Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Betriebsbesichtigung

Auflagen - Grenze des Zumutbaren überschritten

Ferber zu Besuch
Michael Ammich
am Dienstag, 15.10.2019 - 09:22

Während der Europa-Abgeordneten Markus Ferber den Betrieb Meitinger besucht, kommt auch noch der GQ-Kontrolleur daher.

Bocksberg/Lks. Dillingen - Klimaschutz, Volksbegehren, Tierschutz, Düngeverordnung und ausufernde Bürokratie – es wird immer enger für die bäuerlichen Familienbetriebe. Ein gutes Beispiel für das Korsett aus Vorschriften und Kontrollen, das ihnen die Luft zum Atmen nimmt, lieferte der unangemeldete Besuch eines GQ-Kontrolleurs auf dem Betrieb Meitinger just zu dem Zeitpunkt, als das Betriebsleiterpaar den Europa-Abgeordneten Markus Ferber mitsamt der Dillinger BBV-Spitze zu Gast hatte und zugleich die Maisernte organisieren musste. Dabei wurde der Betrieb erst zwei Wochen zuvor einer GQ-Kontrolle unterzogen, wie Ferber erfahren durfte.

Mit 32 Jahren hatte der Dillinger Vizekreisobmann Jürgen Meitinger den Betrieb seiner Eltern in Bocksberg übernommen. Seither hat er kräftig investiert, um ihn zukunftsfest zu machen. Aus den 150 Bullen, die damals auf dem Hof standen, sind einschließlich der Kälber 650 geworden, für sie wurden zwei neue Ställe gebaut. 

Große Unsicherheit bei erneuerbaren Energien

Eine weitere Einkommensquelle fand Meitinger in einer Biogasanlage mit einer installierten Leistung von 320 kW. Da die Anlage eine der ersten im Landkreis Dillingen war, läuft bald die 20-Jahres-Frist für die feste Vergütung ab. Jetzt ärgert sich Meitinger über die unsicheren Aussichten der erneuerbaren Energien im Biomassebereich. „Sobald die Anlage nicht mehr rentabel ist, schalte ich sie ab.“

Eigentlich würde der Landwirt gerne in ein neues Blockheizkraftwerk investieren, doch er ist nahe daran, an der damit verbundenen Bürokratie zu verzweifeln. „Bei der Genehmigung stoße ich auf eine reine Verhinderungstaktik.“

Auch Eugen Bayer ist das Hin und Her der Bundesregierung bei den Erneuerbaren ein Dorn im Auge. Seit 30 Jahren beschäftige sich die Landwirtschaft im Kreis Dillingen mit klimafreundlichen Kraftstoffen und habe sich beispielsweise am 100-Schlepper-Programm beteiligt, sagt der BBV-Kreisgeschäftsführer. Aber die steuerliche Schlechterstellung des Rapsdiesels habe alle Anstrengungen zunichte gemacht. „Das EEG wurde immer mehr zusammengestrichen und damit ist auch die Investitionsbereitschaft der Landwirte deutlich zurückgegangen.“

Auch für Markus Ferber ist die schleichende Unrentabilität der Biogasanlagen schwer zu verstehen. Energie aus Biomasse sei schließlich die einzige erneuerbare Energie, die grundlastfähig ist, bestätigt der EU-Parlamentarier. Aber das EEG sei nun einmal vor allem eingeführt worden, um die Produktion von erneuerbaren Energien anzuschieben. 
Seine fortlaufende Anpassung führt Kreisobmann Klaus Beyrer darauf zurück, dass die Bundesregierung ein weiteres Steigen der EEG-Umlage und damit des Strompreises verhindern will. Andererseits habe sich die Politik klar gegen die Kernenergie entschieden. „Nur hat sie es versäumt, der Bevölkerung zu sagen, dass der regenerative Strom Geld kostet.“
 

Messstellen und Mercosur sind weitere Baustellen

Fragwürdig sind für den Kreisob­mann auch die Messstellen, die im Landkreis Dillingen zur Ausweisung von Roten Gebieten geführt haben. Beyrer weiß, dass dafür nicht die EU verantwortlich gemacht werden kann, sondern die Auswahl der Mess­stellen eine Hausaufgabe Deutschlands war. Dennoch sei hier ein Gegensteuern erforderlich, zumal der Landkreis ohnehin schon über Gebühr mit FFH-, Vogel- und Wasserschutzgebieten überzogen sei.

Kein gutes Haar lässt Beyrer auch am geplanten Mercosur-Abkommen. Im Amazonasgebiet brennen die Wälder, in Brasilien und Argentinien seien in der Agrarbranche eine „Goldgräberstimmung“ entstanden und viele Pflanzenschutzmittel neu zugelassen worden. „Wenn ich die auf meinem Hof hätte, würde man mich einsperren.“

Der Zorn des Kreisobmanns entzündet sich ebenso am neuen staatlichen Tierschutz-Label, weil es keine Kennzeichnung von importiertem Fleisch vorsieht. So würden, falls das Mercosur-Abkommen umgesetzt wird, jährlich hunderttausende Tonnen Rind- und Geflügelfleisch, Zucker und Ethanol aus Südamerika in die EU eingeführt, die den deutschen Landwirt noch weiter in Bedrängnis bringen. Schon jetzt habe es die Politik fertiggebracht, die deutsche Zuckerrrübe – einst Königin der Ackerfrüchte – zum Aschenputtel zu machen. In anderen EU-Ländern seien Prämien an die Zuckerrübe gekoppelt - „eine Wettbewerbsverzerrung ohnegleichen“. Und dann gebe es auch noch immer weniger zugelassene Pflanzenschutzmittel, was den Rübenanbau zunehmend schwierig macht. „Uns Bauern reicht es jetzt endgültig“, zürnt der Kreisobmann.

Wettbewerbsverzerrung im EU-Agrarsektor

Markus Ferber

Markus Ferber räumt ein, dass es in der EU im Agrarbereich derzeit an fairem Wettbewerb mangelt. Die Kampfansage der EU-Kommission und und des EU-Parlaments an die wachsende Bürokratisierung wiederum scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Das Problem sei eben: Wo es Auflagen gibt, müsse ihre Einhaltung auch kontrolliert werden.

Mit Blick auf die wachsenden Anforderungen der Gesellschaft an die bäuerliche Produktion bezeichnet es der Abgeordnete als eine Aufgabe der Politik, die rechte Balance zwischen den Bedürfnissen der Landwirtschaft und den Ansprüchen der Gesellschaft zu finden.

Familienbetrieb trotz großem Tierbestand

Jürgen Meitinger hat wenig Verständnis dafür, dass die Belastung des Grund- und Oberflächenwassers mit Nitrat und Phosphat allein der Landwirtschaft angelastet wird. Hier „ducke“ sich die Politik vor der Bevölkerung, anstatt die Herkunft der Belastungen in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Außerdem fühlt sich der Bocksberger Bullenmäster als „Massentierhalter“ gebrandmarkt, obwohl er trotz seines großen Viehbestands keine Fremdarbeitskraft beschäftigt.

Er sei schlicht und einfach dazu gezwungen worden, seinen Bullenbestand aufzustocken, um das Überleben des Betriebs zu sichern, betont Meitinger. Gerade kleine Betriebe würden durch die ständig neuen Auflagen kaputt gemacht.

Das Problem der Messstellen ist auch Ferber bewusst. Er hält sie für ungeeignet, um anhand der Messergebnisse Rote Gebiete festzulegen. Auch ist dem Abgeordneten klar, dass die Landwirtschaft nach der Entkoppelung der Zahlungen aus Brüssel den Weg „groß oder tot“ eingeschlagen hat. Die Bevölkerung müsse sich jetzt entscheiden: „Wollen wir solche großen Betriebe wie in Bad Grönenbach?“

Für erste Säule keine weiteren Umweltauflagen

Ferber führt die Kritik der Gesellschaft an der bäuerlichen Produktion auch darauf zurück, dass diese teils nur wenig Ahnung habe, wie Landwirtschaft funktioniert. Der Abgeordnete warnt davor, die erste Säule des EU-Agrarhaushalts noch mehr mit Umweltauflagen zu belasten, weil in diesem Fall die Anforderungen für Zahlungen aus der zweiten Säule ebenfalls erhöht werden müssten.

Statt dessen schlägt er einen anderen Weg vor. Die Politik müsse überlegen: Wie lässt sich die Landwirtschaft dazu bewegen, ihre Potenziale im Umwelt- und Klimaschutz noch mehr auszuschöpfen, ohne die Auflagen für Zahlungen aus der ersten Säule weiter zu verschärfen?
 

Tierwohl steht an erster Stelle

Am Ende der Diskussionsrunde fuhren die Vertreter des Dillinger Bauernverbands gemeinsam mit Markus Ferber zum ausgesiedelten Bullenmaststall von Jürgen Meitinger. Dort erklärte der Landwirt dem Abgeordneten, wie er seine 650 Bullen und Kälber nach den modernsten Tierwohlstandards hält. So sind die Buchten deutlich größer als es die gesetzlichen Bestimmungen erfordern.

Ein engmaschiges Netz aus Sicht- und Computerkontrollen gewährleistet ein sofortiges Eingreifen auch nur beim leisesten Verdacht auf eine Erkrankung oder Verletzung der Tiere. Lassen sich diese trotz intensiver Bemühungen nicht auskurieren, wird das betroffene Tier an Ort und Stelle per Bolzenschuss von seinem Leiden erlöst, ohne es zuvor noch qualvoll aus der Bucht zu befördern.

Grünes Kreuz als Mahnmal aufgestellt

Mit dem Aufstellen eines „Grünen Kreuzes“ in der Flur neben den Mastställen Meitingers setzte der Dillinger BBV dann ein Zeichen gegen die Belastung der bäuerlichen Familien, die durch unfaire Kritik und steigende Auflagen finanziell und psychisch immer mehr in die Enge getrieben werden. Das Kreuz soll die Vorübergehenden aber auch daran erinnern, wem sie den Erhalt und die Pflege der herrlichen schwäbischen Kulturlandschaft zu verdanken haben.