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Aus dem Nationalrat

Stoppt Österreich bald Tiertransporte?

Kälber Transport
Josef Koch
Josef Koch
am Freitag, 21.10.2022 - 07:00

Bei Anhörung im Gesundheitsausschuss ist ein Großteil der Experten für Einschränkungen.

Wien Viele Experten unterstützen das Volksbegehren zum Stopp von Schlachtvieh-Transporten. Teilweise gingen sie sogar über die Forderungen des Volksbegehrens hinaus und verlangten, alle Tiertransporte, vor allem von Kälbern, einzuschränken. Tierärzte monierten indes „viel zu lasche“ Kontrollen. Das machte die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss am Mittwoch (19.10) deutlich, so die Parlamentskorrespondenz.

Wenig Freude findet Ann‐Kathrin Freude vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) am Transport junger, noch nicht entwöhnter Kälber nach Spanien. Dies sei „sinnlose Quälerei“, sagte die Tierschützerin. Die Kälber würden in weiterer Folge von Spanien oft auch in andere Länder wie dem Libanon exportiert, mit schrottreifen Schiffen. Aber auch einjährige weibliche Kälber gingen immer wieder als Zuchtrinder in den Export. Freude hatte im Sommer den Weg der Kälber nachverfolgt.

Schon jetzt gelten hohe Auflagen

Dass nur fünf Prozent der heimischen Kälber exportiert werden, wie Adolf Marksteiner, Landwirtschaftskammer Österreich, angemerkt hatte, ist für Freude kein Argument. So handle es sich dabei immer noch um 35.000 bis 40.000 Tiere. Bei einem derart niedrigen Prozentsatz sollte eine generelle Systemänderung nicht so schwierig sein, so die Tierschützerin.

Der Kammerexperte betonte bei seinen Ausführungen, die österreichischen Vorgaben würden ohnehin über die Tiertransportverordnung der EU hinausgehen. So gebe es etwa zahlreiche Auflagen, was Langstreckentransporte betrifft. Unter anderem müsse nachträglich dokumentiert werden, wie die Tiertransporte abgelaufen seien, bevor ein weiterer Transport genehmigt werde. Zudem habe man bei Kälbern das Mindesttransportalter zuletzt von zwei auf drei Wochen verlängert. Ab 2025 sei ein Mindestalter von vier Wochen vorgesehen, wenn die Tiere aus gesunden Beständen kommen. Auch müssten Ruhezeiten eingehalten werden, Schlachttier- und Masttiertransporte in Drittstaaten seien generell verboten. Das werde ohnehin noch „zu spannenden Diskussionen“ auf europäischer Ebene führen, glaubt Marksteiner, da viele Länder derartige Vorgaben nicht kennen.

Noch größere Marktmacht befürchtet

Skeptisch ist Marktexperte bei der Forderung des Volksbegehrens, Tiere maximal bis zum nächstgelegenen geeigneten Schlachthof bringen zu dürfen. Das könnte die aktuelle „Oligopolsituation“ im Schlachthofsektor verstärken, warnte er. Schließlich würden in Österreich fünf Schlachtbetriebe bei Rindern und Schweinen mehr als 80% des Schlachtvolumens abdecken.

Der Marktexperte gab zu bedenken, Österreich dürfe nach dem EU-Recht, Einfuhren aus Drittstaaten gar nicht verbieten. Schließlich gehe es um den freien Warenverkehr. Die heimischen Kontrollen gehören nach Ansicht von Marksteiner zu den strengsten in Europa. Daher mieden viele internationale Transporteure, Tiere durch Österreich zu fahren.

Kritik an zu „laxen“ Kontrollen

Kritisch werteten Tierärzte Marksteiners Aussagen zum Kontrollniveau. Alexander Rabitsch lange Jahre Tiertransport-Inspektor für das Land Kärnten, meinte, in Österreich würde zwar häufiger kontrolliert als in anderen EU-Ländern. Allerdings sieht er auch hierzulande große Lücken. So würden in den meisten Bundesländern nur die Papiere kontrolliert, ohne nach dem Befinden der Tiere zu schauen. Zudem sei, etwa bei Tiertransporten von Europa nach Zentralasien und in die ehemaligen Sowjetrepubliken von Vornherein klar, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden können. Trotzdem würden diese Transporte bewilligt.

Zudem habe er nirgends so viele Transporte von lahmen Tieren wie in Spanien gesehen. So komme es selbst in amtlich zugelassenen Transportfahrzeugen immer wieder vor, dass sich die Tiere einklemmen. In diesem Sinn kommt man nach Meinung von Rabitsch an einer Änderung der EU-Tiertransportverordnung nicht vorbei. Durch den Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments sein einiges in Bewegung geraten. Handlungsbedarf sieht er bei Transportdauer, Ladedichte und beim Transportalter.

Statt drei Wochen hält er für Kälbertransporte ein Mindestalter von fünf Wochen für angebracht. Zudem könnte man vorhandene technologische Verfahren in der Spermaproduktion dafür nutzen, männliche Kälber erst gar nicht zu zeugen.

Kennzeichnung tierischer Lebensmittel gefordert

Für den ehemaligen Vorarlberger Amtstierarzt Erik Schmid ist klar, man könne junge, noch nicht entwöhnte Kälber bei einem Transport von Österreich nach Spanien nicht ordnungsgemäß tränken. Auch angenommene Durchschnittsgeschwindigkeiten von 80 km/h für Transportfahrzeuge seien realitätsfremd. Schmid forderte von Gesundheitsminister Johannes Rauch daher eine Anweisung, dass Transporte mit offensichtlichen Plausibilitätsmängeln nicht abgefertigt werden dürfen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die EU-Verordnung verfassungskonform auf Punkt und Beistrich umgesetzt würde. Schmid plädierte zudem dafür, statt Drittlandexporte von Zuchtrindern Samen oder Embryonen zu transportieren. Er empfahl der Politik, tierische Lebensmittel nach dem Vorbild von Eiern zu kennzeichnen. Nötig wäre dabei aber, die Gastronomie einzubeziehen.

Forderung: Tierschützer sollen mitkontrollieren

Die ehemalige Grünen-Chefin Madeleine Petrović und jetzig Präsidentin des Tierschutzvereins „Tierschutz Austria“ regte an, die Tierschutzbewegung in Kontrollgremien einzubeziehen und eine intensivere Kooperation zwischen Landwirtschaft und Tierschutzorganisationen. Als positives Beispiel für eine Kooperation nannte die Tierschützerin die Geflügelwirtschaft. Hier gebe es die Kennzeichnung von Eiern und eine gute Zusammenarbeit mit der AMA.

Der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch, der bekanntlich auch für Tierschutzfragen zuständig ist, begrüßte das Volksbegehren. Er hält aber eine gesamteuropäische Regelung für notwendig, wofür er sich in Brüssel stark mache. Seinem Eindruck nach gibt es auf europäischer Ebene durchaus Bewegung, auch bei den Mitgliedstaaten, die in der Vergangenheit auf der Bremse Er führt dies auf den Untersuchungsausschuss zu den Tiertransporten ein, den das EU-Parlament eingesetzt habe. Rauch will aber nicht Landwirtinnen und Landwirte verurteilen. Sei seinen oft nur „Gefangene des Systems“. Man benötige eine generelle Umstellung, auch in der Förderpolitik, und schärfere Strafen. Er kündigte an, in Kürze Vorschläge zu präsentieren, wie der Vollzug der Kontrollen verbessert werden könne.

Anträge der Opposition wurden vertagt

Vertag wurden die Anträge der Opposition (SPÖ und NEOS) auf Verschärfungen für Tiertransporte. Die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne gaben grundsätzlich zu bedenken, dass das Tierschutz- und Tiertransportgesetz erst im Juli novelliert wurden. Man sollte daher nun eine gewisse Zeit abwarten und beobachten, wie sich die Änderungen in der Praxis auswirken würden. Man darf gespannt sein, wann die ÖVP und Grüne dem Druck der Tierschützer nachgeben werden.

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