
Österreichs Bauern können auf ein weiteres Hilfspaket hoffen. Das ließ Bundeslandwirtschaftsminister Norbert Totschnig beim agrarpolitischen Herbstauftakt des Bauernbunds durchblicken. Damit sollen Bauern von den hohen Energiekosten auf den Höfen entlastet werden.
„Derzeit sind wir noch in Verhandlungen“, so Totschnig. Deshalb wollte er keine Details nennen. Bereits die beschlossene Strompreisbremse für Privathaushalte entlaste die Bauern im Schnitt um 500 € im Jahr, versuchte Totschnig zu beruhigen. Zusätzlich könnten Landwirte bei Haushalten mit mehr als 3 Personen ein zusätzliches Kontingent für die Strompreisvergünstigung beantragen. Die Preisbremse soll ab 1. Dezember greifen.
Höhere Pauschalierungsgrenzen
Mitgebracht hatte der ÖVP-Agrarminister eine Bürokratieentlastung für Bäuerinnen und Bauern im Steuer- und Abgabensystem, um den Verwaltungsaufwand am Hof zu reduzieren. So werden die steuerlichen Grenzen in der Pauschalierungsverordnung für die Land- und Forstwirtschaft zum ersten Mal seit Einführen des Euros im Jahr 2002 an die Inflation angepasst.
Nach erfolgreichen Verhandlungen des Landwirtschaftsministeriums mit dem Finanzministerium erhöht sich die Umsatzgrenze von 400.000 € auf 600.000 €. Die Einheitswert-Grenze für die Teilpauschalierung erhöht sich um 35.000 € auf 165.000 Euro = Verwaltungsvereinfachung. Gleichzeitig wird Einnahmengrenze für landwirtschaftliche Nebentätigkeiten von 40.000 € auf 45.000 € angehoben.
Ab Oktober soll Agrarreform fix sein
Gut unterwegs sieht sich Totschnig bei der Umsetzung der EU-Agrarreform. Im September erwartet er grünes Licht aus Brüssel. Zu den ersten EU-Ländern, denen Brüssel den Strategieplan genehmigt hat, zählt Österreich damit nicht, obwohl das Ministerium den Plan fristgerecht Ende 2021 nach Brüssel geschickt hat. In sieben EU-Ländern haben indes Landwirte bereits Planungssicherheit bei der Agrarreform. Laut Totschnig wurden aber bis Ende Juli alle Fragen mit der EU-Kommission geklärt, so dass nach der Brüsseler Sommerpause die Genehmigung erfolgen könne.
Tour für Versorgungssicherung geplant
Gleichzeitig hat das Ministerium bereits Anfang September die entsprechende Anwendungs-Verordnung in Begutachtung gegeben, damit sie im Oktober in Kraft treten kann. Jetzt geht es laut Totschnig darum, die bäuerlichen Familienbetriebe von diesem Weg zu überzeugen. „Darum starte ich eine Versorgungssicherungstour durch ganz Österreich, um den Bäuerinnen und Bauern das ausgewogene Programm näherzubringen und die Chancen aufzuzeigen“, so Totschnig. „Die neue GAP bringt Stabilität und Orientierung für die nächsten fünf Jahre. So erreichen wir Planungssicherheit für Versorgungssicherheit“, ist der Landwirtschaftsminister überzeugt.
Zeitenwende für Landwirte
„Unsere Landwirtschaft befindet sich in einer Zeitenwende und damit auch die Agrarpolitik“, fasste Bauernbund-Präsident Georg Strasser zusammen. Aus seiner Sicht ist die Versorgung in Österreich mit ausreichend Lebensmitteln zwar gesichert, aber Bauchschmerzen bereitet, dass immer mehr Konsumenten aufgrund steigender Lebensmittelpreise zu billigen Produkten aus dem Ausland greifen. Vor allem beim Puten- und Tierwohlfleisch ist das der Fall, stellte er zusammen mit Österreichs Kammerpräsident Josef Moosbrugger fest.
Deshalb sinken die Absätze heimischer Qualitätslebensmittel und der Dschungel an Handels-Eigenmarken wachse weiter, so Strasser. „Wenn wir auch in Zukunft gut durch Krisen kommen wollen, müssen wir den Absatz regionaler Lebensmittel erhöhen. Hier nimmt der Handel eine zentrale Rolle ein“, nimmt der Bauernbund-Präsident die Supermärkte in die Pflicht. Zwar kündigte Strasser an, die Marktstörung bearbeite zu wollen, ließ aber offen, wie er das bewerkstelligen will.
Einig war er sich mit dem Agrarminister, dass der Strompreis vom Gaspreis abgekoppelt werden muss. Beide erwarten sich daher von den EU-Energieministern schnelle Lösungen. Diese treffen sich an diesem Freitag (9.9.), um unter anderem über das Problem zu beraten.
Zwei Drittel achten mehr auf den Preis
Ernüchternde Zahlen zum Kaufverhalten der Konsumenten in der aktuellen Krise präsentierte indes Österreichs Kammerpräsident Josef Moosbrugger, Laut LKÖ-Studie sind die Menschen beunruhigt, was die Versorgungssicherung mit Treibstoffen, Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Lebens betrifft. 87,6% der Befragten wünschen sich laut Studie mehr Unabhängigkeit Österreichs vom internationalen Handel, 81% zeigen sich bereit, eine Petition bezüglich einer vermehrten Produktion heimischer Lebensmittel zu unterstützen. Gerade Tierwohl erachten die Konsumenten als höchst wichtig.
Allerdings achten knapp zwei Drittel (65,3%) wegen der Krise sehr viel stärker darauf, billige Lebensmittel zu kaufen. „Die Umfrage zeigt somit den Widerspruch zwischen Forderungen und eigener Handlungsbereitschaft auf“, betonte Moosbrugger. Er zieht daher den Schluss: „Bei allem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ist derzeit nicht der richtige Zeitpunkt, um die Standards noch weiter in die Höhe zu schrauben und die Unsicherheit zusätzlich zu befeuern.“
Allerdings hat die Regierung noch vor der Sommerpause das Tierwohl-Paket beschlossen, das zahlreiche neue Auflagen für Tierhalter mit sich bringt, unter anderem das Auslaufen der ganzjährigen Anbindehaltung oder das Verbot von Vollspaltenböden in Neubauten von Schweineställen. „Wenn sich Tierwohl-Fleisch am Markt nicht in ausreichender Menge verkaufen lässt, ist das kein Zukunftsmodell“, brachte er die Problem auf den Punkt.
EU-Pläne contra Sicherheit bei Nahrung und Energie
Kein Verständnis hat Moosbrugger für die jüngsten EU-Pläne zur Wiederherstellung der Natur oder zum Verbot von Pflanzenschutzmitteln in sensiblen Gebieten. Noch liegen keine konkreten Abschätzungen vor, wie viel Agrarflächen in Österreich betroffen wäre, räumte der Kammerpräsident ein. Über die Pläne werde noch verhandelt. Erstaunlicherweise können in Deutschland allerdings durchaus einige Bundesländer und Verbände schon zahlenmäßige Abschätzungen liefern. Moosbrugger bewertet die EU-Pläne dennoch als „realitätsfremd“, wenn Verbraucher Angst um Versorgungssicherheit haben.
Diese sieht Moosbrugger aber auch bei nachhaltigen Rohstoffen und erneuerbarer Energien bedroht“. Wer die „Erneuerbaren Richtlinie“ auf EU-Ebene lese, könne nur entsetzt sein. Man dürfe nicht zulassen, dass praxisferne Akteure nachhaltige Holzenergie auf ein Minimum zurückfahren. Stattdessen müsse man „raus aus der fossilen Sackgasse“.