Ab kommendem Jahr müssen sich Landwirte auf neue Düngevorgaben einstellen. Vor allem wurden die Maßnahmen in Grünen Gebieten verschärft. Denn der Bund hat seine Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung (NAPV) novelliert. Die Neuerungen gelten ab 1. Januar 2023. Zudem hat die Fläche der Grünen Gebiete nach Niederösterreich um rund 260.000 ha zugenommen, in Oberöstereich soll sie indes stabil geblieben sein.
Nach Informationen des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BML) lässt die Grundwasserqualität in Österreich zwischen 2018 bis 2020 (Datenbasis NGP 2021) zwar einen positiven Trend erkennen. Allerdings wurde der Schwellenwert für Nitrat von 45 mg/l an 177 oder 9,2% von 1.931 Messstellen festgestellt.
Aus Sicht des Ministeriums war es daher notwendig, die flächendeckenden und speziellen Regelungen des Nitrat-Aktionsprogramms für Gebiete mit verstärkten Aktionen gemäß Anlage 5 (Grüne Gebiete) weiterzuentwickeln, um die Wirksamkeit zu verbessern.
BML glaubt auf Ende Prüfverfahren
Mit der Novelle geht das das BML davon aus, dass mit dieser Verordnung die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ausgeräumt sind. Dieser hatte Anfang Oktober ein Prüfungsverfahren zur NAPV eingeleitet, weil der Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland, gemeinsam mit der niederösterreichischen Gemeinde Zillingdorf und einem Biolandwirt vor dem Verwaltungsgericht Wien Beschwerde einlegten.
Die Novelle der NAPV ist laut BML inhaltlich mit dem nationalen GAP-Strategieplan abgestimmt, der ebenfalls ab 1. Januar 2023 umgesetzt wird. Damit können Landwirte auf freiwilliger Basis weitergehende Maßnahmen, unter anderem zum Grundwasserschutz, die über den Regelungen der NAPV hinausgehen, in Anspruch nehmen.
Ausnahmen zum Verbot der Herbstdüngung
Wesentliche Änderungen im gesamten Bundesgebiet beziehen sich unter anderem auf verstärktes Berücksichtigen der Vorfruchtwirkung von Zwischenfrüchten, Leguminosen und Ernteresten sowie des N-Gehaltes im Bewässerungswasser bei der Düngebemessung. Gleichzeitig wurden die Düngeobergrenzen für Gemüsekulturen überarbeitet.
So dürfen Landwirte in mittleren Ertragslagen (40 bis 60 t/ha) zum Beispiel bei Zwiebeln maximal 145 kg N/ha ausbringen, bei Karotten (67-112 t/ha), 180 kg N/ha. Bei Spargel beträgt die Obergrenze 80 kg N/ha bei mittleren Erträgen zwischen 8 bis 12 t/ha. Auch im Weinanbau gelten Düngeobergrenzen.
Gleichzeitig sind aufzeichnungspflichtige Betriebe bei Düngung nach hoher Ertragslage durch Wiegebelege oder Ertragsermittlung über (Silo)Kubatur (Grünland und Ackerfutterflächen ausgenommen) das Ertragsniveau darzulegen. Nach der Ernte der Hauptkultur dürfen Landwirte im Herbst aus Ackerflächen nicht Düngung, ausgenommen sind aber Winterraps, Wintergerste und Zwischenfrüchte.
Aufpassen bei Lagerung von Wirtschaftsdünger
Änderung gibt es auch bei der Lagerung von Wirtschaftsdüngern. Grundsätzlich hat sie in flüssigkeitsdichten Behältern oder auf technisch dichten Flächen mit geregeltem Abfluss der Sickersäfte in eine flüssigkeitsdichte Gülle-, Jauche oder Sammelgrube zu erfolgen. Es gibt aber Ausnahmen. Stallmist darf bei überdachten Flächen auch ohne Sammelgrube gelagert werden. Auf unbefestigten Flächen am Hof oder auf dem Acker darf Stallmist maximal 5 Tage zwischengelagert werden.
Daneben müssen Landwirte Uferrandstreifen vom mindestens 3 m entlang von Gewässern ganzjährig begrünen. Einmal mit 5 Jahren darf der Randstreifen umbrochen werden. Bei stehenden Gewässern dürfen Landwirte auf einem Streifen von 20 m zur Böschungsoberkante nicht düngen. Bei fließenden Gewässern verkürzt sich die Breite des düngefreien Streifens auf 10 m. Mindestens 1,5% der aufzeichnungspflichtigen Betriebe sind durch die Gewässeraufsicht zu kontrollieren.
Weitere Verschärfungen in Roten Gebieten
Verschärft wurden auch einige Maßnahmen in Roten Gebieten (Gebiete gemäß Anlage 5), vor allem bei den Düngerobergrenzen. Sie wurden um 10 bis 15 % gegenüber den übrigen Regionen abgesenkt. Bei Wein liegt sie künftig bei 50 kg N/ha. Alle aufzeichnungspflichtigen Betriebe sind verpflichtet, ihre Erträge durch Wiegebelege oder bzw. Ertragsermittlung über Silokubatur nahzuweisen. Das gilt jedoch nicht für Grünland, Ackerfutterflächen und Kleinschläge. Außerdem ist in Anlehnung an Öpul- Maßnahme „Schlagbezogene Bilanzierung“ der N-Saldo zu ermitteln und die Ergebnisse für die Beratung zu verwenden. Die Kontrollrate ist wie in anderen unbelasteten Gebieten bei mindestens 1,5% angesetzt.
Gegenüber dem Begutachtungsentwurf verringert sich nach Ministeriumsangaben für Weizen, Mais und Raps, welche für die Versorgungssicherheit bedeutend sind, die Düngeobergrenzen auf ca. 10% statt 15% im Begutachtungsentwurf. Für andere Ackerkulturen bleibt es bei der Absenkung Düngeobergrenzen von ca. 15%.
Bauern kritisieren Novelle scharf
Massive Kritik an der NAPV-Novelle äußert die Organisation Land schafft Verbindung Österreich. Seiner Meinung nach werde sie nicht erwünschten Ziel führen. Der Verein verweist darauf, dass es hierzu bereits vor 20 Jahren einen 13-jährigen Versuch gab. Selbst eine Düngerreduzierung um 35% verbesserte kaum die Auswaschung, auch nicht hinsichtlich des gelösten Stickstoffs im Sickerwasser. Zwischenfruchtanbau vermindere jedoch rapide die Auswaschungen, egal wie gedüngt werde, so der LSV. Er hält es für wesentlich besser Ackerflächen möglichst dauerhaft vegetativ zu halten. Der Zeitraum nur bodenbearbeitete Flächen ohne Bewuchs sei kurz zu halten, da eine Pflanzendecke als Nitratsenke wirke, so LSV-Obfrau Ruth Boßmann, Obfrau.
Der Verein fordert den Bund auf, die Novelle umgehend zurückzuziehen und tatsächliche Lösungen zu erarbeiten. Hierbei sollte Gülle nicht pauschal als leichtlöslicher Dünger eingestuft werden, sondern es sei zwischen den verschiedenen Arten der Gülle zu unterscheiden. Rindergülle beispielsweise ist nach LSV-Ansicht wesentlich schwerer löslich als aufbereitete Biogasanlagen-Gülle
Fast 3 Semmeln pro Tag weniger
Boßmann warnt zudem vor sinkenden Erträgen und einer Bedrohung der Versorgungssicherheit, wenn die Düngung verringert wird. Nach Vereinsberechnungen bedeutet eine 15prozentige Verringerung der N-Düngung, also rund 28,5 kg N/ha weniger, rund 1,5 t/ha weniger Ertrag. Bei einer Weizenanbaufläche 237.436 ha sinke die Weizenernte um gut 375000 t. Somit stehen pro Einwohner in Österreich dann zukünftig 41,7kg Weichweizen jährlich weniger zur Verfügung. Bei 45g Gramm Weizen pro Semmel entspricht das laut LSV 2,5 Semmeln pro Tag und Einwohner.
Weiterhin kritisiert der Verein die massive Einschränkung der Herbstdüngung. „Ist eine Startdüngung im Herbst nicht mehr möglich, müssen größere Mengen im Frühjahr gedüngt werden, was das Risiko einer Nitratauswaschung wesentlich erhöht,“ warnt Josef Mair, Obfrau Stellvertreter. Außerdem könne im Frühjahr in bereits bestehender Kultur die Gülle nicht mehr eingearbeitet werden. Dies führe zu mehr Feinstaub und Methan aber auch zu mehr Geruchsbelästigung. Die Einschränkung des Zeitfensters für die Düngung um mehr als 2 Kalenderwochen erschwert in den Augen des Vereines die Arbeit der Landwirte zusätzlich umwelt- und bodenschonend zu arbeiten. So könne ein verkürzter Zeitraum bei unpassendem Herbstwetter sehr schnell problematisch werden.
Waldflüsse aus Monitoring streichen
Auch muss bei der Ursachenforschung genauer hingesehen werden, ob erhöhte Nitratwerte im Grundwasser tatsächlich durch die Landwirtschaft verursacht wurden. Beispielsweise ist die Traun-Enns-Platte laut LSV schon über viele Jahre als Rotes Gebiet markiert. Das Grundwasser dort werde vom Alpensaum gespeist. Das Grundwasser der Traun-Enns-Platte werde durch Wasser des bewaldeten Sensengebirges gespeist. Viele Flächen dort gehören den Bundesforsten. Dieses Grundwasser habe von Natur aus höhere Nitratwerte hat, als Wasser welches dem, nicht bewaldetem, Toten Gebirge stamme. Daher fordert Land schafft Verbindung Österreich, Flüsse, die aus Wäldern kommen, aus dem Monitoring für die Landwirtschaft zu streichen.