Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Tiergesundheit

Mehr Sicherheit für Kälber

Kälber_b3
Melanie Bäumel-Schachtner
am Freitag, 27.11.2020 - 13:52

Regensburg: Start-Up-Unternehmen entwickelt neue Technik zur Überwachung.

Kälber_b1

Kälber sind in ihren ersten Lebenswochen besonders anfällig für Krankheiten. Nabelentzündung und Durchfall, Lungenerkrankungen oder Gelenkprobleme treten nicht selten auf. Auch wenn der Landwirt stets das Wohl seiner Tiere im Blick hat, kann er dennoch nicht den ganzen Tag und vor allem nicht nachts nach den Kälbern sehen. Hier setzt Futuro Farming an. Das Start-Up-Unternehmen aus Regensburg hat ein Frühwarnsystem für Kälberkrankheiten entwickelt, das helfen soll, die Sterblichkeit der jungen Tiere zu verringern, da Probleme laut Firmengründer bis zu drei Tage früher erkannt und behandelt werden können. Im Februar soll das neue System auf den Markt kommen und weltweit für Furore sorgen, geht es nach dem Willen der Gründer.

Die Idee kam bei Besuchen im Stall

Kälber_b2

Diese stammen alle aus der Universität Regensburg und der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) und arbeiten seit zweieinhalb Jahren zusammen an dem neuartigen System. Die Gründer sind Betriebswirtschaftler und Biologen, Informatiker und Ingenieure.

Den Stein ins Rollen brachte Firmenmitbegründer Patrick Zimmer, der auf dem Dorf aufwuchs und dessen Schulfreundin einen großen Milchviehbetrieb daheim hat. Diese machte ihn bei einem seiner Besuche auf das Problem Kälbersterben aufmerksam. Zimmer holte weitere Mitstreiter ins Boot, und nach einer Umfrage auch auf vielen anderen Betrieben kam heraus: Kälberkrankheiten stellen tatsächlich ein großes Problem dar. Sie kosten etwa im Schnitt zehn Prozent der Tiere das Leben.

„Höfe sind Familienbetriebe, und wenn ein Tier stirbt, macht sich ein jeder Vorwürfe“, sind sich die Geschäftsführer von Futuro Farming, Alexander Zacharuk und Jens Eckberg, sicher. Zudem entstehe finanzieller Schaden. Und auch, wenn das Tier gerettet werden kann – liegt eine Vorerkrankung vor, ist es später vielleicht auch weniger leistungsfähig. Das Team beschloss, eine Lösung zu finden, und arbeitete fast drei Jahre daran. „Wir haben oft die Gummistiefel angezogen und waren im Stall“, sagen Zacharuk und Eckberg. Sie wurden im Verlauf der letzten Jahre fast schon zwangsläufig zu Kälberexperten. Nun ist das Produkt fertig zertifiziert und zugelassen und soll im Februar auf den Markt kommen. Da das Problem länderübergreifend besteht, gehen die beiden Geschäftsführer und ihre Mitstreiter davon aus, dass sich das Produkt weltweit durchsetzen könnte – dies ist zumindest das Ziel.

Für jedes Kälbchen ein eigener Sensor montiert

Folgendes Konzept steht dahinter: In jeder Kälberbox wird ein Sensor angebracht. Dabei handelt es sich um ein kleines, schwarzes Kästchen, das permanent die Parameter des Kalbes aufzeichnet: Frisst es, bewegt es sich, schläft es, weicht es von der Norm ab? Rund um die Uhr wird das Tier so „beobachtet“. Die Informationen werden gesammelt, verwertet und per App aufs Handy des Landwirts geschickt. Diese App ist aufgebaut wie eine Ampel. Eine grüne Anzeige heißt, dass beim Kalb alles okay ist, es ist gesund. Bei Gelb ist das Tier zu beobachten – bahnt sich eine Erkrankung an? Ist das Immunsystem geschwächt? Und bei Rot muss gehandelt werden, in den meisten Fällen durch den Tierarzt.

System wird bereits erfolgreich getestet

Das System ist auf vielen Höfen verschiedener Größe schon auf seine Wirksamkeit getestet worden, erzählen die Geschäftsführer: „Die Rückmeldungen dazu waren sehr positiv.“ So sei ein überaus skeptischer Landwirt, der auf seinem Hof die Fäden fest in der Hand hielt, dessen Kinder aber Futuro Farming testen wollten, überzeugt worden. „Als die App anschlug und Rot zeigte, untersuchte er das Kälbchen gründlich und konnte nichts finden und sagte daher, das alles sei ein Schmarrn.
Doch plötzlich merkte er, dass der Nabel des Tieres verhärtet war – es hatte eine Nabelentzündung und musste behandelt werden“, so die Geschäftsführer. „Danach war dieser Landwirt davon begeistert.“ Ein Sensor kostet in der Anschaffung 150 Euro und kann natürlich für jedes Folgekalb verwendet werden.
Noch immer werden Testbetriebe gesucht, die Futuro Farming ausprobieren wollen. Heimat haben die Firmengründer im Regensburger Gründer-Innovationszentrum Techbase gefunden. Das Unternehmen wird auch vom Bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert. Es hat aus dem Programm „Start? Zuschuss“ als einziges Start-Up in der Oberpfalz eine Förderung von 36 000 € erhalten.