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Aufreger

Sind Kälber wirklich ein Abfallprodukt?

Kälber vorführen
Josef Koch
Josef Koch
am Donnerstag, 06.10.2022 - 07:00

Aussagen von Tierschützern verärgern Milchbauern. Grünland nur über Wiederkäuermagen für menschliche Ernährung nutzbar

Wien Zu viele Kühe, zu viele Kälber, zu viele unnötige Transporte und Exporte. Kälber seien unter anderem ein Abfallprodukt der Milchindustrie, so Ann-Kathrin Freude vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) am gestrigen Welttierschutztag (4.10.). Diese Vorwürfe konnten Interessenvertreter so aber nicht stehen lassen. „Die heimische Rinder- und Milchwirtschaft ist sich dieser Problematik bewusst und arbeitet schon seit längerer Zeit konsequent an Lösungen zur weiteren Reduktion der Kälberexporte“, versuchte Oberösterreichs Kammerpräsident Franz Waldenberger die Wogen zu glätten.

Waldenberger: Kälber sind kein Abfallprodukt

Kälber seien daher keinesfalls ein Abfallprodukt, sondern ein zentraler Teil der Rinder- und Milchproduktion. Bäuerinnen und Bauern gingen mit ihren Kälbern äußerst verantwortungsvoll und fürsorglich um. Nach Ansicht Waldenbergers ist das Hauptproblem, dass in Österreich nach wie vor ein äußerst hoher Anteil an ausländischem Kalbfleisch konsumiert werde. Er fordert daher die Herkunftskennzeichnung endlich umzusetzen, um bei den Konsumentinnen und Konsumenten eine bessere Akzeptanz für das hochwertigere heimische Qualitäts-Kalbfleisch zu schaffen.

In die gleich Kerbe schlägt auch Karl Keplinger, Präsident des Unabhängigen Bauernverbands (UBV). „Die Bezeichnung Abfallprodukt zeigt, dass dies Organisation wenig Interesse am Tierschutz hat. Vielmehr arbeitet sie an der Verunglimpfung der Landwirtschaft“, wirft Keplinger dem VGT vor. Obwohl Österreich die strengsten Tierschutzauflagen hat und genügend Kalbfleisch vorhanden wäre, bevorzugen Handel und Tourismus importiertes Kalbfleisch. Keplinger verlangt daher von der Wirtschaft und den NGOs, dafür zu sorgen, dass weniger Kalbfleisch importiert werde und Bauern nicht verunglimpft werden.

Kalbfleischproduktion ist nicht wettbewerbsfähig

Wer die Rinder- und Milchproduktion ständig in die Kritik ziehe, fordere damit indirekt auch die Aufgabe der Bewirtschaftung unserer Grünlandflächen, nennt Waldenberger die Folgen. Österreich hat aufgrund des hohen Anteils von Grünlandflächen einen entsprechend höheren Anteil im Bereich der Rindfleisch- und Milchproduktion. „Leider sind wir aus strukturellen Gründen in der Kalbfleischproduktion gegenüber Billigimporten nicht konkurrenzfähig“, bedauert der Kammerpräsident.

Um die heimische Kalbfleischproduktion voran zu bringen, werden laut Waldenberger derzeit schon eigene Qualitätsprogramme wie die Produktion von Kalb rosé umgesetzt. Damit sollen damit die Kälberexporte weiter sinken und heimisches Kalbfleisch wieder attraktiver werden.

Rückläufige Kälberexporte

Die Strategie geht dabei auf: Nach den Zahlen von Rinderzucht Austria gingen aufgrund der Unterstützung beim Aufbau inländischer Kalbfleischproduktion, wie der Rosé Mast, die Zahl der Kälbertransporte von 2019 bis 2021 bereits um mehr als 26% zurück. 2021 wurden in Österreich 747.519 Kälber geboren. 94,8% dieser Kälber blieben in Österreich auf Milch- oder Mastbetrieben. Lediglich 40.000 Kälber wurden in andere EU- Mitgliedstaaten verkauft. Italien, Polen und Spanien seien die wichtigsten Märkte für österreichische Kälber, so die Rinderzucht Austria. Mit den Verkäufen gehen Tiertransporte einher, die laut der Zuchtorganisation in Österreich auf höchstem EU-Standard durchgeführt werden. Seit 1. September dieses Jahres ist zudem die Novelle des Tiertransportgesetzes in Kraft, die unter anderem die Transportfähigkeit der Tiere genauer definiere und noch strengere Kontrollen vorschreibe.

Nur wenige landen in Nordafrika

Nach Angaben von Rinderzucht Austria werden zum Beispiel die Kälber in Spanien in großen Betrieben unter guten Bedingungen für das Tierwohl und die Tiergesundheit mit viel Platz, Stroh und gutem Stallklima gehalten. Nach einem Jahr werden die meisten Tiere vor Ort geschlachtet. Da Spanien aber einen regen Handel mit Nordafrika betreibe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass österreichische Kälber nach Nordafrika weiterverkauft werden. 2021 waren das 507 Tiere, also 1,3% aller ins Ausland exportierten Kälber, beziffert die Organisation die Größenordnung.

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