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Impulse

Gute Ideen für Erfolg am Hof

Green-Care-Zertifizierung Senninghof
Patrizia Schallert
am Donnerstag, 08.07.2021 - 16:22

Die Webinar-Reihe „Ideenacker“ präsentierte wieder vorbildliche Projekte und Ideen, wie sich die Wertschöpfung erhöhen lassen könnte.

Nach einem erfolgreichen Start im April ging jetzt die Webinar-Reihe „Ideenacker“ in die nächste Runde. In jeweils 60 Minuten erhielten die Teilnehmenden Denkanstöße, wie sich innovative Ideen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb effektiv umsetzen und die Wertschöpfung erhöhen lassen könnten.

Der Ideenacker ist ein neues Konzept einer Gemeinschaftskooperation von LFI und LK Österreich und Teil des bundesländerübergreifenden Bildungsprojekts „LK & LFI Innovationsoffensive“. Es wird von Bund, Land und EU gefördert. Irene Gombotz, Obfrau des steirischen Vereins „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“, Helga Swanton vom Green Care-Auszeithof „Senninghof“ und Silvia und Andreas Teufl von der „Bio Farm Teufl stellten ihre Geschäftsmodelle vor.

Jung, wild und stark beim frischen Gemüse

Irene Gombotz ist vor zehn Jahren in den elterlichen Biobeeren- und Biogemüsehof in Straden eingestiegen. Sieben Jahre später übernahm sie ihn, nachdem sie die Ausbildung zur Facharbeiterin und Meisterin für Feldgemüsebau absolviert hatte. In ihrem Vortrag stellte Gombotz den Verein „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“ mit seinen heute sechzehn Mitgliedern vor. Kennengelernt haben sich die jungen Bäuerinnen und Bauern schon vor einem Jahrzehnt während ihrer Facharbeiter-Ausbildung. Von Beginn an habe untereinander ein intensiver Austausch stattgefunden. Später entstand die Idee, mehr daraus zu machen und dem Gemüsebau in der Steiermark wieder „ein Gesicht zu geben“.

Biobeeren-Betrieb Gombotz

Aus dem Zusammenschluss von Freunden entstand 2017 ein Verein. „Unsere Vision geht dahin, qualitativ hochwertige, kreative Produkte zu erzeugen und in der Region zu vermarkten“, sagte Gombotz. „Dadurch erreichen wir nicht nur eine höhere Wertschöpfung für uns selbst, unsere Betriebe und unsere Produkte, sondern auch für die Region.“ Ein weiteres Ziel der Kooperation sei es, von der Arbeit am Hof leben zu können.

Marktdruck sorgte für neue und kreative Ideen

Rund die Hälfte der Mitglieder baute zum Zeitpunkt der Vereinsgründung hauptsächlich Paradeiser in kalten Folienhäusern an. Marktbedingt war der Druck in diesem Segment immer größer geworden und es galt innovative Vermarktungswege zu finden. 2016 entstand mit dem „Steirischen Paradeisersaft“ das erste neue Produkt des Vereins. Dafür wurde er mit dem „Steirischen Vulkanland Innovationspreis“ im Bereich Kulinarik ausgezeichnet. „Das hat uns motiviert weiterzumachen und weitere Produkte zu entwickeln“, blickte die 36-jährige Biobäuerin zurück. So wurden neben dem Paradeisersaft zusätzlich ein Paradeiseressig und zwei verschiedene Ketchups kreiert, die von den Betrieben über den Verein „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“ mit einem eigenen Vereinslogo vermarktet werden. Gleichwohl ist auf dem Logo der Name des jeweiligen Produzenten vermerkt. „Wir sind keine Verkaufsgemeinschaft, sondern treten nur nach außen hin gemeinsamen auf“, erklärte Gombotz. Daher sei auch jeder Betrieb selbst für die Preisgestaltung bei seinen Produkten verantwortlich.

Vor drei Jahren hat der Verein ein weiteres Erfolgsprojekt gestartet. Sechs junge Produzierende bauen auf einer Fläche von insgesamt 16 ha jeweils zur Hälfte grünen und weißen Spargel in der Region Bad Radkersburg an. „Früher gab es dort keinen Spargelanbau und so konnten sich die Betriebe damit ein neues Standbein schaffen.“ In den nächsten fünf Jahren sollen die Spargelflächen verdoppelt und der Spargel den steirischen Verbrauchern schmackhaft gemacht werden. „Erfreulicherweise konnten wir Spar Österreich in der Steiermark als Partner gewinnen und wir dürfen den Spargel unter unserem eigen Label vermarkten.“

Mit Kurkuma und Ingwer erfolgreich im Markt

Im vergangenen Jahr startete der Anbau von Bio-Ingwer und Bio-Kurkuma, ebenfalls in Kooperation mit Spar. Drei Betriebe kultivieren jetzt auf 0,6 ha Bio-Ingwer und auf 0,3 ha Bio-Kurkuma. Die frischen Rhizome werden über die Eigenmarke der Jungen Wilden vermarktet. Sie haben eine Verdoppelung der Anbaufläche in den nächsten drei Jahren im Visier. Ein weiteres Projekt ist die Eingliederung von Bio-Beeren in den Verein „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“.
Grundlegend für den Erfolg neuer Projekte seien nicht nur regelmäßige Veranstaltungen und Auftritte in den Sozialen Medien – auf Facebook folgen den Jungen Wilden mehr als 4000 und auf Instagram rund 1600 Abonnenten –, sondern auch der Kontakt zur regionalen Presse.

Betriebe sollten sich nicht scheuen, auf die Lokaljournalisten zuzugehen. „Dadurch haben wir bis dato keinen einzigen Euro für Werbung ausgegeben.“ Um Überproduktionen zu vermeiden, empfahl die Biogemüsebäuerin vor allem Neueinsteigern eine durchdachte Anbauplanung, besonders mit Blick auf geplante Lieferungen an die Gastronomie oder den LEH.

Wesentliche Erfolgsfaktoren der Kooperation sind Gombotz zufolge die Zusammenarbeit mit den Berufskollegen, der offene Umgang untereinander, der Erfahrungsaustausch, die weitgehend Eigenständigkeit der einzelnen Betriebe und die gegenseitige Motivation. „Als ich den Betrieb von meinen Eltern übernommen habe, waren die goldenen Jahre des Paradeiseranbaus vorbei.“ Durch die Gemeinschaft seien auch auf ihrem Betrieb neue Produkte entstanden. „Ohne den Verein würde es unseren Betrieb in dieser Form sicher nicht geben und wenn, dann nicht im Vollerwerb.“

Auch Quereinsteiger können Chancen nutzen

Helga Swanton ist ausgebildete Psychotherapeutin, Supervisorin und Coach. Als Quereinsteigerin in die Landwirtschaft führt sie mit ihrer Familie den „Senninghof“ in Kirchstetten im Bezirk St. Pölten-Land. Mit seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche von 11 ha ist er seit den 1930er-Jahren in Familienbesitz, war allerdings immer verpachtet. Vor sechs Jahren haben Helga und Aidan Swanton den Betrieb und rund 3 ha Grünland für die Zucht von Alpakas wieder übernommen, die restlichen Flächen sind nach wie vor verpachtet. Zeitgleich engagierte sich das Betriebsleiterpaar bei der „Alpaca Association Austria“, bei der Helga Swanton m Vorstand sitzt.

Green-Care-Zertifizierung Senninghof
Der Senninghof ist zur Arbeitsstätte für die ganze Familie geworden: Helga ist für das Gesamtmanagement verantwortlich, Tochter Sally organisiert Adventmärkte, Veranstaltungen, Alpakawanderungen mit den halfterführigen Hengsten und betreut den Hofladen. Tochter Claire führt eine Praxis für Medizinische und Heil-Massage am Hof, Ehemann Aidan ist Grafikdesigner und Universitätsdozent. In die Betreuung der 18 Alpakas ist die ganze Familie involviert. „Wir wollten Tiere züchten, die nicht geschlachtet, sondern wegen ihrer Wolle gehalten werden“, erklärte Swanton.

Alpaka-Wolle wird zum Verkaufsschlager

Alpakawolle sei eine der feinsten Naturfasern. Die Tiere werden einmal jährlich geschoren, wobei jedes Tier rund zwei bis drei Kilogramm Wolle in verschiedener Qualität liefert. Sie wird bei der Schur sortiert, anschließend vorgereinigt und an verschiedene Wollhersteller verschickt. Von diesen wird sie gewaschen, kardiert und gesponnen. Danach kommt die Wolle naturbelassen, also nicht gefärbt, in Knäuelform auf den Senninghof zurück.
Außerdem lässt Familie Swanton Bettdecken und Schuheinlagen aus Alpakawolle produzieren. Im gewerblich geführten Hofladen werden neben eigenen Produkten zugekaufte Alpaka-Accessoires aus Peru verkauft.
Mit Blick auf die Potenziale des Senninghofs – unberührte Natur, ein schöner Bauernhof, die Gesundheitsberufe der Familienmitglieder und die Alpakas – stieß Helga Swanton auf den Verein „Green Care Österreich“. Das bundesweite Kompetenznetzwerk steht für Aktivitäten und Interaktionen zwischen Mensch, Tier und Natur. Je nach Zielgruppe verfolgen land- und forstwirtschaftliche Green Care-Betriebe gesundheitsfördernde, pädagogische oder soziale Ziele.

Inzwischen ist der Senninghof ein zertifizierter Green Care-Auszeithof mit Praxen für Psychotherapie, Coaching und Supervision sowie Medizinische- und Heilmassage. „Wir bieten unseren Kunden eine Auszeit vom Alltagsstress, tiergestützte Interventionen und Alpakawanderungen oder auch Bewegung, Ruhe und Entschleunigung in der Natur und am Hof“, sagte Swanton. Außerdem gibt es eine Übernachtungsmöglichkeit für bis zu zwei Personen in einem Appartement. Als Partnerbetrieb der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) bietet der Betrieb Gesundheitsprogramme an. Die Kosten werden SVS-Versicherten zum Teil über den „Gesundheitshunderter“ erstattet. „Die Arbeit mit den Tieren, der Natur und den Klienten gibt auch uns als Familie viel Kraft und Energie“, bestätigte Swanton.

Direktvermarktung bringt besten Erlös beim Fleisch

Silvia und Andreas Teufl haben ihre beiden elterlichen Betriebe in Faistenau in Salzburg (5 Fleckvieh-Mutterkühe, 7 ha Grünland, 8 Milchkühe und 16 ha Grünland) zusammengeschlossen und umstrukturiert. (Das Wochenblatt berichtete in Heft 4 vom 29. 1. 2021.) Auf der Suche nach einem geeigneten Betriebstyp und einer dazu passenden Rinderrasse sind sie auf Galloways gestoßen. Diese Rinder sind robust, genügsam, leichtkalbig, genetisch hornlos und erreichen bei langsamem Wachstum ein Gewicht von 450 bis 600 kg. „Ihre Zutraulichkeit aber muss ständig aufs Neue erarbeitet werden“, betonte die Biobäuerin.

Weil sich nur durch die Direktvermarktung des Gallowayfleisches und der veredelten Produkte wie Pulled Beef oder Pastrami eine hohe Wertschöpfung erzielen lässt, wurde in die Errichtung eines Hofladens und eines Kühlhauses investiert. Ursprünglich wurden die Galloways bei einem Metzger in der Region geschlachtet. „Um aus den Schlachtkörpern möglichst viel Fleisch herauszuholen, habe ich mich gemeinsam mit einem befreundeten Metzger intensiv mit der Amerikanischen Zerlegung, den sogenannten BBQ-Cuts auseinandergesetzt, sagte Andreas Teufl. „Als leidenschaftlicher Griller habe ich die verschiedenen Fleischstücke zuerst selbst zubereitet, damit ich unsere Kunden gut beraten kann.“

Teufl Galloway-Rinderzucht

Vom Nebenerwerb ging es in den Vollerwerb

Weil immer mehr Kunden regionale Produkte bevorzugen und die Nachfrage nach Erzeugnissen der Bio Farm Teufl auch aus dem Gastronomiebereich zunimmt, hat das Betriebsleiterpaar heuer einen eigenen EU-zertifizierten Schlachtraum samt Zerlegungsraum eingerichtet, außerdem wurde der Hofladen vergrößert.
Durch diese Maßnahmen konnte der Betrieb vom Neben- in den Vollerwerb geführt werden. Das Marketing erfolgt vor allem über die Sozialen Medien, die eigene Internetseite und mit Newslettern. Rund 80 % der Kunden kommen über Facebook oder Instagram auf uns zu, sagte Silvia Teufl. Allerdings sei der Aufwand für die Betreuung der Sozialen Medien von rund einer Stunde täglich nicht zu unterschätzen. Regelmäßige Verkostungen seien so wichtig wie die Kunden im Hofladen die veredelten Produkte probieren zu lassen, merkte Andreas Teufl an, Kundenbindung sei wichtig.
Inzwischen stehen auf Andreas´ ehemaligem elterlichen Betrieb im Faistenauer Ortsteil Tiefbrunnau 28 Mutterkühe samt Kälbern und einem Zuchtstier. Am Hof in Faistenau-Schönau, wo er mit seiner Frau Silvia und seinen drei Kindern lebt, werden die Ochsen und Kalbinnen ab einem Alter von zehn Monaten bis zur Schlachtreife von drei Jahren gehalten. Den Sommer verbringen die Masttiere auf einer Genossenschaftsalm. Insgesamt bewirtschaftet die Familie Teufl 30 ha Grünland. Für die Zukunft strebt das Betriebsleiterpaar die Zusammenarbeit mit einem Galloway-Partnerbetrieb an.