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Parteien

Was fehlt, ist der Dialog

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Gabriele Eichl
am Montag, 02.03.2020 - 13:26

Oberpfälzer Landwirte im Gespräch mit SPD-Generalsekretär

Püchersreuth/Lks. Neustadt/WN Nach gut zwei Stunden sind die drängendsten Probleme gerade einmal angerissen. Aber die Bauernvertreter äußern sich froh darüber, wenigstens diskutiert zu haben. Denn das vermissen sie, so heißt es: das Gespräch mit ihnen, nicht über sie.
Das Dilemma offenbart sich in einem Gespräch zwischen Vertretern der Kreisverbände Neustadt/WN und Tirschenreuth des BBV mit dem Generalsekretär der bayerischen SPD, MdB Uli Grötsch, im Püchersreuther Hotel Igel: Die Bauernschaft hat eigenem Bekunden nach das Gefühl, dass zu wenig sachlich und vor allem auch fachlich kompetent mit ihr diskutiert wird. Auch die überwiegend jungen Vertreter der im Oktober entstandenen Bewegung „Land schafft Verbindung“ (LSV) beklagen den fehlenden Dialog. Der Neustädter Kreisobmann Josef Fütterer schlägt vor, auf Kreisebene Gespräche mit Vertretern kritischer Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu führen.

Was auf den Nägeln brennt

Es geht um die Verschärfung der Düngeverordnung, um eine fehlende Herkunftskennzeichnung, um das Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, um Anbindehaltung und Ferkelkastration; kaum ist ein Thema auch nur schlaglichtartig beleuchtet, wird das nächste in die Diskussion geworfen. Der SPD-Abgeordnete hört in erster Linie zu, bekennt, dass er kein Fachmann auf diesem Gebiet sei, versichert jedoch, alle Themen mit nach Berlin zu nehmen.

An vielen Beispielen, die die Vertreter der Bauernschaft schildern, wird deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Umsetzung von Vorgaben in der Praxis behaftet ist. Da ist zum Beispiel die geforderte Kombihaltung von Milchkühen, die bisher ganzjährig angebunden waren. An mindestens 120 Tagen im Jahr sollen die Rinder Bewegung bekommen, etwa durch den Austrieb ins Freiland. Fütterer erzählt von dem Bauern, der seine Kühe morgens auf die Weide getrieben, abends nach Hause geholt hat. Dazu seien Helfer notwendig gewesen, am Ende sei es im Dorf zum Streit über die verschmutzten Straßen gekommen. Diese Helfer könne heute niemand mehr aufbieten, vielfach habe man keine Fläche für eine Weidehaltung. Ein junger Anbindehalter mit kleinem Betrieb meint: „Will man uns denn überhaupt noch haben? Oder soll ich gleich zusperren?“ Auch der Bau eines neuen Laufstalls scheint keine Garantie dafür zu sein, nicht länger mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Christian Weiß aus Windischeschenbach hat, wie er sagt, vor drei Jahren einen neuen Stall nach damals höchstem Standard gebaut; heute - drei Jahre später - rangiere sein Stall in der zweitschlechtesten Kategorie. „Da fehlte jede Planungssicherheit“, sagt der stellvertretende Bezirkspräsident des BBV, Ely Eibisch. Laut Fütterer therapiert das Bezirksklinikum Wöllershof in erster Linie zwei Berufsgruppen nach einem diagnostizierten Burnout: Lehrer und Bauern.

Regionale Erzeugung zählt

Thema Herkunftsnachweis: Eibisch fordert, der Verbraucher müsse klar erkennen können, woher ein Produkt stamme. Erst dann könne er eine Wahl treffen zwischen dem Steak aus Südamerika, für das unter Umständen auch noch Wald gerodet wurde, und einem nach den hohen deutschen Standards produzierten.

Der junge Ferkelerzeuger Stefan Adam, ein LSV-Vertreter, erklärt, die Bauernschaft demonstriere nicht grundsätzlich gegen neue Verordnungen, es gehe ihr vielmehr um eine gemeinsame kompetente Aufarbeitung der Themen.
Der Weidener BBV-Geschäftsführer Hans Winter sagt, wenn es in der AfD keine Nazis gäbe, „wir hätten einen Tsunami an Bauern in der Partei“. Uli Grötsch erwidert: „Die AfD wird Ihnen genau das sagen, was Sie hören wollen.“