Eine dunkle Wolkenfront kündigte am späten Nachmittag ein Gewitter an. Doch dass es so schwer wüten würde, ahnte am Montag vergangener Woche niemand. Neben Regen, den sich die Landwirte in der Region durchaus wünschten, waren Hagelkörner und Sturmböen mit im Gepäck. Das Sturmtief Ophelia traf in Oberbayern einen Streifen vom östlichen Landkreis Pfaffenhofen bis weit hinein in den Landkreis Freising. Das Ergebnis: Windwurf in Waldflächen, komplett zerlegte Mais- und Getreidefelder und Riesenschäden auch beim Hopfen in der Hallertau.
Hektarweise verwüstete Hopfengärten
Schon kurz nach dem Sturm trommelte Josef Wimmer aus Neuhub bei Osseltshausen (Landkreis Freising) seine Kollegen zusammen. Wimmer ist Hagelschätzer und Schadenseinsatzleiter bei der Allianz Agrar und selbst Geschädigter. Er baut auf 32 ha Hopfen an. Davon sind nach erster eigener Prognose lediglich 5 ha heil geblieben. Auf 10 ha vermutet Wimmer nahezu Totalschaden. Beim Rest sind vermutlich zwischen 40 – 60 % geschädigt. Für ihn bedeutet das einen Schaden von 250 000 – 300 000 €. „Wenn ich nicht versichert wäre, wäre das existenzbedrohend.“
Die kommenden Wochen werden zeigen, wie schwer es die Hallertau insgesamt getroffen hat. Zum Auftakt der Schadensregulierung bei Wimmer auf dem Holzhof in Osseltshausen kamen am Donnerstag fünf weitere Schadensschätzer und Martin Heiß, der Leiter der Schadensabteilung der Allianz Agrar, zusammen. An die zwölf Zweierteams, die regelmäßig durchwechseln, werden nun mindestens zwei Wochen unterwegs sein, um alle Schäden aufzunehmen.
Rund 1500 ha Hopfen sind laut Adolf Schapfl, Präsident des Hallertauer und Deutschen Hopfenpflanzerverbands, beschädigt. Ein Drittel davon so extrem, dass kein Ertrag mehr zu erwarten ist. Ob das Auswirkungen auf den Hopfenmarkt haben wird, bleibt noch abzuwarten, sagt Schapfl auf Wochenblatt-Nachfrage.„Bei einer schlechten Ernte könnte das durchaus der Fall sein“, so seine Einschätzung.
Solche Ereignisse treffen die Hallertau, das weltgrößte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet, immer wieder. Zuletzt erst im Mai. Nach dem Hopfenanleiten schädigte Hagel im Frühjahr 700 – 800 ha. Südbayern ist grundsätzlich stark gefährdet. Eine Hagelversicherung sei daher seit rund 20 Jahren „Standard bei den Hopfenbauern“, sagt Versicherungsfachmann Martin Heiß. Rund 20 % seien darüber hinaus gegen Sturmschäden versichert, zum Beispiel durch abgerissene Anleitdrähte, einige zudem einschließlich der Gerüstanlagen.
Eine finanzielle Belastung und auch eine mentale
Heiß rechnet damit, dass die Prämien der Versicherten für künftige Ereignisse nicht mehr ausreichen werden. Die Klimaerwärmung führe zu häufigeren und intensiveren Unwettern mit entsprechenden Schäden. „Deshalb müssen die Beiträge langfristig steigen“, glaubt er. Aus seiner Sicht ist eine staatliche Unterstützung nötig, da sonst irgendwann der Hopfenbau nicht mehr rentabel ist.
Noch die beste Versicherung kann aber nicht den ganzen wirtschaftlichen Schaden abdecken. Und: „Neben der finanziellen Belastung kommt auch die mentale hinzu“, weiß Hopfenpräsident Alfons Schapfl. Die Schätzer, die dieser Tage in der Hallertau unterwegs sind, kennen das: Sie sind zum Großteil selbst Hallertauer Hopfenbauern oder aber Hopfen-Austragler mit Expertenblick.
Mit Satellitentechnik zur Schadenssumme
Nach jahrelanger Tätigkeit bringen die Schätzer Erfahrung mit und können die Schäden schnell und sorgfältig einschätzen. Bei der Besichtigung der Schadflächen ist jedes Team mit einem Tablet ausgestattet. Zuerst verschafft sich der Schätzer einen Gesamtüberblick, wobei auch das Entwicklungsstadium der Pflanzen eine Rolle spielt.
Dann wird mit Satelliten-Unterstützung ein Zählpunkt ausgesucht, ein repräsentativer Abschnitt. Bei differenzierten Schadbildern können das auch mehrere sein. Von hier aus werden zehn Hopfenreben bewertet und ein Durchschnitt aus deren Werten gebildet. Schadbilder bei der Begutachtung reichen von Kopfabschlag über Blatt- und Seitenarmabschlag, Rebenanschlag bis hin zum Totalschaden. Die Werte gehen per Tablet direkt an die Versicherung.
Am Ende der Saison, vor der Ernte, kommen die Schadensschätzer noch einmal zur Endabschätzung. Dabei sucht der Schätzer exakt die gleichen Zählpunkte im Hopfengarten auf und beurteilt den Bestand zur Feststellung des endgültigen Schadens. „Denn der Hopfen kann sich ja bis zum Hopfenzupfen noch einmal zusammenwachsen“, erklärt Martin Heiß. Bei heißer und trockener Witterung könne aber auch genau das Gegenteil passieren und der Hopfen stehe noch schlechter da als vorher.
In der Regel versichern die Hopfenbauern ihre Bestände gegen Hagel zu 5000 – 25 000 € pro ha und zahlen dafür 4 – 10 % der Versicherungssumme, je nach Gemeinde und deren Schadenshistorie. Versichert ist immer der mengenmäßige Ertragsausfall. Dieses Jahr aber spielen die Märkte so verrückt, dass sogar Landwirte, die ihre Hektarwerte im Frühjahr bei der Versicherung erhöht haben, unterversichert sein können. Wenn etwa der Getreidepreis weit höher stieg als je gedacht, nämlich aktuell um 100 %. Auch Mais legte der Gewittersturm hektarweise um. Die Hopfenbauern hingegen haben längerfristige Kontrakte. „Die Preise sind bei uns auf fünf Jahre fix“, sagt Josef Wimmer. Mit rund 15 000 € pro ha ist er ungefähr wie der Durchschnitt der Hopfenbetriebe versichert. „Nicht unter- aber auch nicht überversichert“, sagt er.
Sparfüchse trifft es besonders hart
Dennoch werde es Betriebe geben, die Probleme bekommen, meint Wimmer. „Die Beiträge sind hoch. Wenn da einer ein Sparfuchs war... .“ Zusammen mit den explodierenden Betriebsmittelkosten, können betroffene Landwirte schnell in ernste finanzielle Schieflage geraten.
Wer meint, Landwirt Wimmer kann sich nun ausruhen und sich Arbeit im Hopfen sparen, liegt falsch. Bei Befahrbarkeit der Böden ist eine sofortige Pflanzenschutz-Anwendung gegen Peronospora und Mehltau notwendig. „Unverzichtbar, denn die Pflanzen sind angeschlagen und bieten offene Eintrittspforten für Pilzkrankheiten“, erklärt Wimmer. Die Spritzung erfolgt 2 bis 3 mal im wöchentlichen Abstand. Mit möglichen Ertragseinbußen rechnet er im Folgejahr dennoch.
Wimmer hat es heuer nun schon zum zweiten Mal erwischt. „Wir liegen halt in einem eher gefährdeten Gebiet“, sagt er. Den Kopf in den Sand stecken, kommt für ihn nicht in Frage. „Es ist natürlich bitter, aber es hilft alles nichts.“ Im Herbst will er als Pilotbetrieb eine Agri-PV-Anlage im Hopfengarten installieren, immer noch. Oder jetzt erst recht? „Wäre die schon drauf gewesen“, meint er, „wäre wahrscheinlich nichts passiert“.