Mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht findet im Allgäu immer mehr Freunde. Durch mehrere Initiativen finden die Produkte in Regale und zum Verbraucher.
Die Verbraucher fordern zunehmend mehr Tierwohl von den Erzeugern. Vor allem viele Stunden dauernde Kälbertransporte von vorwiegend männlichen Kälbern nach Spanien oder in die Niederlande erregen die Gemüter der Tierschützer. Dieser Tatsache versuchen vor allem Biolandwirte im Allgäu Rechnung zu tragen: durch die nicht ganz einfache mutter- oder ammengebundene Kälberaufzucht.
Doch gibt es im bayerischen Allgäu weder Vermarktungsschienen noch regionale Mastbetreibe für männlichen Kälber aus dieser tierfreundlichen Aufzucht. Viele Idealisten, wie der Landwirt Manfred Gabler aus Haldenwang, praktizieren sie trotzdem seit Jahren und verkaufen Milch und Fleisch weit unter den tatsächlichen Gestehungskosten. Wie viele andere interessierte Landwirte nahm Manfred Gabler an einem Seminar der FIBL-Akademie und des Demeter Verbands teil, bei dem Kollegen aus Württemberg zeigten, wie eine preisgerechte Vermarktung funktionieren kann.
Wie Landwirt Rolf Holzapfel aus Bad Wurzach, der 2014 zusammen mit 13 Kollegen den Wirtschaftsverein „Demeter Heumilchbauern Süd w.V.“ gegründet hat. Dem Verein mit Sitz in Oberschwaben gehören auch neun Allgäuer Betriebe an. Seit 1997 führt Holzapfel selbst einen Demeter-Heumilchbetrieb mit 70 ha Grund, davon 40 ha Grünland, 30 ha Ackerbau. 2018 hat er die Erzeugergemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht ins Leben gerufen.
„Das Thema Kälbertransporte schlägt gerade hohe Wellen, kuhgebundene Kälberaufzucht rückt in den Fokus, vor allem die damit verbundenen Lösungsmöglichkeiten für Bruderkälber“, so Holzapfel. Er hält es für einen „Blödsinn“ als Biobauer die Milch zu melken und den Bullenkälbern im Eimer zu füttern. Kuhgebundene Aufzucht bedeute unterm Strich weniger Arbeit, gesündere Tiere, ein besseres, ganz anderes Herdenverhalten, sagt er.
Die Erzeugergemeinschaft „Demeter Heumilchbauern Süd w.V.“ hat derzeit 35 Mitgliedsbetriebe. „Wir haben uns 2014 zusammengetan, da wir neue Wege gehen wollten. Damals hatten wir knappe 3 Mio. Liter Milch. „Es war schon ein Sprung ins kalte Wasser“, gibt Holzapfel zu. „Heute erfassen wir über sechs Millionen Liter Milch und vermarkten so gut wie alle Produkte selbst als Erzeugergemeinschaft. Eines unserer Alleinstellungsmerkmale: Wir rekrutieren uns zu 100 Prozent aus den Mitgliedsbetrieben. Mittlerweile macht der Wirtschaftsverein fast sieben Millionen Euro Umsatz im Jahr“.
Aus Kostengründen keine Geschäftsstelle
Um Geld zu sparen verzichte man auf eine Geschäftsstelle, so Holzapfel. „Uns gibt es nur virtuell. Der Verein kauft von den Mitgliedern die Rohmilch. Diese wird von einer Spedition erfasst und von externen Betrieben verarbeitet. Ebenso verfährt man mit dem Fleisch. Der Verein vermarktet Molkereiprodukte sowie Fleisch- und Wurstprodukte dann direkt an den Großhandel.“
Als Alleinstellungsmerkmale habe man sich auf folgende Punkte geeinigt: Ausschließlich horntragende Rinder, nein zu genetisch hornlos, nur Heumilch, keine Silage, mutter und/oder ammengebundene Kälberaufzucht. Dabei werde monatlich immer so viel ausbezahlt, wie erwirtschaftet wurde.
„2014 waren wir die ersten mit einer Demeter-Heumilch im Frischebereich, die den Lebensmitteleinzelhandel eroberten“, so Holzapfel. Wir hatten damals eine eigene privatrechtliche Demeter-Heumilchrichtline, angelehnt an die österreichischen Richtlinien. Der Umsatz errechne sich aus den Produkten, die wir selbst am Markt vertreiben: verschiedene Frischmilch-Sorten, Quark, Joghurt, Mozzarella Frischkäse , Eis und der ganze Hartkäsebereich, Fleisch und Wurstspezialitäten.
Sehr scharf abgegenztes Profil
„Wir machen gerne auch Handelsmarken für unsere Kunden. Ganz bewusst, weil wir weniger Budget für einen eigenen Markenaufbau aufbringen müssen. Das ist teuer“. Nachteilig sei dabei zwar, dass der Rohstoff bei einer Handelsmarke jederzeit austauschbar ist. „Aber unser Alleinstellungsmerkmal ist unsere Heumilch und Milch aus muttergebundener Kälberaufzucht. Dadurch ist unser Profil sehr scharf abgegrenzt.
„Das Tierwohl steht dabei immer absolut im Vordergrund“, so Holzapfel.“ Und nach dem Motto „ein bisschen schwanger gibt es nicht „werden alle Kälber (Kuh und Bullenkälber ) bei den Heumilchbauern auf dem Betreib aufgezogen. „Es wäre schlimm, wenn der Verbraucher erfahren müsste, dass auch ein Großteil unserer Biokälber ins Ausland transportiert wird.“
Über Edeka habe man den Kontakt zum Verein „Pro Vieh“ geknüpft, eine Tierschutz-Organisation die sich für den Schutz von Nutztieren stark macht. Zusammen mit der Tierschutzorganisation haben die Heumilchbauern definiert, wie die Kuh-Kalb-Beziehung auszusehen hat.
Milch und Fleisch nicht getrennt betrachten
Man dürfe Milch- und Fleischproduktion nicht getrennt denken, betont Holzapfel. Denn nur eine Kuh, die gekalbt hat, gebe bekanntlich Milch. Das männliche Kalb dürfe nicht zum Abfallprodukt werden und billigst exportiert. Holzapfel: „Wir schlachten etwa zehn Kälber pro Woche und vermarkten dieses Großteiles über den Lebensmitteleinzelhandel. Wir schlachten die Tiere mit fünf bis sechs Monaten und einem Schlachtgewicht von ca. 260 kg lebend (130 kg Schlachtgewicht)
Wieviel säuft so ein Kalb in der Zeit dann dann weg? Holzapfel: „Wir kalkulieren bis zu 1500 l Demeter-Heumilch. Allein die Milch ist also 600 bis 800 € wert. Die Betriebe kompensieren den wegfallenden Erlös durch die Kalbfleischvermarktung und einen höheren Milchpreis. Beliebt sei es auch, zusätzlich Ammenkühe einzusetzen, entweder dreistrichige oder welche mit höherem Zellgehalt.
Die Wertschöpfungsmöglichkeit im Milchbereich setzt Holzapfel deutlich höher an, als im Fleischbereich. „Wenn ich durchkalkuliere bräuchten wir für ein Kalb ca.10 bis 11 € pro kg Lebendgewicht. Dann würde das Kilo Kalbsmedaillons 60 bis 80 € Kosten. Das zahlt freilich keiner. Deshalb muss jeder Betrieb querkalkulieren“. Die Heumilch bringe einen Marktpreis in der Ladentheke von 1,80 bis 2,00 € im Frischmilchbereich. „Wir denken das zu hundert Prozent zusammen. Man muss sich trauen die verschiedenen Sortiments-Bereiche in einen Vermarktungskontext zu bringen. Und obwohl unsere Verkaufspreise deutlich rauf sind im Molkereibereich ,nimmt es der Verbraucher an. Die Verbraucher sind aufgeklärter, als man denkt.“