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Fleisch

Lungenauer Edelteile

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Walter Neugebauer
am Montag, 16.03.2020 - 12:10

Bergbauernsohn Hannes Hönegger betreibt auf dem Tromörthhof in Lessach den zweiten Bioschlachthof Österreichs.

Auf einen Blick

  • Hannes Hönegger errichtet auf dem Bauernhof seiner Eltern einen Bioschlachthof. Es ist der zweite reine Bioschlachthof in ganz Österreich.
  • Geschlachtet werden eigene Tiere, zudem werden auch Lohnschlachtungen für die Direktvermarktung, den Eigenverbrauch und für Jäger durchgeführt.
  • Ein Teil des Fleisches wird unter der Marke Lungaugold vermarktet.
  • Die Wertschöpfung für die Bauern wird gesteigert und bleibt in der Region.
  • Zudem werden weite Tiertransporte vermieden und den Tieren so Stress erspart.

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Stress fürs Vieh, weniger Erlös für die Bauern

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Lessach/Salzburger Land - Das Schlachtvieh der Lungauer Biobetriebe wurde bisher zum größten Teil exportiert. Das bedeutete: Stress für die Tiere und weniger Erlös für die Bauern. Hannes Hönegger (35) zeigt, dass es auch anders geht. Er schlachtet im familieneigenen Bioschlachthof am Tromörthof in Lessach, verarbeitet das Fleisch und vermarktet es mehrgleisig.

Hannes Hönegger ist als Stiefsohn des Bauern Matthias Hönegger (51) nicht auf dem Tromörthof aufgewachsen. Noch vor der Matura verließ er die Handelsakademie Tamsweg und sah sich in Europa um, „studierte“ die Berliner Szene und arbeitete dann in verschiedenen Werbeagenturen in Deutschland und Österreich. Hier konnte er tagtäglich miterleben, wie gute Ideen erfolgreich verwirklicht wurden.

Vor etwa zehn Jahren begann er sich für den Familienbetrieb zu interessieren. Er nahm sich vor, auf dem Tromörthof einen kleinen Bioschlachthof zu errichten, in dem die hofeigenen Biorinder und die von Biobauern aus dem Lungau geschlachtet werden können. So konnte auch die Zukunft des stattlichen Erbhofes gesichert werden, der seit 1571 im Besitz der Familie ist.

Das Konzept wurde im Verbund erarbeitet

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Das Rüstzeug rund um das Fleisch und seine Verarbeitung erwarb sich der findige Unternehmer in der renommierten Metzgerei Urban in St. Johann im Pongau und erweiterte sein Wissen in Kursen und Fortbildungsseminaren.

„Das Konzept für den Schlachthof entstand in enger Zusammenarbeit mit einer ganzen Gruppe von Fachleuten“, erzählt der inzwischen versierte Jungunternehmer. Beteiligt waren der langjährige Partner Bio Austria, die Fleischerei Urban in St. Johann im Pongau, die deutsche Fleischerfachschule in Kulmbach, der Chocolatier und Biolandwirt Josef Zotter aus Riegersburg in der Steiermark und die Lungauer Architekten Josef Ernst und Hannes Ilsinger. Die veranschlagten Kosten lagen bei rund 700 000 Euro.

Als das Konzept stand, hat Hannes Hönegger mit seinem Steuer- und Unternehmensberater Mag. Michael Prokesch errechnet, ob das Projekt realisierbar ist und dann hat er die Anträge auf Fördermittel aus verschiedenen Töpfen gestellt. Wichtige Argumente waren, dass der Tromörthof im Bergbauerngebiet Zone 3 liegt, in der Bauern ohne die Förderung durch öffentliche Mittel nicht überleben können. Dass mit der Biometzgerei auf dem Hof zwei feste Arbeitsplätze geschaffen werden, und dass das Fleisch der Biorinder aus der Region Biosphärenpark Salzburger Lungau besser vermarktet wird.

Angebot für Jäger und Direktvermarkter

„Und ich habe dabei immer wieder betont“, so Hönegger, „dass die Region Lungau im Unesco-Biosphärenpark Salzburger Lungau dafür prädestiniert ist, beste Lebensmittel zu erzeugen. Zum Beispiel sind die Lungauer Kartoffeln in ganz Österreich bekannt und beliebt, jedes Jahr sind sie bereits einige Wochen nach der Ernte ausverkauft. Wenn unser Rindfleisch so bekannt werden würde, hätten wir es geschafft. Der Mehrwert durch unsere Vermarktung bliebe bei uns“.

Wichtig ist ebenso, dass hier auch Direktvermarkter aus dem Lungau oder Bauernfamilien für den Eigenbedarf ihre Rinder über kurze Wege anliefern und im Lohnverfahren schlachten lassen können. Zudem können auch Jäger ihr Wildpret hier herbringen, zerlegen lassen oder verkaufen.

Diese Argumente dürften ausschlaggebend gewesen sein, dass erhebliche Fördergelder für den Bioschlachthof flossen. Die Investitionsförderung kam vom Ministerium für ein lebenswertes Österreich und dem Salzburger Land. Außerdem wurde der Schlachthof durch Leader von der Europäischen Union (EU) gefördert, die mit diesem Programm die Entwicklung der ländlichen Wirtschaft und besonders modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum unterstützt.

Stressfreie Schlachtung sichert Fleischqualität

Am 7. Dezember 2018 wurde der Schlachthof eröffnet. „Es ist ein reiner Bioschlachthof, der zweite in Österreich“, betont Hönegger und weist darauf hin, dass heute viele Schlachthöfe, vor allem große, zweigleisig arbeiten, also Rinder von konventionell arbeitenden Betrieben und Biobetrieben schlachten. „Dort erleiden auch die Biorinder bis zum Schluss erheblichen Stress, denn sie werden von Erzeugergemeinschaften oder privaten Viehtransporteuren von den Betrieben geholt, gesammelt, auf die Lastwagen bugsiert, oft weit gefahren, wieder abgeladen und ihrem Schicksal überlassen“.

Auf dem Tromörthof läuft das ganz anders ab. Hier werden jede Woche nur zehn Rinder geschlachtet, an einem Tag hintereinander weg, meist am Dienstag ab 5 Uhr morgens. Zum vereinbarten Termin bringt der Bauer sein Rind mit einem Hänger und fährt bis vor die Schlachtbox, Metzger Hannes Brugger (33) führt das Tier dann am Strick in die Schlachtbox und schießt mit dem Bolzenschussgerät. Ein schnelles Ende ohne Stress.

Das Rind wird aufgehängt, blutet aus, wird ausgenommen, enthäutet und noch warm gewogen. Hier arbeiten Metzger Hannes Brugger und Hannes Hönegger zusammen. Sie klassifizieren den Schlachtkörper und bestimmen damit den Preis, den der Bauer erhält. Dann wird der Schlachtkörper halbiert und die Hälften kommen zu allen anderen dieses Tages in einen Kühlraum. Hier werden sie vom Tierarzt untersucht und kommen dann in einen zweiten, größeren Kühlraum, wo sie bis zu drei Wochen hängen bleiben, damit das Fleisch reift.

Schlachtvieh ganzheitlich verwerten

Aus dem Kühlraum holt sich der Metzger die Hälften und zerlegt sie in seinem Arbeitsraum. Ein Teil der edlen Stücke wie Roastbeef und Filet werden vakuumiert und weiter im Kühlraum gelagert oder gehen nach St. Michael in die Metzgertheke und die Großküche der Lungaugold-Genusszentrale. Die Abschnitte der Rinderhälften verarbeitet Roswitha Hönegger (52), die Mutter von Hannes, in der Biometzgerei zu Burgern.

Alles, was vom Schlachtkörper nicht verkauft werden kann, wird am Hof zu Hundefutter verarbeitet und unter der Marke „Hektor“ vermarktet. „So können wir das Schlachtvieh ganzheitlich verwerten“, betont Hönegger. Die Rezeptur hat Tierärztin Dr. Jutta Ziegler aus Hallein (Salzburg) nach dem Barf-Prinzip entwickelt, dem eine biologisch artgerechte Rohfütterung zugrunde liegt.

Der Fleischpreis kann sich sehen lassen

Wie kalkuliert Hannes Hönegger den Kaufpreis für die Lungauer Rinder, die Bauern bei ihm am Bioschlachthof in 1260 m Höhe anliefern? „Entscheidend ist die Klassifizierung des Schlachtkörpers, denn das entscheidet über Zu- oder Abschläge“, sagt Hönegger und weist darauf hin, dass er sich wie Metzger Hannes Brugger als AMA-Rinderklassifizierer ausgebildet hat. Wichtig sei eine gewisse Fettabdeckung des Schlachtkörpers. Das sei besonders für die Trockenreifung zu dry aged Fleisch wichtig, damit das Fleisch nicht austrocknet.

Bei der Festlegung des Kaufpreises orientiert er sich am Preis der österreichischen Rinderbörse, der von der Erzeugergemeinschaft und dem Rinderzuchtverband ausgegeben wird. Dieser Preis ist variabel und ändert sich teilweise wöchentlich. „Dieser Preis ist für uns der Basispreis, zu dem für unsere Partner noch Bonuszahlungen pro Kilo Schlachtgewicht kommen“, erklärt er.

Das sieht in drei Stufen so aus: Jeder Lungauer Bauer erhält einen Lungaubonus von 20 ct/kg Schlachtgewicht. Weitere 20 ct gibt es für Bauern, die ihr Schlachtvieh selbst anliefern. Und alle, die Mitglieder bei Bio Austria sind, bekommen weitere 10 ct. „Das heißt“, so Hönegger, „im Idealfall erhalten Lungauer Bauern 50 Cent je Kilo Schlachtgewicht mehr als beim Verkauf über die Erzeugergemeinschaft“. Ein weiterer Bonus entsteht durch das warme Wiegen der Schlachtkörper, denn dabei zeigt die Waage ein etwa 2 bis 3 % höheres Gewicht als beim Kaltwiegen. Da nehmen die Bauern die Fahrt hoch zum Tromörthof gern auf sich.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatts.

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Stressfreie Schlachtung - beste Fleischqualität

Im Lungau werden jährlich rund 1600 Biorinder zu Schlachtzwecken verkauft. „Davon benötigen wir nicht einmal ein Drittel“, erklärt Hannes Hönegger. Ein erheblicher Teil gehe an den Schlachthof in Salzburg oder ins Ausland. Die Überproduktion drücke die Preise. „Wir aber müssen unsere höheren Preise durchsetzen und schaffen das auch“, betont er, „denn unsere Kunden wollen ein gutes Produkt zum fairen Preis und für unser Fleisch sind sie bereit, etwas mehr zu bezahlen“. Hier hat er eine Zielgruppe von acht bis zehn Prozent der Bevölkerung im Auge, die das wirklich will.

Hönegger hat gute Argumente für die Qualität seiner Produkte vorzuweisen: Die Schlachttiere, meist Jungrinder und Kalbinnen, wachsen auf den kräuterreichen Weiden und Almen des Biosphärenparks auf und werden stressfrei geschlachtet. „So bekommen wir beste Fleischqualität. Unser Fleisch ist auch länger haltbar“, betont er.

Die Erklärung dafür: Bei Stress schüttet das Tier Adrenalin aus, das zehrt am Glykogengehalt und für die Fleischreifung ist dann zu wenig Glykogen da. Die Folge: Es wird zu wenig Milchsäure gebildet, der pH-Wert sinkt nicht und die Säuerung des Fleisches bleibt aus oder erfolgt nur ungenügend. Die Qualität des Fleisches ist dadurch deutlich schlechter. Der optimale pH-Wert sollte 24 Stunden nach der Schlachtung bei 5,4 bis 5,5 liegen.