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Gemeinsam säen und ernten

Solidarische Landwirtschaft: So zeigen Bauern den Wert ihrer Arbeit

Daniela Kohler auf der Ackerfläche, die sie der SOLAWI zur Verfügung stellt.
Karin Müller-Vögel
am Dienstag, 19.09.2023 - 10:48

Die Landwirtschaftsstrategie Vorarlberg will den Dialog mit dem Verbraucher verbessern. Ein Biohof in Buch zeigt, wie das geht.

Der Naturteich sorgt für gutes Klima und bietet Lebensraum für zahlreiche Nützlinge.

Buch/Vorarlberg - Eine Teilnehmerin der Solidarischen Landwirtschaft auf Kohlers Biohof in Buch trifft gerade auf dem 500m2 großen Acker ein, die der Betrieb dafür zur Verfügung stellt. Daniela Kohler, Landwirtin und Eigentümerin der Fläche erklärt ihr, was zu tun ist – im Monat Juli immer viel: jäten, ernten, nachsetzen… Die Pensionistin aus Bregenz ist seit Beginn Teil des Projekts: „Ich bin schon seit neun Jahren dabei und sehr gerne an diesem schönen Ort. Ich arbeite mit den Händen in der Erde und an der frischen Luft. Es ist wie ein Paradies, an dem ich den Jahresrhythmus mitbekomme und ich darf einmal in der Woche regionales und gesundes Gemüse mitnehmen.“

Wie die Solidarische Landwirtschaft funktioniert

Das Wesen einer Solidarischen Landwirtschaft – oft einfach als Solawi bezeichnet – ist es, Kunden und Kundinnen sehr nahe in den Produktionsprozess einzubinden. Mitglieder leisten bei Kohlers einen zu Jahresbeginn festgelegten monatlichen Beitrag, erklären sich bereit dazu, zweimal monatlich einen halben Tag mitzuarbeiten und erhalten dafür von Mai bis Dezember wöchentlich eine Gemüsekiste inklusive Salat, Kräutern und verarbeiteten Produkten wie Sauerkraut, fermentierter Kohlrabi eingelegte Zucchini oder Marmeladen. Je nach Jahreszeit und Menge, ist in der Kiste, was es gerade gibt. Einmal mehr, einmal weniger, der Betrag bleibt trotzdem derselbe. Damit hat der Betrieb eine gewisse Planungssicherheit und die Abnahme ist geregelt.

Auf der Ackerfläche, die der Solawi zur Verfügung steht, gibt es Gemüsebeete, Hochbeete, Folientunnel, Gewächshaus und einen Naturteich.

Der Anbauplan für das Jahr und die ,Höhe der Beiträge werden jeweils im Februar gemeinsam festgelegt. Die Leitung bleibt bei Familie Kohler. Sie hat das Know-how und ist vor Ort. Das unterstützen die Mitglieder der Solidarischen Landwirtschaft, die zusammen wöchentlich 14 Ernteanteile abnehmen. „Es braucht jemanden der das Wissen um Verarbeitung- und Anbaumethoden hat, jemand der Anweisungen gibt und somit alles koordiniert“, so die Pensionistin aus Bregenz. „Ich weiß schon viel, aber eben nicht alles, da bin ich immer noch froh, dass ich dazulernen darf.“

Solidarische Landwirtschaft zieht alle Altersgruppen an

Von den 14 Mitgliedern sind acht seit Beginn dabei. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind bunt gemischt, auch junge Familien finden sich darunter. Die Mitarbeit empfinden sie nicht als Last. Viele kommen öfter her als vereinbart, oder treffen sich zur Verarbeitung der Feldfrüchte in kleineren Gruppen. Die Ernteanteile sind immer Donnerstag am Hof abholbereit, die Aufteilung organisieren die Mitglieder selbst.

Auf dem kleinen Acker wächst saisonales Gemüse, samenfest und in Bioqualität, dazwischen finden sich Kräuter unter anderem beinahe Vergessenes wie der Alant, Blumen und in den Randbereichen Beeren und Obst. Die Beete sind 75 cm breit und mit der Hand gut zu bearbeiten. Es werden nur kleine Maschinen genutzt.

Solidarische Landwirtschaft ist auf Vielfalt ausgelegt

Das Konzept nennt sich Market Gardening und ist angelehnt an das System der Permakultur. Der Gang über das Gelände zeigt eine große Vielfalt sowohl an Sorten, als auch an Strukturen. Gleich neben dem Acker finden sich das Gewächshaus mit 50 verschiedenen Sorten Tomaten, Paprikas und Kiwis sowie das Anzuchthaus. Auf dem Gelände gibt es zudem einen Kartoffelacker sowie Hochbeete, in welchen unter anderem Rote Rüben wachsen. Ein Naturteich sorgt für gute klimatische Bedingungen und bietet Lebensraum für zahlreiche nützliche Tiere. Das System ist ausgelegt auf Vielfalt und maximale Selbstversorgung.

Daniela Kohler (1 von 1)

„Ich bin Veganerin und wollte das Gemüse selbst anbauen. Die reine Milchwirtschaft, die früher am Hof gepflegt wurde, hat zum Lebenskonzept nicht mehr gepasst. Beim Durchrechnen des Gemüseanbaus haben wir aber gesehen, dass sich der Anbau nach unseren Ansprüchen – in Bioqualität und größtenteils in Handarbeit – finanziell nicht ausgeht. Durch das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft sind wir kostendeckend“, berichtet Daniela Kohler, warum sie sich entschieden hat, eine Solidarische Landwirtschaft zu gründen.

Mit der Solawi wird Wissen über Landwirtschaft vermittelt

Die Wirtschaftlichkeit ist aber nur ein Aspekt. Solidarische Landwirtschaft hat auch immer mit Kommunikation und Wissensweitergabe zu tun. Das Fundament ist der Gemüsebau, es geht aber zudem um Gemeinschaft, um Gesundheit, Regionalität, Nachhaltigkeit und darum, das Risiko gemeinsam zu tragen. Die Mitglieder erfahren, dass das Jahr unterschiedliche Erntemengen bringen kann. Durch ihre kontinuierliche Mitarbeit verstehen sie die Zyklen und Abhängigkeiten von Klima und Wetter. Es geht darum, gemeinsam gesunde, regionale und nachhaltige Lebensmittel zu produzieren und für einen gesunden Boden zu sorgen. Mitglieder erhalten neues Lebensmittelwissen und lernen Anbaumethoden und neue Sorten kennen. Eine wichtige Bewusstseinsbildung, die ganz nebenbei stattfindet. Auch krumme Gurken sind in der Gemüsekiste in Ordnung, denn es kommt nicht auf die Form, sondern auf den Inhalt an.

Auf dem Biohof ist eine Wertegemeinschaft entstanden

„Wir haben einen Bildungsauftrag. Ich gebe Lebensmittelwissen und Know-how im Anbau weiter und sensibilisiere für gute Bodenqualität, Ernährungssouveränität und Wertigkeit der Lebensmittel. Dabei ist das gemeinsame Arbeiten ganz wichtig, um den Bezug wieder herzustellen und natürlich gehört auch das gemeinsame Feiern, die Gemeinschaft dazu“, erklärt Daniela. Diese Gemeinschaft trifft sich viermal im Jahr. Es ist eine Wertegemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel.

Auf der Website des Netzwerkes für Solidarische Landwirtschaft in Deutschland heißt es dazu: „In der Solidarischen Landwirtschaft tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die Erzeugerinnen und Erzeuger als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft.“ Das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft birgt Potenziale. Es entstehen geschlossene Kreisläufe durch die Mitglieder, Betriebe können stabilisiert oder wiederbelebt werden, Solidarische Landwirtschaft leistet Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung für die Landwirtschaft und sie kann zu einem Bestandteil des Vermarktungskonzeptes werden.“

Landwirtin betreibt nicht nur Solawi

Bei Kohlers bewirtschaftet die Solawi nur einen kleinen Teil des Betriebs. Den anderen Teil des insgesamt 10 ha umfassenden Betriebs mit fünf Mutterkühen, ein paar Hennen und Bienen bewirtschaftet die Familie selbst, hauptsächlich für den Eigenbedarf. Mit dem, was übrig ist, ist Daniela Kohler am Freitagvormittag auf dem Bregenzer Bauernmarkt anzutreffen. Hier verkauft sie neben Kräutern und speziellen Gemüsesorten auch die Produkte der Streuobstwiese, Verarbeitetes oder das Jungrindfleisch.

Das ist der Biohof Kohler

  • Familie
  • Daniela und Anton Kohler
  • Fläche
  • 0,5 ha Acker, knapp 10 ha Grünland
  • Vermarktung
  • Solidarische Landwirtschaft mit 14 Ernteanteilen, Bauernmarkt Bregenz, Direktvermarktung
  • Tierbestand
  • 5 Mutterkühe, Hennen, Bienen
  • Produkte
  • Gemüse, Streuobst, Beeren, Kräuter und Wildkräuter und Blumen (samenfeste Sorten), Jungrindfleisch ca. zweimal jährlich auf Bestellung

Die Landwirtschaft leidet immer stärker unter Wetterextremen: Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Dürre, Starkregen und Hagel gefährden unsere Ernten immer mehr. Wir wollen in Zukunft daher im Ackerbau darauf reagieren. Ohne staatliche Förderung wird der Umbau zu einer klimaresistenten Landwirtschaft allerdings schwer.
40% (131 Stimmen)
Das Wetter hat die Arbeit der Landwirte schon immer beeinflusst. Wir sollten uns jetzt auch nicht verrückt machen. Neue Sonderkulturen wie Hirse oder Kichererbsen sind interessant, aber nicht für den Massenabsatz geeignet.
42% (137 Stimmen)
Wir setzen im Betrieb auf technologische Lösungen. Damit wollen wir auch in Zukunft ertragreich Getreide oder Sonderkulturen anbauen können.
19% (61 Stimmen)
Stimmen gesamt: 329
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