchdorf im Oberallgäu zeigt gerade im Stall, welches Teil kürzlich am Mistschieber kaputt gegangen ist. Mit dabei hat er seine kleine, mobile GoPro Kamera. Seine 25 „Mädels“ sind da natürlich ebenfalls neugierig und schieben sich gern mal ins Rampenlicht. Eine Streicheleinheit muss schließlich sein – auch trotz laufender Filmarbeiten.

Martin Grimm Hof

Vor zwei Jahren hat der Allgäuer Martin Grimm die Videoplattform YouTube für sich entdeckt. Seitdem dreht er sogenannte Vlogs – eine Art Internet-Videotagebuch. Darin zeigt er, was alles in seiner Arbeitswoche als Landwirt passiert. Mittlerweile hat er bereits über 100 Videos online gestellt und insgesamt mehr als 2,7 Millionen Klicks eingesammelt.

Sein Anliegen ist es, Einblicke in das Landleben und die Landwirtschaft zu geben. „Ich will informieren, wie es wirklich ist – fernab von Großbetrieben und Massentierhaltung“, sagt er. Öffentlichkeitsarbeit in der Landwirtschaft ist wichtiger denn je, wo doch oft die einzige Verbindung des Verbrauchers zum Bauern das Supermarktregal ist. Die Vielfalt ist für den Allgäuer dabei das Besondere. „Landwirtschaft ist so verschieden, weil jeder Betrieb unterschiedlich ist und auch jeder Betriebsleiter anders tickt.“

Er bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Claudia einen Hof mit 28 ha Grünland und 25 Milchkühen. Zum Familienbetrieb gehören auch zwei Minischweine (die etwas zu groß geraten sind und fast schon Hängebauchschweinen gleichen), Enten, Hennen, Esel und kuschelbedürftige Lamas. Zusätzlich vermieten die Grimms drei Ferienwohnungen.

Mit Erfolg eigene Videotagebücher gedreht

Filmen und fotografieren begeistern den 51-Jährigen schon lange. Auch YouTube hat er immer gern genutzt, um beispielsweise Erklärvideos für technische Probleme zu finden. Irgendwann ist Martin Grimm dann auf die Videotagebücher von anderen Landwirten gestoßen. Diese zeigten Bauern und ihre Betriebe im Norden Deutschlands mit Ackerbau oder Schweinemast. Als er sich im Allgäu nach ähnlichen Formaten umschaute, fand er jedoch nichts Vergleichbares. Das inspirierte ihn, selbst zur Kamera zu greifen und Videotagebücher zu drehen – mit Erfolg.

Biolandwirt Martin Grimm

Bei der Stall- und Hofarbeit hat er seither immer zwei ansteckbare Minikameras in seinen Hosentaschen. Für Luftaufnahmen packt er auch mal sein Lieblingsspielzeug aus: die Drohne. Bei Martin Grimm sind keine Szenen gestellt, er redet einfach drauf los und dreht nichts doppelt. Das Filmen müsse in den Arbeitsablauf reinpassen, so sein Grundsatz.

Dabei passiert es ihm auch mal, dass er eifrig erklärt und im Nachhinein feststellen musste, dass die Kamera gar nicht eingeschaltet war. Aber das stört den YouTuber nicht. Es bieten sich genug andere Gelegenheiten, etwas zu filmen. Mehr als 5 Stunden Filmmaterial bekommt er auf diese Weise pro Woche zusammen, erklärt er.

 

Mit seinen Videos und FarmVlog's gibt Martin Grimm einen Einblick in die Landwirtschaft im Oberallgäu:

Dann geht es in seinem Büro weiter. Sein acht Quadratmeter großes Reich nutzt er als Schnittraum. Das Schneiden benötigt pro Video etwa 2-5 Stunden. Jede Woche am Sonntag um 15 Uhr stellt er ein neues Video hoch. Mittlerweile habe sich sogar schon eine Fangemeinschaft gebildet, die sofort das nächste Video einfordert, wenn sich Martin Grimm verspätet. Als die Internetleitung noch nicht gut war, musste er bis zu 10 Stunden für das Hochladen einplanen. Mittlerweile dauere es immerhin nur noch 30 Minuten. „Damit kann ich leben“, sagt Grimm.

3)

Sobald sein neuestes Video online ist, wird es spannend für den Landwirt. Bis zu 200 Kommentare kommen da schon mal zusammen. Er liest jeden einzelnen und versucht auch darauf zu antworten.

Das kostet ihn weitere 2 – 3 Stunden. Zeit, die er gerne investiert. „Kritische Kommentare dürfen und sollen auch sein“, sagt Grimm. Sie bleiben allerdings die Ausnahme. Er bekommt überwiegend positive Rückmeldung und mehr als 20 000 Klicks pro Video - das motiviert ihn. Oft entwickele sich auch ein Fachgespräch unter Landwirten. „Die Ideen bringen mich weiter.“

Zuletzt gab es viele Anregungen bei Dieselpest, sagt Martin Grimm. Etwa 94 % seiner Zuschauer sind übrigens männlich. Martin Grimm ist ein eher ruhiger und introvertierter Typ. Trotzdem hat er kein Problem vor der Kamera zu sprechen. In seinen Videos bleibt Grimm authentisch und redet im typischen Allgäuer Dialekt.

Authentische Einblicke in die Landwirtschaft geben

Das ist Teil seines Erfolgsgeheimnisses. Er ist erfrischend direkt und beschönigt nicht. Grimm thematisiert auch, wenn es mal nicht gut läuft und beispielsweise eine Kuh stirbt. Das gehöre nun mal zur Landwirtschaft dazu. Dabei gibt er auch zu bedenken: „Man muss es wollen, Einblicke in den Hof zu geben.“ Martin Grimm freut sich nach zwei Jahren immer noch über jedes fertige Video. Denn er macht gern etwas, was „nicht jeder macht“.

Martin Grimm gelingt es, mit seinen Videobeiträgen tausende Follower über das Videoportal Youtube zu erreichen. Sehen Sie mehr dazu im Videobeitrag:

So geht es: Tipps vom Profi

Für Landwirte (und andere Video-Begeisterte), die sich auch an Videotagebüchern versuchen wollen, hat Martin Grimm einige, praktische Tipps parat:

  • Für den Test am Anfang muss es keine teure Kameraausrüstung sein. Es genügt das Handy. „Einfach mal machen“, empfiehlt Martin Grimm. Die Fragen „Was will ich mit meinen Videos erreichen?“ und „Wer soll das schauen?“ helfen, um sich einen Themenschwerpunkt bzw. eine Richtung zu geben.
  • Martin Grimm rät, sich im Netz nach Videos und Beispielen umzuschauen, sodass man einen ersten Eindruck bekommt, wie man seine Videos aufbauen und gestalten kann. Und auch zu sehen, was nicht so gut ankommt.
  • Zum Schluss gilt es herauszufinden, ob einem das Vlogen liegt und ob es in den eigenen Arbeitsablauf überhaupt reinpasst. „Das muss nebenher laufen.“ Denn aufhalten darf ihn das Filmen bei der Arbeit nicht.
  • Grundsatz Nummer eins: Man muss sich vor der Kamera wohlfühlen. „Sei du selbst“, ist das oberste Gebot.
  • Nicht zu unterschätzen, ist natürlich der Aufwand. Man müsse bereit sein, einiges an Zeit zu investieren. Die Nachbereitung der gedrehten Filmsequenzen (ca. 5 Stunden für 30 Minuten Video) zum fertigen Video und das Beantworten der Kommentare dauern bis zu 8 Stunden.
  • Ein sicherer Umgang mit PC und Schnittprogramm sind von Vorteil.

* Pflichtfeld. Mit der Anmeldung für den Newsletter haben Sie den Hinweis auf die Datenschutzhinweise zur Kenntnis genommen. Sie erhalten den forstpraxis-Newsletter bis auf Widerruf. Sie können den Newsletter jederzeit über einen Link im Newsletter abbestellen.

Auch interessant