Oft trauen sich Angehörige oder leicht Demenzkranke nicht Urlaub in einem Hotel oder einer Ferienwohnung zu buchen, auch wenn die Demenzerkrankung noch nicht weit fortgeschritten ist und der Angehörige körperlich fit ist. Die Angst und die Scham vor den anderen Gästen und auch den Betreibern, unangenehm aufzufallen, ist zu groß. Die Alzheimer-Gesellschaft Lechrain und die Anbietergemeinschaft Bauernhof- und Landurlaub im Bayerischen Alpenland wollen das ändern. Fünf ausgewählte Betriebe bieten Urlaub für Angehörige und Kranke in einer frühen Phase der Demenz an. Einer davon ist der Betrieb der Familie Rudolf im Ortsteil Granerhof in Böbing, ein Bio-Milchviehbetrieb mit 50 Kühen und Nachzucht. Gibt es während dieser Zeit Fragen oder Probleme, steht die Alzheimer-Gesellschaft Lechrain den Gästen zur Verfügung.

Es sei eigentlich ein ganz normales Angebot, sagt Angelika Rudolf. Wie andere Gäste auch, mieten die Angehörigen mit einem Demenzerkrankten eine der drei Ferienwohnungen auf dem Hof. „Die beteiligten Betriebe bieten keine Pflege oder Pflegeleistungen an“, erklärt Doris Kettner, Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft Lechrain, ausdrücklich, auch weil diesbezüglich immer wieder Nachfragen kommen. Das Angebot richte sich deshalb nur an Angehörige und Menschen mit einer beginnenden Demenzerkrankung.
Doch die Urlaubsbauernhöfe sind im Umgang mit Erkrankten geschult und bringen entsprechendes Verständnis für den an Demenz Erkrankten mit. „Wenn ein Gast über den Hof geht und die Bäuerin zehnmal das gleiche fragt, dann ist das für die Angehörigen unangenehm und peinlich“, schildert Doris Kettner ein einfaches Beispiel. Auch für die Bäuerin ist es, wenn sie nichts von der Erkrankung weiß, keine leichte Situation, denn sie weiß nicht, wie sie sich verhalten soll.
Doch weil die beteiligten Anbieter von Urlaub auf dem Bauernhof durch die Alzheimer-Gesellschaft geschult wurden, sich Wissen über die Krankheit angeeignet haben und bereits im Vorfeld über die Erkrankung informiert wurden, können sie angemessen reagieren. Sie können einfache Worte wählen, wenn sie mit dem an Demenzkranken sprechen, und einordnen, wenn der Betroffene verwirrt ist.
Denn der Sprung von Klarheit zu Verwirrtheit ist bei an Demenz Erkrankten oftmals kurz. „Ich möchte den Demenzkranken da abholen, wo er gerade ist“, beschreibt Angelika Rudolf den Umgang mit ihren Gästen. Dazu gehört auch, ihre Gäste nicht zu korrigieren, oder intensiv nachzufragen. Sie möchte einen positiven, wohlwollenden Umgang mit den Gästen mit einer beginnenden Demenz pflegen und sie so akzeptieren wie sie gerade sind. Auf diese Weise wird auch der Urlaub für die Angehörigen entspannter.

Zu wissen, dass der Erkrankte angenommen wird und man auf Verständnis trifft, man keine Angst haben muss, vor den Gastgebern unangenehm aufzufallen, das lasse viele aufatmen und trage entscheidend zu einem schönen Urlaubserlebnis bei. In dieser Atmosphäre gelingt es vielleicht besser, sich an dem zu freuen, was der Erkrankte noch kann, anstatt auf seine Defizite zu schauen.
Viele Demenzerkrankte sind ja noch körperlich fit, erklärt Doris Kettner. Sie machen gerne Spaziergänge oder Wanderungen. Die Umgebung der Höfe, so auch der Ortsteil Granerhof bei Familie Rudolf, bieten dafür oft ideale Bedingungen. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, setzt sich einfach auf die Terrasse der Ferienwohnung, blickt über die weitläufigen Wiesen, genießt die Ruhe, das Vogelgezwitscher und die Natur.
Die barrierefreie Ferienwohnung im Erdgeschoss hat ideale Voraussetzung dafür und war mit ein Grund, warum sich Familie Rudolf zu diesem Angebot entschlossen hat. Wir haben das als Familie mit unseren Kindern beschlossen, erzählt die Bäuerin. „Wir leben auf dem Hof alle zusammen und nicht nur ich und mein Mann, sondern auch die Kinder begegnen den Gästen. Auch sie sollen für die Gäste Verständnis aufbringen und ihnen positiv begegnen.“
In der Begegnung werden dann viele Berührungsängste abgebaut, weiß die Familie aus Erfahrung mit Gästen, die im Rollstuhl sitzen. „Wenn wir zusammen am Lagerfeuer sitzen, dann verschwinden die Unterschiede, da ist es gleich, ob jemand im Rollstuhl sitzt oder nicht, ob er dement ist oder nicht.“ Es sind diese Erlebnisse aber auch die Begegnung mit Tieren, die die Bäuerin den Demenzerkrankten und ihren Angehörigen ermöglichen möchte.
Viele Ältere haben aus ihrer Kindheit noch einen Bezug zur Landwirtschaft und zu Tieren. „Vielleicht gibt es da Anknüpfungspunkte in die Vergangenheit und schöne Erinnerungen“, sagt die Bäuerin. Vielleicht tut sich da nochmals ein Fenster auf, wo auch der Angehörigen den Kranken anders sehen und aus dieser Betrachtung Kraft schöpfen kann.
Die Begegnung mit Tieren, sie anzufassen und sie zu streicheln, das tut Demenzerkrankten gut und ist eine weitere sehr wertvolle Erfahrung, weiß Doris Kettner, die regelmäßig Treffen für Demenzkranke und ihre Angehörigen auf Bauernhöfen organisiert. Der Katze oder dem Hasen ist es egal, wer sie streichelt und wenn die Person beim Streicheln 50 mal dasselbe sagt. Die Bäuerin weiß das sehr gut, nicht zuletzt weil sie im familiären Umfeld selbst mit der Krankheit zu tun hat.
Seit letztem Jahr gibt es die Zusammenarbeit zwischen der Alzheimer-Gesellschaft Lechrain und den beteiligten Bauernhöfen der Anbietergemeinschaft Bauernhof- und Landurlaub im Bayerischen Alpenland. Und wie es scheint, ist es noch viel zu wenig bekannt. „Die Nachfrage ist entsprechend gering“, bestätigt Doris Kettner, an die man sich wenden kann, wenn man einen Bauernhof mit entsprechendem Angebot sucht.
„Wir vermitteln nur, die Buchung erfolgt direkt bei den Anbietern“, erklärt sie die Vorgehensweise, „und wir stehen den Angehörigen bei Fragen, Problemen und Rückfragen zur Seite, zum Beispiel wenn ein akuter Fall eintritt. Es ist ein Sicherheitsnetz, das wir den Angehörigen bieten möchten“.

Auch die Teilnahme an den Aktivitäten der Alzheimer-Gesellschaft ist für die Urlaubsgäste möglich. So könnte sich Angelika Rudolf durchaus vorstellen, nicht nur für ihre Gäste, sondern auch für die andere Gäste der beteiligten Höfe Butter und Frischkäse herzustellen und so das Angebot der Alzheimer-Gesellschaft noch zu erweitern. Es gehe darum, kleine Lichtblicke im oftmals stressigen Alltag im Umgang mit einem Demenzerkrankten zu schaffen, gemeinsame schöne Erlebnisse zu haben und daraus Kraft zu schöpfen. Für sie ist ein Bauernhof mit den Tieren, der Natur und vor allem den Menschen, die für den Kranken Verständnis haben, ein guter Ort dafür. „Menschen mit Demenz sind niemand, vor denen man Angst haben muss“, ergänzt Kettner. „Sie sind nur anders.“
Weitere Informationen bei alzheimer-lechrain.de oder Doris Kettner, Tel. 08805-9546773.