
Der Alarm weckte Florian Hierl um kurz nach 2 Uhr in der Nacht. Das Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Bühl am Alpsee ist selbst Landwirt und Vorstand des Maschinenrings Oberallgäu: „Um die Uhrzeit muss man sich erst mal orientieren, aber als ich die Ortsdaten sah, haben bei mir alle Alarmglocken geschrillt“, erinnert er sich am Tag nach dem Großbrand eines landwirtschaftlichen Betriebs im nahegelegenen Ort Hintersee bei Immenstadt. Ein Milchviehbetrieb war mitten in der Nacht, ausgehend vom Techniktrakt, in Brand geraten und stand samt Stall bereits in Vollbrand, als Hierl mit seinem Sohn, 50 Kollegen der drei Löschgruppen der Bühler Wehr und den Einsatzfahrzeugen vor Ort ankam.
Schneller als die ersten Einsatzkräfte waren da bereits einige Berufskollegen aus den benachbarten Orten, die von den Sirenen geweckt dem Betrieb zu Hilfe eilten. „Das sind auch Feuerwehrler, aber die haben keine Sekunde gezögert und haben sich auf dem schnellsten Weg in Zivil auf den Weg zum Hof gemacht“, weiß Hierl aus den ersten Minuten am Brandort. Es galt, das Vieh aus dem Stall zu bekommen. 180 Milchkühe und rund 100 Stück Jungvieh standen im Stall, ehe der Betriebsleiter und seine beiden Söhne mit Unterstützung der Nachbarlandwirte das Vieh zum größten Teil auf die angrenzenden Hangweiden treiben konnten.
„Bei der Menge an Vieh war klar, dass wir uns sofort kümmern mussten“, stellt Hierl klar. Noch während den ersten Löscharbeiten mit über 200 Einsatzkräften wechselte er von seiner Feuerwehr- in die Vorstandsrolle beim Maschinenring Oberallgäu und begann ab 3 Uhr in der Nacht den Abtransport des Viehs zu organisieren und sich um das Wohl der Tiere zu kümmern: „Während der Brandnacht kamen Kälber auf die Welt“, unterstreicht er die Tragweite und erinnert sich an ein noch nasses Kalb, das aus dem Stall gerettet wurde.
"Die haben Großartiges geleistet"
„Um 6 Uhr am Morgen hatte ich den ersten Handyakku leertelefoniert“, sagt er und hatte bis dahin seinen Maschinenring-Geschäftsführer, sämtliche Transportunternehmer und Berufskollegen geweckt. Wenige Stunden nach Brandalarmierung fuhren die ersten Viehlaster und Sattelzüge der Firmen Geier, Röck und Pfanner am Hof vor. „Die haben Großartiges geleistet. Man muss sich klar machen: Die Fahrzeuge stehen nicht einfach in den Unternehmen rum, sondern sind für feste Aufträge gebucht – die haben ihre Planungen über den Haufen geworfen, sich untereinander abgestimmt und kamen, um zu helfen.“
Großartige Arbeit hatten bis dahin auch sämtliche Landwirte geleistet: „Durch die Ortsfeuerwehren waren sehr viele Landwirte da. Um das Vieh abzutransportieren, mussten Kälber, Jungvieh und Kühe getrennt werden.“ Eine enorme Herausforderungen, wie Hierl klarstellt: „Feuer, Rauch, Nebel, Wasser, Blaulicht, alle Herden vermischt – das Vieh war traumatisiert und lief stundenlang an der steilen Hangweide auf und ab. Das zehrt an den Kräften. Es war klar, dass wir schnell reagieren mussten. Ohne die Hilfe der erfahrenen Landwirte wäre das Beruhigen, Sortieren und das Verladen der Tiere gar nicht möglich gewesen.“
Um 11 Uhr waren alle Kühe untergebracht und am Nachmittag bereits gemolken. Auch die Kälber fanden alle Platz: „Die Anteilnahme war überwältigend – ich hab mehr Plätze fürs Vieh angeboten bekommen, als wir gebraucht haben. Als sich rumgesprochen hat, dass ich die Unterbringung des Viehs organisiere, hat mein Handy so oft geklingelt, dass ich noch gar nicht allen antworten konnte. Ich möchte pauschal Danke sagen für die große Solidarität meiner Kollegen“, zeigt sich Hierl beeindruckt. „Aus dem ganzen Landkreis und dem benachbarten Westallgäu bekamen wir Hilfe angeboten. Sie kamen mit Autos und Traktoren mit Hängern, um Tiere abzuholen. Mal hatte jemand Platz für zwei Kälber, mal konnte jemand einen ganzen leerstehenden Stall füllen.“ So auch Christian Geiß aus Kranzegg, der einige Kälber abholte: „Ihm ist letztes Jahr selbst der Stall abgebrannt, er kennt es aus eigener Erfahrung und wollte deshalb unbedingt helfen“, weiß Hierl.
Urlaub storniert und Vieh eingestallt
Ebenso eindrucksvoll empfand der Maschinenring-Vorstand die Hilfe von Uli Hasler aus Immenstadt: „Er hat zuletzt seinen Betrieb aufgegeben und hatte für den Tag des Brandes die Abreise in den Urlaub geplant. Er hat alles storniert, das Wasser im Stall wieder aufgedreht und bleibt daheim, um sich um einen ganzen Stall voll Jungvieh zu kümmern.“ Parallel kümmerten und kümmern sich Veterinäre um die Tiere, die mit dem Feuer in Kontakt waren und separiert auf Betrieben behandelt werden.
Ein glücklicher Umstand rund um den Brand sei es laut Hierl gewesen, dass die Feuerwehr vor zwei Jahren einen Großeinsatz auf dem Betrieb bereits geübt und die Prioritäten durchgesprochen hatte: „Das hat uns auf jeden Fall geholfen – speziell, was die schnelle Rettung der Tiere angeht.“ Gerettet werden konnte indes auch das Stallbüro: An Tag 2 nach dem Brand stellte sich heraus, dass das Büro dank geschlossener Tür dem Feuer Stand halten konnte und somit ein Großteil der Daten und Unterlagen der Herde zur Bestandsführung zur Verfügung steht.
"Vergelts Gott" an jeden Helfer
„Für Notfälle wie einen solchen Brand greift unser Maschinenring-Netzwerk hervorragend. Das ist unsere Aufgabe als Selbsthilfeorganisation, dafür sind Bauern bei uns Mitglied“, weiß Hierl den Verbund zu schätzen. „Auch wenn man unter dem Jahr mal andere Ansichten hat: Wenn es sein muss, dann stehen wir Landwirte zusammen, weil jeder weiß, was ein solches Unglück für einen selbst bedeuten würde.“ Im Namen der Familie Alger ein herzliches „Vergelts Gott“ für jede angebotene und geleistete Hilfe in welcher Form auch immer. Es ist überwältigend und gibt die nötige Kraft nach vorn zu blicken.