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Lebensmittelverschwendung

Lebensmittelverkäufer müssen mehr melden

Lebensmittelverschwendung-Müll
Josef Koch
Josef Koch
am Freitag, 26.05.2023 - 09:41

Der Nationalrat will mehr Transparenz beim Verwenden der Lebensmittel. Direktvermarkter bleiben von neuen Vorgaben verschont.

Wer Lebensmittel verkauft, muss künftig berichten, wie viele Lebensmittel er entsorgt sowie unentgeltlich weitergegeben hat. Dies sieht die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes vor, das der Nationalrat diese Woche beschlossen hatte. Initiiert hatten diese Novelle Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) und Astrid Rössler (Grüne). Damit will das Parlament mehr Transparenz beim Verwenden von Lebensmitteln schaffen. Meldepflichtig sind große Lebensmittelhändler und Supermarktketten ab einer Verkaufsfläche von 400 m² oder fünf Verkaufsstellen. Dies betrifft rund 900 Unternehmen in Österreich. Ab dem vierten Kalenderquartal 2023 sollen die Daten erfasst und erstmalig bis 10. Februar 2024 gemeldet werden. Kleinunternehmen, Lebensmittelproduzenten sowie Direktvermarkter sind dagegen von den neuen Auflagen ausgenommen.

Gewessler: Handel ist großer Hebel

Die Entsorgung von Lebensmitteln stelle eine Verschwendung wertvoller Ressourcen und eine enorme Umweltbelastung dar, argumentieren die Antragsteller. Daran schloss sich Umweltministerin Leonore Gewessler an. Sie sieht in der Gesetzesinitiative einen weiteren Schritt und Baustein gegen Lebensmittelverschwendung. Der Handel stelle einen großen Hebel dar, hier gegenzusteuern. Mit der „Drehscheibe Lebensmittel“ und der Förderung der Logistik sozialer Einrichtungen wolle man weitere Maßnahmen setzen.

Etwas differenzierter sieht das der Handelsverband. Nach Auffassung von Geschäftsführer Rainer Will können die großen Lebensmitteleinzelhändler mit dieser zusätzlichen Meldepflicht gut leben, sie meldeten schon seit Jahren freiwillig diese Zahlen. Stattdessen belaste das Umweltministerium aber nun auch hunderte österreichische Nahversorger mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand, warnt Will. „Bürokratiebremse. Fehlanzeige. Das ist eine Themaverfehlung und das grundsätzliche Problem wird damit nicht gelöst.“

Weitergeben geht vor Entsorgen

Heftig diskutierten daher auch die Abgeordneten im Parlament über die Novelle. Früher sei es eine „Sünde“ gewesen, wenn Lebensmittel weggeworfen wurden, zeigte sich Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) von den aktuellen Zahlen zur Lebensmittelverschwendung erschüttert. So werden rund 500.000 t Lebensmitteln entsorgt. Mit der Gesetzesänderung nehme man diese genauer unter die Lupe. Man müsse dafür sorgen, dass Lebensmittel nicht entsorgt, sondern weitergegeben werden, erklärte Joachim Schnabel (ÖVP). Angesichts der Oligopolstellung der großen Handelsketten müsse man für mehr Wettbewerb und Transparenz sorgen. 0,5 Mio. Menschen könnten sich von den jährlich durch private Haushalte entsorgte Lebensmittel ernähren, kritisierte Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Er forderte Maßnahmen, damit die Menschen bewusster einkaufen und Lebensmittel mehr wertschätzen.

Während ihrer Rede würden 6000 Kilogramm an Lebensmitteln – großteils noch genusstauglich – im Abfall landen. Dies müsse geändert werden, forderte Astrid Rössler (Grüne). Dies stelle auch einen großen Hebel für den Klimaschutz dar. Die Lebensmittelverschwendung durch den Handel sei sehr weitreichend, erklärte Clemens Stammler (Grüne). Er machte dies auch an den hohen Anforderungen an landwirtschaftliche Produkte fest, die oft dafür sorge, dass genusstauglicher Ware entsorgt werden müsse.

Opposition bezweifelt Nutzen

Für die Opposition reichen die Vorgaben aber nicht aus. Von einer „halbherzigen Maßnahme“ sprach Andreas Kollross (SPÖ) und verlangte weitreichendere Schritte. Sein Entschließungsantrag blieb aber in der Minderheit. Darin schlug er eine Abnahmepflicht des Handels für Obst und Gemüse vor, das nicht den „übertriebenen“ optischen Normen entspricht. Zudem brauche es ein Konzept für die verpflichtende Abgabe von nicht mehr benötigten oder verkaufbaren Lebensmitteln an soziale Einrichtungen. Als Maßnahme gegen die Teuerung forderte der Sozialdemokrat, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs befristet auszusetzen.

FPÖ sieht auch Landwirte als Verschwender

In die gleiche Kerbe schlug auch die FPÖ. Walter Rauch forderte gesetzliche Regelungen gegen die „übermäßig hohen“ Lebensmittelkosten, wie ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Die Lebensmittelverschwendung ist aus seiner Sicht moralisch und ethisch nicht tragbar. Die eigentlichen Lebensmittelverschwender seien die Landwirtschaft, die Gastronomie sowie zu großen Teilen die privaten Haushalte, kritisierte Peter Wurm (FPÖ). Er hält die Vorgaben für „bürokratischen Wahnsinn“ und einen weiteren „Todesstoß“ für Greißler.

Die Regierung liefere keine Maßnahmen, die an den „großen Schrauben“ beim Klimaschutz, in der Umweltpolitik und Nachhaltigkeit drehen würden, kritisierte Michael Bernhard (NEOS). Mit dem Gesetzesvorschlag würde das Problem der Lebensmittelverschwendung angesichts des Anteils des Handels daran nur in kleinem Maße gelöst. Kein einziger Laib Brot, kein einziges Kilogramm Karotten und kein einziger Liter Milch würden durch den Antrag gerettet, war sich auch dessen Parteikollegin Katharina Werner (NEOS) sicher. Sie forderte weitreichendere Maßnahmen bei der saisonalen Überproduktion und der Außerhausverpflegung. Auch sollte der Verkauf von B-Ware und die Bewusstseinsbildung von Konsumenten gefördert werden.

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