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Berglandwirtschaft

Alpwirtschaft: Es gibt Gewinner und Verlierer durch die Agrarreform

Der Alpsommer fördert die Fitness der Tiere. Über 300 000 Rinder wurden zuletzt auf den 8125 österreichischen Alpen gesömmert.Auch für Alpflächen gibt es Regelungen in der neuen GAP 2023.
Dr. Josef Hiemer
am Montag, 06.02.2023 - 09:23

GAP 2023 und neues Kulap: Auch die Alpwirtschaft ist betroffen. Dies wurde auf einer Online-Veranstaltung des AELF Kaufbeuren deutlich.

Franziska Mitzdorf, Alpfachberaterin am AELF Kaufbeuren, ist auf einem Milchviehbetrieb mit Alpe in Schwangau aufgewachsen und hat die praktische Alpwirtschaft von Kindesbeinen an gelernt.

Kaufbeuren - GLÖZ 1 – 99 und ÖR 1 – 7 sind sperrige Begriffe in der seit 1. Januar geltenden EU-Agrarreform. Diese betreffen die landwirtschaftlichen Betriebe im Tal gleichermaßen wie die Älpler. Und hier nicht nur die reinen Alpweiden, sondern auch die Talbetriebe, die eine Alpe bewirtschaften.

Die neuen Regelungen führen auf den Alpen gleichzeitig zu Gewinnern und Verlierern. Dies wurde auf einer Online-Veranstaltung des AELF Kaufbeuren deutlich. Etwa treffe die Absenkung der alten „Basisprämie“ von 249 € auf 156 € in die neue Einkommensgrundstützung die flächenstarken Betriebe besonders, sofern sie auch Alpwirtschaft betreiben, wie Alpwirtschaftsberaterin Franziska Mitzdorf vom AELF erklärte. Mitzdorf zeigte exemplarisch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Betriebe und wie diese darauf reagieren können, um Verluste durch die Absenkung der Basisprämie möglichst auzugleichen.

Neue Antragsfristen

87 Teilnehmer hatten sich zugeschaltet. Das Interesse am Thema ist also recht groß. Zunächst ging es um die Neuregelung bei den Antragsfristen. Dieses Jahr seien erstmalig Gelder für freiwillige Leistungen sowohl im AUM-Antrag als auch im Mehrfachantrag zu beantragen. Die Antragsfrist für das neue Kulap und das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) endet heuer schon am 23. Februar. Die Antragstellung für den Mehrfachantrag beginnt ab Mitte März. Man sollte sich entsprechend zeitig mit den Auswirkungen der neuen Fördermöglichkeiten und Auflagen auseinandersetzen, empfahl die Beraterin. Notwendig sei, die Flächen in iBalis auf „Geprüft“ zu setzen, und die Laufzeiten von alten Kulap- und VNP-Verträgen zu überprüfen.

Neuerungen im Kulap

Die Alpwirtschaft betreffen folgende Kulap-Maßnahmen:

  • K 10 – extensive Grünlandbewirtschaftung: Der Viehbesatz im Zeitraum 1. 1. – 31. 12. muss mindestens 0,3 GV/ha betragen und darf 1,0 GV nicht überschreiten. Eine weitere Auflage ist der Verzicht auf Mineraldünger im gesamten Betrieb. Die Prämie beträgt 110 €/ha. Das neue K 10 ist inhaltlich die Anschlussförderung an das alte B 22 (mind. 0,1 GV/ha). Bei laufenden B-22-Verträgen ist ein Umstieg auf K 10 möglich wenn die neuen GV-Grenzen eingehalten werden, wenn die neuen GV-Grenzen eingehalten werden.
  • K 22 – Bewirtschaftung von Alpen: Auch Alpen ohne ständige Behirtung (NC 455) können nun eine Förderung in Höhe von 80 €/ha erhalten.
  • K 99 – Förderung kleiner Strukturen: Für den höheren Aufwand der Bewirtschaftung kleiner Flächen gibt es erstmalig eine zusätzliche Förderung. Sie beträgt 60 €/ha für Flächen unter 0,5 ha und 30 € für Flächen unter 1 ha (alle drei Maßnahmen K 10, K 22, K 99 können zusammen für eine Fläche beantragt werden).
  • Schnittzeitpunkte K 16, K 17: K 16 erlaubt den 1. Schnitt nach dem 15. 6., K 17 nach dem 1. 7. Diese können auf Einzelflächen, die als Wiese oder Mähweide codiert sind, gelegt werden. Die Förderung beträgt für K 16 320 €/ha und für K 17 370 €/ha.

Neuerungen im VNP

Für besonders wertvolle Alp-Flächen kann die VNP-Förderung eine Alternative zum Kulap sein. Alle Öko-Regelungen sind mit dem VNP kombinierbar. Die Förderung der Beweidung mit Rindern wurde aufgestockt. Die alte Förderung F/H 32 mit 150 €/ha wurde in der neuen Maßnahme G 32/D 32 auf 180 €/ha aufgestockt. Für nicht erschlossene Alpen erhöht sie sich um 20 €/ha (Q 28). Zuständig ist die untere Naturschutzbehörde am jeweiligen Landratsamt. Sie begutachtet die für eine Förderung in Frage kommenden Flächen und entscheidet über die Förderfähigkeit. Eine Förderung zusätzlich zum Kulap ist nicht möglich.

Aber es gibt Auflagen:

  • keine Düngung, außer mit dem Mist der Alpe selbst,
  • kein Einsatz von chemischem Pflanzenschutz,
  • nur eine geringe Zufütterung in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde, um die Nährstoffversorgung der Tiere zu sichern,
  • Verpflichtungszeitraum 5 Jahre.

Die Förderung wird bei Flächen über 100 ha – wie im Kulap – nicht abgesenkt. Es ist geplant, laufende VNP-Verträge an die erhöhte Förderung anzupassen. Findet auf einer Teilfläche einer Alpe ein VNP-Programm statt, können auf den restlichen Flächen Kulap-Maßnahmen beantragt werden.

Die bisherigen Direktzahlungen gehen im Zeitraum 2023 – 2027 unter dem Namen „Einkommensstützung“ weiter. Allerdings ändern sich die Beträge. So sinkt die Basisprämie von 249,66 € auf 156,56 € /ha. Für die großen Alpflächen bedeutet dies erhebliche Einbußen.

Talbetriebe mit Alpen können dagegen höhere Beträge im Rahmen der besonderen Förderung kleiner Betriebe erwarten. Erhielten sie bisher 49,66 € für die ersten 30 ha und 29,79 € für die weiteren 16 ha, können sie 2023 mit 69,16 € für die ersten 40 ha, und mit 41,49 €/ha für weitere 20 ha rechnen.

Auch die Förderung für Junglandwirte wurde massiv erhöht. Innerhalb von fünf Jahren nach Hofübernahme erhalten sie nun 134,04 €/ha statt bisher 44,27 €/ha.

Neu: Ökoregelungen

Mit der GAP-Reform 2023 bietet die EU Fördermittel für ökologische Maßnahmen im landwirtschaftlichen Betrieb an, gespeist durch Umschichtungen von der 1. in die 2. Säule. Alle Maßnahmen sind freiwillig und im Gegensatz zu Kulap und VNP einjährig. Sie werden zusammen mit dem Mehrfachantrag beantragt. Für die Alpwirtschaft kommen die folgenden Maßnahmen in Frage:

  • ÖR 4: Extensivierung des gesamten Dauergrünlandes,
  • ÖR 5: 4 Kennarten auf Dauergrünland,
  • ÖR 7: Angepasste Nutzung in Natura-2000-, Naturschutz- und FFH- Gebieten.

ÖR 4 setzt einen Viehbesatz von 0,3 – 1,4 GV/ha vom 1. 1. – 30. 9. voraus. Der Viehbesatz darf höchstens an 40 Tagen unterschritten werden. Bei 110 Alptagen können jedoch die wenigsten Alpbetriebe und auch Sommerpensionsbetriebe diesen Viehbesatz einhalten, ÖR 4 kann aber für Talbetriebe mit eigener Alpe in Frage kommen. Mineraldünger ist zulässig. Insgesamt darf aber nicht mehr gedüngt werden, als dem Nährstoffanfall von 1,4 GV entspricht. Pflanzenschutzmittel sind nicht erlaubt. 2023 beträgt die Förderung 115 €/ha.

Die Förderung bei ÖR 5 beträgt 240 €/ha. Sie wird gewährt für Flächen, auf denen mehr als vier Arten (aus einer Liste) gefunden werden. Die Feststellung der Arten erfolgt durch den Landwirt selbst. Vorgeschrieben ist die Feststellung nach der so genannten Transektmethode. Hierzu läuft der Landwirt auf der längste Diagonale über die Fläche und teilt die Strecke in zwei Abschnitte. In jedem Abschnitt muss er mindestens vier Arten aus der Liste finden. Sie müssen aber nicht gleich sein. Die gefundenen Arten sind in einem offiziellen Vordruck festzuhalten.

Kennarten bestimmen

Die Feststellung der vier Kennarten erfordert freilich gute Pflanzenkennnisse. Alle Flächen müssen mindestens einmal im Jahr begangen werden. Franziska Mitzdorf ist aber überzeugt, dass auf den meisten Alpen vier Kennarten aus der Liste zu finden sind, besonders auf den Magerrasen der Hochalpen, weniger auf feuchten Standorten. Die beste Zeit zur Pflanzenbestimmung sei im Juni/Juli, zur Blütezeit. Die Alpfachberaterin empfiehlt, gegebenenfalls mehr als vier Kennarten festzuhalten. Bleibt eine Art aus, ist die Förderung nicht in Gefahr.

Die Landesanstalt für Landwirtschaft stellt eine Broschüre bereit, in der die möglichen Kennarten mit Bildern dargestellt sind. Zur Bestimmung eignen sich auch Apps wie Plantnet oder Picturethis. ÖR 5 kann mit den Maßnahmen K 10 und K 22 sowie mit VNP-Maßnahmen kombiniert werden.

Für die zahlreichen FFH-Flächen im Alpengebiet können mit der Maßnahme ÖR 7 je Hektar 40 € beantragt werden. Dafür dürfen die Bewirtschafter keine zusätzlichen Entwässerungsmaßnahmen durchführen, keine Drainagen reparieren und müssen auf alle Eingriffe zur Senkung des Grundwasserstandes verzichten. Verboten sind ebenso Abgrabungen, Aufschüttungen oder Auffüllungen. Sollte eine Drainage saniert werden müssen, könne der Landwirt für ein Jahr auf die ÖR-7-Förderung verzichten.

Außerdem ist es wichtig, zu wissen: Die Ausgleichszulage für die Betriebe im Berggebiet bleibt in gleicher Höhe erhalten und wird zusätzlich zu den anderen Förderungen bezahlt.

Was könnte passen?

Franziska Mitzdorf hat aus der großen Zahl von neuen Fördermöglichkeiten für die Grünland- und Alpbetriebe diejenigen ausgesucht, die für solche Betriebe in Frage kommen können. Pauschale Aussagen seien natürlich nicht möglich, sagte sie, dazu seien die Verhältnisse in den einzelnen Betrieben dann doch zu unterschiedlich.

  • Für Talbetriebe mit Alpflächen und einem Viehbesatz unter 1,0 GV kommen in Frage: ÖR 4 (Extensives Dauergrünland, 0,3 – 1,4 GV), optional mit ÖR 5 (4 Kennarten) bzw. ÖR 7 (FFH-Gebiet?) mit oder alternativ zu ÖR 4 K 10 (extensives Grünland, 0,3 – 1,0 GV), K 22 (Bewirtschaftung der Alpfläche) und K 99.
  • Für Alpen mit einem Viehbesatz über 0,3 GV/ha stehen bereit: ÖR 5 evtl. in Verbindung mit ÖR 7; Kulap K 10, K 22, K 99, alternativ zu Kulap das VNP-Programm G 32 (Beweidung von Alpen mit Rindern). G 32 hat keine Degression von Flächen über 100 ha.
  • Alpen mit einem Viehbesatz unter 0,3 GV/ha: Diese Betriebe können ÖR 5 beantragen, evtl. zusätzlich ÖR 7, für die Alpflächen K 22, K 99. Alternativ G 32, hier ist kein Mindestviehbesatz vorgeschrieben.

Die Kombinationsmöglichkeiten der Kulap- und ÖR- und VNP-Maßnahmen stehen unter www.stmelf.bayern.de/agrarpolitik/foerderung/001007/index.php