Straßkirchen/Lks. Straubing-Bogen - Wohnortnahe Arbeitsplätze und ein möglicher kräftiger Schub bei der Gewerbesteuer: Von politischer Seite in den beiden Gemeinden Straßkirchen und Irlbach wäre das neue BMW-Werk für Hochvoltbatterien, das der Automobilkonzern 2026 eröffnet will, mehrheitlich gewünscht und gewollt. Die beiden Gemeinden im Landkreis Straubing-Bogen sollen laut gut unterrichteter Kreise in der finalen Auswahl als Standort, ohne dass jedoch endgültig eine offizielle Bestätigung von BMW und aus den Rathäusern erfolgt ist und die Verträge unterschrieben worden sind.
Das hat auch ein Mitglied der bayerischen Staatsregierung kürzlich verlauten lassen. Nicht bei allen Bürgern kommen die Pläne gut an. Es regt sich Widerstand und die Bürgerinitiative „Lebenswerter Gäuboden“ hat sich gegründet. Die Argumentation: Der gerade im Gäuboden wertvolle Ackerboden soll nicht als Grund und Boden für ein BMW-Werk verloren gehen. Mit dabei sind deshalb auch zahlreiche Landwirte.
Gemeinderatssitzung mit Trillerpfeiffen vor dem Fenster
Es war eine ganz besondere Gemeinderatssitzung, anberaumt im Landratsamt Straubing-Bogen für die Gemeinden Straßkirchen und Irlbach, bei der die Gemeinderäte auch von BMW-Vertretern und den Gemeindechefs informiert werden sollen, und draußen, vor den Fenstern des Sitzungssaals, ging es hoch her. Wütende Bürger pusten in Trillerpfeifen und bedienen laute Ratschen, sie halten Transparente mit Sprüchen gegen die BMW-Ansiedelung in die Höhe und rufen immer dann, wenn so mancher Gemeinderat durchaus etwas verschüchtert ins Gebäude huscht: „Wir zählen auf euch.“
Ein Traktor hebt mit seinem Frontlader ein Plakat in die Höhe mit den Worten „Erst wenn der letzte Quadratmeter Ackerboden versiegelt ist, werdet ihr feststellen, dass BMW euch nicht ernähren kann.“ Mahnend blinken Traktorlichter in der Dunkelheit vor dem Eingang des Landratsamtes. Rund 60 Bürger aus Straßkirchen, Irlbach und den umliegenden Landkreisen Dingolfing-Landau und Deggendorf sind gekommen, um ihrem Unmut laut Luft zu machen.
Region ist gespalten
Ein BMW-Standort in zwei kleinen, ländlichen Gemeinden, müsste da nicht eigentlich jeder „Juhu“ rufen? Wirtschaft sichert Wohlstand, aber Landwirtschaft sichert die Nahrungsmittel im Land. Der Ackerboden des Gäubodens gilt als besonders fruchtbar. Ein offizieller Gemeindevertreter sagte dazu: „Vor 20 Jahren hätten die Menschen ein Fest gefeiert, wenn sie BMW-Standort geworden wären. Heute ist es komplett anders.“
Die Region, sie ist gespalten. Vonseiten des Landkreises würde man eine Ansiedelung befürworten, wie Landratssprecher Tobias Welck bestätigt. Aber auch, wenn diejenigen, die am lautesten schreien, nicht immer in der Mehrzahl sind: Die neu gegründete Bürgerinitiative tritt im Moment geschlossen auf und ist nicht gewillt, schon die Flinte ins Korn zu werfen. „Wir sind guter Hoffnung, weil wir gehört haben, dass noch nichts unterschrieben ist“, erklärt Paul Kerl, einer der Sprecher der Initiative und zeigt auf das Grundstück, das sich nach seinen Informationen von Straßkirchen in Richtung Altenbuch erstreckt und zu großen Teilen einem einzigen Grundstückseigentümer gehören soll.
Protest kommt aus dem betroffenen Gebiet

Die Demonstranten, die sich im Widerstand organisiert haben, kommen aus Straubing-Bogen und auch aus den angrenzenden Landkreisen Dingolfing-Landau und Deggendorf. „Wir wollen, dass unser guter Gäuboden nicht durch BMW zerstört wird. Wir brauchen diesen Boden für unsere Nahrungsmittelproduktion“, erklärt die Straßkirchenerin Ilona Fedeneder. Paul Kerl sagt, die Demo vor dem Landratsamt sei spontan organisiert worden: „Wir versuchen, unsere Bedenken darzustellen.“ Diese Bedenken betreffen ihm zufolge Emissionen in jeglicher Form, den großen Bodenverbrauch in bester Lage, ein steigender Wasserbedarf des Werkes womöglich zulasten des Grundwassers und eine enorme Steigerung des Grundlastverkehrs.
Offiziell wisse man wenig, bekrittelt die Bürgerinitiative, „aber manches sickert dann doch durch.“ Bis zur Infoveranstaltung haben den Aktivisten zufolge die Gemeinderäte „fast gar nichts gewusst.“ Die Bürgerinitiative befürchtet: „Es bleibt nicht bei dieser Fläche, das Ganze wird wachsen.“ Angst haben die Verantwortlichen auch davor, dass Wohnen in den beiden Gemeinden nicht mehr für die Kinder und Enkel erschwinglich sein wird, weil die Grundpreise nach oben schnellen. „Wir kämpfen für unseren Boden und unser Dorf“, machen die Mitglieder der Bürgerinitiative klar.
Bei BMW reagiert man gelassen
Bei BMW reagiert man gelassen auf den Protest: „Die Gründung der Bürgerinitiative in Straßkirchen ist uns bekannt“, bestätigt Konzernsprecher Christian Marxt. Die Standortsuche folge dem üblichen Prozess. Es werde zunächst der Markt sondiert, Grundstücke auf ihre Eignung geprüft und Gespräche mit den Eigentümern und parallel auch mit politischen Verantwortungsträgern geführt. „Nach einer Entscheidung für einen Standort und sobald die Verträge unterschrieben sind, werden wir umfassend informieren. Dann beginnt der eigentliche behördliche Genehmigungsprozess mit Aufstellung Flächennutzungsplan, Bebauungsplan etc., der dann auch unter ausführlicher Teilhabe der Öffentlichkeit stattfinden wird.
Hier haben verschiedene Interessensgruppen die Möglichkeit, etwaige Vorbehalte oder Gedanken einzubringen. Wir sind dafür sehr offen und auch dankbar“, macht Marxt klar und schickt hinterher: „Die BMW Group ist ein langjähriger verlässlicher und starker Partner zahlreicher Kommunen – gerade auch in Niederbayern. Wir haben den Anspruch, bei der Ausgestaltung des neuen Standorts ökologischen und gesellschaftlichen Belangen bestmöglich Rechnung zu tragen.“
Mindestens 50 Hektar bis über 100 Hektar großes Industriegrundstück benötigt
Der Hintergrund zu dem neu entstehenden Werk: Auf dem Weg zur weiteren Elektrifizierung der Fahrzeugflotte wird BMW laut dem Sprecher ab 2025 die Fahrzeuge der neuen Klasse produzieren. „Um die Produktion der dafür erforderlichen Hochvoltbatterien zu ermöglichen und die Versorgung der Fahrzeugwerke sicherzustellen, benötigen wir ein mindestens 50 Hektar bis über 100 Hektar großes Industriegrundstück als möglichen Produktions- und Versorgungsstandort in Bayern“, so der Sprecher. „Wir sind mit der Standortsuche auf der Zielgeraden und führen letzte Gespräche. Noch sind aber keine finalen Vereinbarungen erzielt bzw. Verträge unterzeichnet.“ Deshalb wolle sich der Konzern auch noch nicht zu möglichen Standorten äußern.
Geht es nach der Bürgerinitiative „Lebenswerter Gäuboden“, soll dieser Standort nicht Straßkirchen und Irlbach sein. Doch es gibt auch andere Stimmen, die sich über 1000 Arbeitsplätze freuen würden und auch eine Chance sehen, dass die langersehnte Ortsumgehung für Straßkirchen beschleunigt kommen könnte. Der Standort soll laut BMW im ersten Quartal 2023 bekanntgegeben werden.