Laaben/Niederösterreich - Wer denkt nicht zu allererst an die endlose Weite der nordamerikanischen Prärie, wenn er vor einer Bisonherde steht? Aber mit Westernromantik hat es wenig zu tun, was Heide und Gerhard Egger auf ihrem Betrieb in Laaben im Mostviertel produzieren: fettarmes und dennoch geschmacksintensives, gesundes Bisonfleisch. Eines aber hat Gerhard Egger mit so manchem Westernhelden gemein. Wenn für einen Bison auf der Weide die letzte Stunde geschlagen hat, greift er zum Gewehr. Das schonende Töten gehört ebenso zur Betriebsphilosophie wie die regionale Vermarktung.
Auf die Idee, Bisons in der Kulturlandschaft des Mostviertels zu halten, muss man freilich erst einmal kommen. Noch bis vor sechs Jahren führte Gerhard Egger in Salzburg gemeinsam mit seiner Ehefrau Heide ein florierendes Ferienhotel mit 120 Betten und einer kleinen Landwirtschaft samt einigen Rindern.
Wunsch, gesunde Lebensmittel herzustellen

Immer wieder hat sich das Ehepaar gefragt, wie es aus dem Hamsterrad der Gastronomie und Hotellerie entfliehen könnte. Der tägliche Stress und das „Immer weiter, immer mehr“ passten nicht mehr zu seiner Lebensphilosophie. „Wir wollten einen Beitrag zur gesunden, regionalen Lebensmittelproduktion leisten und die Verbraucher aufklären und ihnen zeigen, was es bedeutet, wenn sie nicht mehr wissen, woher ihr Essen kommt oder wohin die Niedrigpreispolitik des Lebensmittelhandel führt“, sagt Egger. „Unsere heimische Landwirtschaft produziert hochwertige Nahrungsmittel. Kein Mensch braucht argentinisches Rindfleisch, Kartoffeln aus Ägypten oder Tomaten aus Spanien. Der Verbraucher sollte wieder mündig werden.“
Berufskollegen, die einen kleinstrukturierten Hof bewirtschaften, will Egger Mut zu neuen Wegen zurufen. „Sie sollten sich überlegen, in welchem neuen Betriebszweig ihre Chancen liegen. Immer mehr Verbraucher legen Wert auf qualitativ hochwertige Lebensmittel und wollen wissen, wer sie produziert."
Neuen Bauernhof aufgebaut
Heide und Gerhard Egger haben die Zeichen der Zeit erkannt. Vor elf Jahren verkauften sie ihr Hotel und erwarben einen verwaisten Bauernhof in Laaben.
Alle alten Gebäude rissen sie ab und errichteten zwei Wohnhäuser, eine Maschinenhalle mit Hofladen, Schlacht- und Verarbeitungsraum. „Wir haben lange darüber diskutiert, welche Rinderrasse wir uns zulegen sollten, dann hatte ich plötzlich die Bisons im Kopf“, erinnert sich der Landwirt.
Für die Rinder wurden Futterraufen und ein befestigter Auslauf mit Unterstand angelegt. Die meiste Arbeit machte das Zäunen mit einem aus Südamerika stammenden Spanndrahtsystem. Auf einer Länge von rund 5 km wurden an zwei Meter hohen Stehern horizontal zehn 3,5 mm starke Drähte und alle 100 m ein Ratschenspanner angebracht.
Bisonherde aus Ostdeutschland
Jetzt fehlten nur noch die Bisons. „Es war gar nicht so einfach, eine Herde aufzutreiben“, sagt Egger. „Als vor sechs Jahren aufgrund der starken Regenfälle in Ostdeutschland bei einem Magdeburger Landwirt mehr als 100 Hektar Fläche überschwemmt wurden, konnten wir seine Bisonherde mit 30 Tieren samt Stier übernehmen. Weil er das Futter für sie nicht mehr herbeischaffen konnte, hat er das Handtuch geworfen.“ Inzwischen ist die Bisonherde auf dem „Kogelhof“ auf 17 Muttertiere samt 46 Nachkommen angewachsen. „Anfangs hatten wir eine lange Durststrecke, bis wir regelmäßig schlachten konnten.“
Denn ein Bisonkalb braucht drei Jahre, bis es erstmals belegfähig ist. Die nicht nachgestellten weiblichen Tiere benötigen bis zur Schlachtreife drei Jahre und erreichen bis dahin ein Lebendgewicht von 350 bis 370 kg, die männlichen werden erst im Alter von vier Jahren und 620 bis 670 kg geschlachtet. Bei einer 100 %igen Abkalbung werden auf dem Kogelhof jährlich jeweils sechs bis sieben weibliche und männliche Kälber geboren.
Robust, aber mit speziellen Anforderungen
Im Sommer grasen die Nordamerikanischen Bisons auf der Weide, zusätzlich wird ihnen als Raufutter Heu vorgelegt. Im Winter fressen sie hauptsächlich Heu und Gärheu, jeden dritten Tag Biertreber und sehr geringe Mengen von Kren als natürliches, vorbeugendes „Penicillin“. Um den hohen Selenbedarf der Tiere zu decken, erhalten sie portugiesisches Lecksalz.
Auch wenn Bisons einen friedlichen Charakter haben, sind sie mit Vorsicht zu genießen. „Handzahm sind sie jedenfalls nicht und zu ihnen auf die Weide gehe ich sicherheitshalber auch nicht.“
Für den Weideschuss hat die Familie eine EU-Ausnahmebewilligung, da für Bisons dieselbe Regelung gilt wie für Farmwild. „Die Tötung auf der Weide ist für die Tiere zwar stressfrei, aber für mich eine äußerst heikle Prozedur.“ Bereits zwei Tage vorher wird ein Kettenbagger auf die Weide gestellt, damit sich die Tiere daran gewöhnen. „Der Bison, den wir für die Schlachtung ausgesucht haben, muss beim Schuss am richtigen Platz stehen, das kann schon mal einen halben Tag dauern“, erklärt Egger, der als Jäger den Abschuss selbst vornimmt.
Nicht auszumalen, was passieren würde
„Ich habe nur einen Schuss und der muss exakt passen. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert, wenn das Tier verletzt flüchtet und die restliche Herde in Panik gerät“, erklärt der Landwirt. Eggers Sohn Gerhard sitzt vor dem Abschuss bereits im Bagger und dann muss alles schnell gehen. „Bis zum Öffnen der Schlagader für das Ausbluten bleiben mir nach dem Gesetz nur 60 Sekunden.“ Es erfolgt in einer weißen, großen Box abseits der Weide. Anschließend erfolgt der Transport des Tierkörpers in den Schlachtraum.
Nach der Schlachtung versendet die Familie einen Newsletter an ihre Kunden, wann sie ihr vorbestelltes Frischfleisch abholen können. Neben Frischfleisch werden den Abnehmern zahlreiche veredelte Produkte angeboten wie Salami und Leberkäse in fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen, Streichwurst, Frankfurter oder Bratwürste. Je nach Körperstück bewegen sich die Kilo-Preise für das Bisonfleisch zwischen 30 und 120 €.
Auch die Haut wird in Wert gesetzt
Schlachtabfälle gibt es auf dem Betrieb so gut wie nicht. „Wir verwerten alles, was möglich ist. Die Veredelung der Fleischreste ist das A und O in der Direktvermarktung.“ Selbst die Schädel kocht Egger aus und verkauft sie als Trophäen. Die Bisonhäute lässt die Familie gerben. Für den Eigenbedarf stellt Heide Egger aus dem Bisontalg Seife her.