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Bestandgefährdung

Teichwirtschaft: „Das macht bald keinen Sinn mehr“

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Gerd Kreibich Portrait
Gerd Kreibich
am Dienstag, 29.09.2020 - 08:13

Runder Tisch: Oberpfälzer Teichwirte leiden extrem unter dem Fischotter. Das Kulturerbe droht zugrunde zu gehen.

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Die Situation bleibt eine Herausforderung, viele Nordoberpfälzer Teichwirte sind in ihrer Existenz bedroht – so könnte die Situation der Teichwirtschaft in der Oberpfalz aktuell auf den Punkt gebracht werden. Mehr als 4700 Teiche zählt der Landkreis Tirschenreuth, sie prägen das Bild der Kulturlandschaft, tragen maßgeblich zum Erhalt der Artenvielfalt bei und sind ein wichtiger Teil der regionalen Identität – dies belegt auch die Aufnahme der traditionellen Karpfenteichwirtschaft in die Liste der Immateriellen Kulturgüter des Freistaats Bayern im April 2020.

Und doch herrscht unter den Teichwirten immer mehr ein Gefühl der Ohnmacht. Grund für den Ärger ist der Fischotter. Der streng geschützte Räuber breitet sich in Bayern, und insbesondere in der Oberpfalz, weiter aus und zwingt durch Schäden in den Fischbeständen mehr und mehr Teichwirte dazu, aufzugeben und die oft schon vor Jahrhunderten angelegten Gewässer nicht mehr für die Fischproduktion zu nutzen.

Ein altes Kulturerbe gerät bereits in echte Gefahr

Ein Forum für die Sorgen und Nöte der betroffenen Teichwirte sollte jetzt der Runde Tisch bieten, der auf Initiative von Regierungspräsident Axel Bartelt und Tirschenreuths Landrat Roland Grillmeier zum sechsten Mal am Landratsamt Tirschenreuth stattfand. Mit der Frage, wie Teichwirte in der schwierigen Situation unterstützt werden können, beschäftigen sich auch MdL Tobias Reiß, Alfred Stier, stellvertretender Präsident des Landesfischereiverbands, Ely Eibisch, stellvertretender Bezirkspräsident und Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, Alexander Horn, Fischotterberater für die nördliche Oberpfalz, Kormoranbeauftragter Tobias Küblböck, Thomas Kurzeck, Projektleiter der Waldnaabaue, Jacob Keller, Ranger des Landkreises, sowie betroffene Teichwirte.

Es werden bereits Teiche stillgelegt

Teichwirt Alfred Stier beschrieb die Lage mit eindringlichen Worten: „Drei Teichanlagen im Landkreis Tirschenreuth habe ich wegen der Fischotterproblematik bereits aufgegeben“, stellte er klar und fügte hinzu: „Für die Teichwirte ist die Lage mehr als existenzbedrohend, für einige macht der Erhalt der Teichanlagen, auch trotz der bereitgestellten finanziellen Entschädigungen, keinen Sinn mehr.“
Ein Blick auf die Zahl der Entschädigungszahlungen bestätigt diese Aussage und zeigt für den Regierungsbezirk Oberpfalz im Vergleich zum Rest des Freistaats anschaulich eine überproportionale Entwicklung:

Schadenszahlen steigen bereits in Rekordhöhen

Lagen die gemeldeten Schäden Im Jahr 2016 noch bei gut 200 000 Euro (Bayern: 280 000 €), lag die Summe 2018 bereits bei 570 000 € (Bayern: rund 1 Million €), was eine Steigerung um mehr als 185 Prozent bedeutet.
Die ersten Schritte, um die Situation der Teichwirte zu verbessern, sind zwar gemacht: Zur Eindämmung fischereiwirtschaftlicher Schäden wurde seitens der Bayerischen Staatsregierung mit Landtagsbeschluss vom April 2018 ein Pilotprojekt zur Entnahme einzelner Fischotter zum Schutz der Oberpfälzer Teichwirtschaft geschaffen. Gegen die in diesem Rahmen von der Regierung der Oberpfalz als zuständiger Behörde erteilten artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen als zur Entnahme von zwei männlichen Fischottern pro Teichanlage als „letzte Möglichkeit“ hatten der Bund Naturschutz und die Aktion Fischotterschutz e. V. im April bzw. Juni 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage eingereicht. „Mit der aufschiebenden Wirkung dieser Klagen ist eine weitere Umsetzung des Pilotprojekts derzeit, während der Klageverfahren bis zum Urteil des Gerichts, nicht möglich, damit bleiben auch die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt weiterhin abzuwarten“, betonte Regierungspräsident Bartelt.

Kameras sollen jetzt Erkenntnisse liefern

Gehandelt werden soll trotzdem: Begleitend zum Kamera-Monitoring, welches die Landesanstalt für Landwirtschaft im Rahmen des Pilotprojekts an den drei ausgewählten Teichanlagen bereits seit diesem Sommer durchführt, will der Landkreis Tirschenreuth landkreisweit Teichanlagen mit Kameras beobachten lassen. Ziel ist neben der Beobachtung der weiteren Entwicklung der Fischotterverbreitung ein genereller Überblick über alle Tierarten, die sich in und um Teichanlagen herum aufhalten und bewegen.
Neben dem Fischotter breiten sich nach Beobachtung von Jägern und Teichwirten insbesondere Mink, Marderhund und Waschbär zunehmend aus, was sich negativ auf Amphibien und die Vogelwelt auswirke. Die Teilnehmern des Runden Tisches begrüßten dieses Vorhaben des Landkreises ausdrücklich. Landrat Grillmeier unterstrich: „Wir sind bereit zu handeln und einen Beitrag zu leisten, das Monitoring voranzubringen, aber es müssen auch die Fachstellen und das Ministerium handeln.“

Beim Kormoran zeigt das Management Erfolge

Eine, wie der Runde Tisch feststellte, für die Oberpfälzer Teichwirtschaft und deren Fischbestände vorsichtig positive Entwicklung verzeichnet sich beim Kormoran-Management, in dessen Rahmen unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen der Abschuss von Kormoranen u.a. per Allgemeinverfügung der Regierung der Oberpfalz bereits seit 2010 möglich ist. Im Jahr 2018 wurde die Geltungsdauer der Allgemeinverfügung, deren Maßnahmenkatalog insbesondere auch die Neugründung von Brutkolonien verhindern soll, bis ins Jahr 2027 verlängert.
Starke Einschränkungen für den Abschuss bestehen davon abgesehen jedoch zum Beispiel in Vogelschutzgebieten wie der Waldnaabaue westlich von Tirschenreuth.
Wie hier im Hinblick auf das ökologische Gleichgewicht, insbesondere in Bezug auf invasive Arten wie Mink oder Waschbär, gehandelt werden könne, das soll – so der Beschluss des Runden Tisches – bei einem Vor-Ort-Termin erörtert werden, zu dem auch die Naturschutzverbände eingeladen werden sollen.