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Projekt F.R.A.N.Z

Artenvielfalt im Grünland: Erste Ergebnisse sichtbar

Die beiden Projektbetreuerinnen Dr. Claudia Kriegebaum (l.) und Dr. Anna Bobrowski auf einer mit Blumen eingesäten Wiese.
Josef Hiemer
am Donnerstag, 15.09.2022 - 10:03

In dem bundesweiten Projekt F.R.A.N.Z sollen praxistaugliche Naturschutzmaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben entwickelt und geprüft werden.

Sie liefern täglich im Bereich des Naturschutzes: Die Landwirte, besonders auch im Allgäu. Fast 50 % der bayrischen Landwirte arbeiteten freiwillig in Naturschutzprogrammen mit, sagte Elmar Karg, Vorsitzender des Milchwirtschaftlichen Vereins. Mit einem Bioanteil von über 20 %, Heumilch, der Alpwirtschaft, den Streuwiesen und Streuobstwiesen leisten die Landwirte im Allgäu schon heute einen überdurchschnittlichen Beitrag zum Natur- und Artenschutz. Leider werde das in der Öffentlichkeit aber zu wenig wahrgenommen, erklärte Karg.

Kritik an Bürokratie

Für die Versuche im F.R.A.N.Z. Projekt auf dem Spitalhof verantwortlich: (v. l.) Betriebsleiter Alexander Würtemberger und Elmar  Karg, Vorsitzender des Milchwirtschaftlichen Vereins.

Gleichzeitig wehrte er sich gegen den „bürokratischen Irrsinn“ wie das Walzverbot zum 1. März jeden Jahres. Er bat Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Herz (FW) als Vorsitzenden des Agrarausschusses im Bayerischen Landtag solche Auflagen für die Landwirtschaft zu verhindern.

In dem bundesweiten Projekt F.R.A.N.Z sollen praxistaugliche Naturschutzmaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben entwickelt und geprüft werden. Die fünf Buchstaben stehen für:

  • F: Für
  • R: Ressourcen
  • A: Agrarwirtschaft
  • N: Naturschutz
  • Z: mit Zukunft

Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebsabläufe erfasst

Neben den Auswirkungen auf die Biodiversität erfasst F.R.A.N.Z. auch die Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebsabläufe, erhebt die Kosten und leitet die Beträge für eventuelle notwendige Fördermaßnahmen ab. Bei einem Standorttermin auf dem Spitalhof in Kempten, dem einzigen Grünlandbetrieb der zehn über Deutschland verteilten Projektbetriebe, wurden erste Ergebnisse vorgestellt. Neu ist in dem Projekt auch die Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ zwischen dem Projektträger, der Landwirtschaft, der Wissenschaft und dem Naturschutz. Projektpartner sind:

  • Die Umweltstiftung Michael Otto
  • Der Deutsche Bauernverband
  • Das Thünen -Institut für Landwirtschaft
  • Die Universität Göttingen
  • Der NABU

Die Bayerische KulturLandStiftung betreut und berät das Projekt. Die Rentenbank, das Landwirtschaft- und Umweltministerium in Berlin sowie die landwirtschaftliche Rentenbank unterstützen das Projekt finanziell.

Maßnahmen entwickeln

Dr. Anna Bobrowski vom Deutscher Bauernverband in Berlin will mit dem Projekt konventionelle Landwirte an den Naturschutz heranführen. Gemeinsam mit dem Landwirt werden die Maßnahmen entwickelt, auf ihre Auswirkungen auf den Naturschutz und den Betrieb in organisatorischer und wirtschaftlicher Sicht geprüft, erklärte sie. Ziel sei die Entwicklung praxistauglicher Vorschläge. Für die fünf bis zehn Maßnahmen im Projekt sollten die Betriebe 5 bis 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bereitstellen. Im Dauergrünland seien das hauptsächlich Altgrasstreifen oder Extensivgrünland.

Altgrasstreifen

Nach Dr. Claudia Kriegebaum, Bayerische KulturLandStiftung, die die Projekte in Bayern betreut, soll das Projekt helfen durch die wissenschaftliche Begleitung konkrete Zahlen zu liefern und dadurch „Projekte nach Gefühl“ ablösen.

Hier am Spitalhof wurde ein Streifen in der Nutzung in der Länge zweigeteilt. Teil A wird im Mai gemäht, Teil B im September. So bleibt immer ein Teil über den Winter stehen. Der Altgrasstreifen wird weder gedüngt noch gegen Unkräuter chemisch behandelt.

Das Ergebnis: Bei den hohen Niederschlägen und dem hohen Anteil landwirtschaftlicher Kulturgräser muss öfter geschnitten werden. Das Altgras ist nicht geeignet, länger stehen zu bleiben. Durch die geringe Standfestigkeit kippt es im Winter um, es verpilzt und lockt Mäuse an. Die späte Nutzung bringt weder etwas für den Landwirt noch für den Naturschutz. In dem liegenden Gras können sich keine Wildkräuter aufbauen.

Als Konsequenz wurden die Altgrasstreifen in die Maßnahme „ Extensives Grünland“ überführt. Das Grünland wird dann mindestens einmal, meistens zweimal pro Jahr geschnitten. Vom 10. Mai bis 5. Juli findet keine Bearbeitung statt. Davor und danach ist ein Schnitt möglich. Düngung und Pflanzenschutz sind verboten. „Die Erfahrungen mit der extensiven Grünlandnutzung sind gut“, freut sich Dr. Kriegebaum. „Sie passt in die landwirtschaftlichen Betriebsabläufe.“ Geduld ist aber notwendig. Bis der gewünschte vielfältige Pflanzenbestand erreicht ist, sind vermutlich 10 - 15 Jahre notwendig.

Ein Experiment gewagt

Alexander Würtemberger, Betriebsleiter am Spitalhof, stellte den Einsatz des Erntegutes aus der Maßnahme „Extensives Grünland“ in der Milchviehhaltung vor. Für den jungen Betriebsleiter stellt sich besonders die Frage, wie der Aufwuchs der Mitte Juli gemähten Flächen genutzt werden kann. Pferdecobs oder Deponie seien für ihn keine Alternative. Der Spitalhof füttert auch im Sommer Silage. In den Silagen des 3.und 4. Schnittes fehlt ihm die Struktur. Für den Ausgleich muss zugekauftes Stroh eingesetzt werden. „Wie kann altes Futter einerseits, und Strukturmangel andererseits zusammengepackt werden?“, war zu testen. Er versuchte, trotz Einwänden erfahrener Praktiker, den alten Aufwuchs zu silieren. Und es hat funktioniert.

Gewisse Feuchte nötig

Elementar sei eine gewisse Feuchtigkeit des Altmaterials und eine gute Verdichtung. Das Altgras wurde parallel zum 3. Schnitt als letztes am Abend gemäht. Gleich am nächsten Morgen kam der Häcklser, um genügend Feuchtigkeit im Altgras zu behalten. Im Fahrsilo wurde das gehäckselte Altgras mit dem feuchten 3. Schnitt abgedichtet. Besonders positiv: Das Altgras war nicht verschmutzt, der angestrebte TS-Gehalt von 35 % wurde erreicht. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung erhielten die Kühe diese Mischung. Sie werde gut gefressen, in der Leistung konnten keine Einbußen beobachtet werden. „Die Kühe schlecken den Futtertisch z’samm“, freut sich Alexander Würtemberger über den positiven Ausgang des Experiments und die innerbetriebliche Verwertungsmöglichkeit des Altgrases.

Einsaat von Wildblumen

Als neue Maßnahme wird die Einsaat von Wildblumen in extensives Grünland versucht.

1. Versuch, Aussaat im Frühjahr: Um schnellere Ergebnisse zu erzielen, wurde autochthones Saatgut von über 30 Wildblumen mit 20 kg/ha auf einem Altgrasstreifen eingesät. Hierfür musste die Fläche vorab mit Sondererlaubnis umgebrochen werden. Die Saat erfolgte im Frühjahr. Bald meldete sich das Gras zurück. Im Juli dominierte es den Bestand. Nur einzelne Wildkräuter waren im Juli noch zu sehen. Noch schlimmer: Der alte Bekannte stumpfblättriger Ampfer breitete sich wieder aus. Er konnte nur durch Bekämpfung in Zaum gehalten werden. Der konkurrenzstarke Ampfer verdrängt auch die Wildblumenarten. Auch aus Sicht des Naturschutzes war die Bekämpfung notwendig. Im 2. Jahr, nach der Bekämpfung, verbesserte sich der Wildblumenaufwuchs.

2. Versuch, Aussaat im Herbst: Um einen besseren Aufwuchs der Wildblumen zu erzielen, erfolgte die 2. Ansaat auf einer Fläche mit geringem Ampferpotenzial und im Herbst. Im Herbst, weil die Wüchsigkeit der Gräser geringer ist, wodurch die Wildkräutersamen mehr Chancen erhalten. Die Wildkräuter sind winterhart. Bei Aussaat im September können sie im Herbst noch eine Rosette ausbilden. Im Frühjahr haben sie einen Wachstumsvorsprung gegenüber den Konkurrenten. Zusätzlich wurde die Saatstärke auf 30 kg/ha erhöht.

Wissenschaftler untersuchten von 2016 bis 2022 die Artenzahl in den Maßnahmen des Projektes und verglichen sie mit der Artenzahl auf Wirtschaftsgrünland. Mit diesem Ergebnis:

  • Die Unterschiede zwischen Altgrasstreifen und Wirtschaftsgrünland sind gering. Auf beiden Flächen wurden, mit Schwankungen, ca. 20 Arten festgestellt.
  • Auf Extensivgrünland war die Artenzahl höher.
  • Mit fast 30 Arten ist die Artenvielfalt auf den eingesäten Wiesen signifikant höher als auf dem Wirtschaftsgrünland.

Weitere positive Effekte

  • Positiv beeinflusst wurde das Ökosystem durch die höhere Anzahl von Bestäubern.
  • Durch mehr Leguminosen sinkt der Bedarf an synthetischem Dünger.
  • Durch das veränderte Verhältnis von Gräsern und Kräutern verbessert sich die Anpassung des Pflanzenbestandes an extreme Witterungsbedingungen.