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Seminar

Gesehen werden im Netz

Kundengespraech-Symbolfoto
Patrizia Schallert
am Dienstag, 18.01.2022 - 08:02

Ein Seminar der der HBLFA Raumberg-Gumpenstein zeigt, wie man einen Online-Shop aufbaut und zum Erfolg führt.

Produkte zu erzeugen ist das eine, sie auch gut zu verkaufen das andere, besonders in Zeiten, in denen das Internet als Verkaufsplattform zunehmend an Bedeutung gewinnt. Auf dem Webinar der HBLFA Raumberg-Gumpenstein „Online Vertrieb & Marketing – landwirtschaftliche Betriebe gehen neue Wege“ erklärten Experten aus dem Werbebereich, welche Voraussetzungen ein erfolgreiches Onlinemarketing erfüllen muss. DI Christian Fasching, Mitarbeiter am Institut für Tier, Technik und Umwelt an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, moderierte die Onlinetagung. Mehr als 200 Teilnehmer aus sechs Nationen hatten sich angemeldet.

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Das Thema „Online Vertrieb & Marketing“ wurde gewählt, weil viele landwirtschaftliche Betriebe mehr tun wollen als nur Kosten sparen, sagte Fasching. Als Keynote Speaker konnte Florian Gschwandtner gewonnen werden. Er ist am elterlichen Ackerbaubetrieb in Strengberg (Niederösterreich) aufgewachsen und hat die HBLFA Wieselburg und ein Studium an der FH Hagenberg absolviert. 2009 gründete Gschwandtner gemeinsam mit drei Freunden das Unternehmen „Runtastic“, das vor sechs Jahren für 220 Mio. € von Adidas übernommen wurde.

Die Digitalisierung lässt keine Branche aus, sie entwickelt sich exponentiell und ist einem ständigen Paradigmenwechsel unterworfen, stellte Gschwandtner fest. Beispiele für diesen Wandel seien die Elektromobilität oder die künstliche Intelligenz mit der Automatisierung von einfachen Arbeitsschritten. Möglich machen ihn unlimitierte und günstigere Ressourcen. „Nahezu jeder hat einen super Computer in seiner Hosen- oder Handtasche, ist mit dem Internet verbunden, es besteht eine fast unendliche Reichweite und das Speichern großer Datenmenge ist möglich.“ In einer einzigen Internetminute werden knapp 10 000 Connections auf Linkedin durchgeführt und Amazon verkauft seinen intelligenten Lautsprecher Amazon Echo fast tausendmal. „Das sind wichtige Informationen für jeden landwirtschaftlichen Betrieb, der eine eigene Website betreibt oder in das Onlinemarketing einsteigen will.“

Die Digitalisierung sei Herausforderung und Chance, durch sie entstehe eine neue Ökonomie, die Netzwerk-Ökonomie. Eine Vielzahl von Daten lässt sich austauschen, wobei der Kunde im Mittelpunkt steht. Auch in der Landwirtschaft schreitet die Digitalisierung voran, sei es mit Precision Farming unter Einsatz GPS-gesteuerter Technik oder bei der Tierüberwachung im Stall. Das Smart Farming vernetzt Geräte, Maschinen und Systeme. Im Digital Farming werden elektronische Daten und Informationen in einer Wertschöpfungskette digital gesammelt, gespeichert, analysiert und geteilt. Diese intelligenten Systeme sind auf ein Mehr an Effizienz und Effektivität ausgerichtet, so Gschwandtner. „Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung und das gilt auch für das Arbeitsleben.“

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Abschließend gab der erfolgreiche Unternehmer seinen Zuhörern noch einige Motivationstipps mit auf den Weg. „Gleich ob wir die Nummer Eins sind, wir müssen uns immer neu erfinden, dürfen uns nie zu sicher fühlen oder zu hochnäsig sein, um neue Technologien auszuprobieren. Außerdem sollten gerade wir Österreicher ein bisschen größer und vor allem an die nächste Generation denken, weil wir sie auf unseren Betrieben brauchen und sie die Kunden unserer Zukunft sind.“

Mit einem klaren „Ja“ beantwortete Dr. Gerald Grausgruber, Geschäftsführer der AgroMarketing GmbH in Ried im Innkreis (Oberösterreich), die Frage: „Ist ein Online-Konzept der richtige Marktplatz für Direktvermarkter und Betriebe mit Urlaub am Bauernhof, um ihre Produkte und Dienstleistungen anzubieten?“ Grausgruber räumte mit einigen Irrtümern auf, wie „Wenn ich online bin, bin ich sichtbar“, oder „Wenn ich einen Onlineshop habe, läuft er von selbst“. In der Online-Welt regiere der Algorithmus der großen Konzerne. Er sei darauf getrimmt, hochemotionale Inhalte herauszufiltern, deshalb funktionierten auch Fake und Bad News auf den Social Media Kanälen. „Nutzen Sie deshalb diesen Algorithmus für Ihre Botschaften, Produkte oder Ihr Ferienangebot am Bauernhof.“

Eine Marke aufbauen

Eine reine Platzierung sei zu wenig. Eine Marke müsse aufgebaut, Sympathie und Content geschaffen werden. „Erzählen Sie Ihre Geschichte immer wieder aufs Neue“, empfahl Grausgruber. „Versuchen Sie, sich in den User oder den Endverbraucher hineinzudenken, was ihn interessieren könnte, was er von Ihrem Betrieb oder Ihren Produkten wissen möchte.“ Das bedeute natürlich Arbeit, aber gebe auch eine gewisse Sicherheit, eine eigene Positionierung zu erzielen und die Alleinstellungsmerkmale des eigenen Betriebs herauszustellen. „Zeigen Sie den Menschen, wo Sie zuhause sind, wie Ihre Umgebung aussieht, was Sie besser machen als andere oder welchen Mehrwert Kunden haben, die zu Ihnen kommen.“

Ein stimmiges Konzept erstellen

Dabei helfen ein stimmiges Konzept, ein Regieplan, Storys über den Bauernhof und die Menschen, die dort arbeiten, über die Produkte oder Dienstleistungen. „Wenn Menschen Sympathie und Vertrauen zu Ihrer Marke entwickeln, werden Sie den Erfolg am Ende des Tages sehen.“ Gesponserte Beiträge seien noch lange kein Garant, dass eine Website gesehen wird, denn der Algorithmus sei darauf ausgelegt, unterhaltsame und gute Inhalte zu filtern und zu forcieren. „Je mehr Interaktionen auf Ihrer Seite stattfinden, desto mehr werden die Algorithmen gefördert.“

Der Online-Marktplatz ist klar die Zukunft, aber was am Smartphone nicht hervorsticht, geht verloren, sagte Grausgruber. Mehr als 90 % der User seien nur noch mit dem Smartphone unterwegs. Das heißt, es gehe nicht nur um eine schöne Website und gute Inhalte, sondern jeder Betrieb müsse sich überlegen, über welche Kanäle er am Smartphone gut sichtbar ist. Notwendig sei die Entwicklung einer Strategie für eine zielführende Präsentation.

„Ihr Online-Marktplatz funktioniert dann, wenn Sie eine Welt um Ihre Produkte schaffen, diese mit qualifiziertem Inhalt und Emotionen aufbauen und die User zu Interaktionen einladen. Generieren Sie Kontakte und betreiben Sie aktive Kundenbindung.“ Das Sammeln von Daten zu potenziellen und bestehenden Kunden gewinne immer mehr an Bedeutung. „Es ist leichter, einem bestehenden Kunden wieder etwas zu verkaufen als neue Kunden zu gewinnen.“ Wer seine Kunden und ihr Kaufverhalten kennt, sollte sie immer wieder ansprechen.
Mag. Martin Aichholzer stellte ein „Mini-Rezept“ für den eigenen Online-Shop vor. Der ehemalige Jurist und Journalist beschäftigt sich seit 20 Jahren hauptberuflich als Markenberater, Trainer und Lektor mit dem Thema „Marketing“ und erklärte, was ein Betreiber für einen Online-Shop mitbringen sollte:
  • eine gewisse Technik (rund 10 %)
  • Produkte, die online verkauft werden sollen (20 %)
  • Engagement, um den Shop zu betreiben, zu betreuen und zu optimieren (30 %) und
  • die Kundenorientierung, der wichtigste Bereich für den Erfolg (40 %).
„Nur eine Website und einen Webshop online zu stellen genügt nicht, die Arbeit fängt dann erst richtig an“, sagte Aichholzer. „Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“ Genauso verhalte es sich im Marketing. Der Shop und die Produkte müssen darauf ausgerichtet sein, dass die Kunden zufrieden sind.
Wer einen Onlineshop einrichten will, sollte über die Zielgruppe nachdenken, was diese charakterisiert oder was sie sich wünscht. Im Marketing wird ein solches Persönlichkeitsprofil „Persona“ genannt. Es bezeichnet nicht bereits vorhandene „echte“, sondern idealtypische Kunden. Der zweite Schritt ist die Positionierung am Markt. Was ist das Besondere an meinem Shop, den ich aufbauen will? Wodurch sticht er aus allen anderen heraus? Mit welcher Strategie lässt sich dieses Besondere mit Leben füllen?
Der Marketingexperte empfahl, selbst Kunde im eigenen Shop zu sein. „Ihre Familienmitglieder, Sie selbst oder Freunde sollten so oft wie möglich mit Ihrem Shop interagieren, um festzustellen, ob auch alles genau so funktioniert, wie Sie es sich überlegt haben.“ Um das Unternehmerziel zu erreichen, benötige es einen agilen Businessplan, mit dem täglich gearbeitet wird und der sich auch verändern lässt. Auf dem einseitigen Plan wird festgehalten, wer die Partner und Kunden sind und was sie erwarten, welche Kommunikationskanäle vorhanden sind, welche Kernressourcen aufgebaut werden müssen, wo sich Einnahmen generieren lassen und wo Kosten entstehen. Dafür empfahl Aichholzer das „Business Model Canvas – Der Businessplan auf einem Blatt Papier“.

Mit der realen Welt verknüpfen

Nicht jedes Produkt sei online-tauglich oder einfach zu präsentieren. „Das Internet ist zwar eine Abbildung der Realität, aber ungenauer, weil nach heutigem Stand der Technologie der User von seinen fünf wichtigsten Sinnen – Sehen, Hören, Riechen, Spüren und Schmecken – nur zwei nutzen kann, nämlich Sehen und Hören.“ Manchmal sei es sinnvoll, den Onlineshop mit der realen Welt zu verknüpfen und Produkte auch im Hofladen zu verkaufen.

„Sobald Sie mit einem Webshop online gehen, sind Sie theoretisch für die gesamte Welt sichtbar.“ Das habe zwar große Vorteile, berge aber auch Herausforderungen wie die Transparenz der Preise für andere Anbieter oder die Konfrontation mit anderen Kulturen, die eine andere Erwartungshaltung haben. Das alles habe Auswirkungen auf die Verkaufszahlen, die Kundenzufriedenheit und die Rücksendequote. „Bedenken Sie stets: Ist ein Kunde nicht zufrieden, schickt er Ihnen das Produkt wieder zurück.“
Das A & O eines Online-Shops sei eine gute Produktbeschreibung mittels Bildern, Videos und weiterführenden Details. Der Shop sollte so strukturiert sein, dass der Besucher nicht nur sucht, sondern auch findet. Hier könnte ein Chat gute Dienste tun. Die Suchmaschinenoptimierung hilft dabei, dass die Website im Netz gefunden wird. Dazu zählen eine suchmaschinenfreundliche Programmierung, der Einbau von typischen Suchbegriffen in Texten oder die Generierung von Links.
Für die Erstellung eines Onlineshops wird ein sicherer Speicherplatz, also ein Server benötigt, der immer mit dem Internet verbunden ist. „Das kann ein eigener Server sein, aber sinnvoller für Neueinsteiger ist ein gemieteter Server.“ Die Kosten für ein Hosting beginnen bei rund 60 € jährlich. Die Domain, also die Adresse, unter der der Shop erreichbar ist, sollte einfach und passend, rechtlich zulässig und gut auffindbar sein. Sie kann zu einem Preis von jährlich 12 bis 60 € gemietet werden.
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Aichholzers persönlicher Tipp für die Server- und Domainmiete ist das bayerische Web-Hosting-Unternehmen „Domain Factory“, weil es über einen guten Kundensupport verfüge. Auch die Shop-Software sollte sowohl für den Betreiber als auch für die Kunden gut bedienbar sein, kompatibel mit dem Bestandssystem, beispielsweise einem Warenwirtschaftssystem, sein, mitwachsen können und leistbar sein.

Für die Software gibt es drei Varianten: der individuelle Zusammenbau durch einen externen Programmierer, der Kauf oder die Miete eines fertigen Webshops oder die Adaption eines Open-Source-Webshops. „Das ist zu Beginn zwar etwas mehr Aufwand, aber Open-Source-Software ist großteils kostenlos und es kommen keine Mehrkosten auf Sie zu, falls der Shop größer wird“, erklärte Aichholzer.

Zum Webshop gehört eine Bezahlmethode. In Österreich regiere online die Kreditkarte, gefolgt von Kauf auf Rechnung, Paypal, Sofort-Überweisung oder SEPA-Lastschriftverfahren. „Achten Sie darauf, dass der Webshop-Anbieter die gewählte Bezahlmethode unterstützt.“ Der Webshop muss sich mit anderen Systemen wie der Website, dem Warenwirtschaftssystem, dem Newsletter oder Social Media Accounts verbinden können.

Damit die Kunden einem Webshop vertrauen, empfahl Aichholzer das Hinzufügen von Gütezeichen. „Sie sind natürlich nur dann sinnvoll, wenn Ihre potenziellen Kunden diese kennen und ihnen vertrauen.“ Mit der Eröffnung eines Webshops kommt auf den Betreiber eine Flut an Rechtsfragen zu, beispielsweise die Rechtsform, Gewerbeschein, Daten- und Konsumentenschutz, E-Commerce- und Urheberrecht, AGBs, Impressumspflicht und vieles mehr.
Ein großer Teil des Marketings ist die Kommunikation, betonte Aichholzer. „Wer nicht kommuniziert, verliert. Nutzen Sie deshalb Social Media, Newsletter oder andere Werbemöglichkeiten und verknüpfen Sie so oft und so gut wie möglich Online mit Offline. Weisen Sie auf jeder Veranstaltung oder im Hofladen auf Ihren Onlineshop hin und umgekehrt.“

Den Webshop immer wieder optimieren

Das Erreichen der Ziele lässt sich beispielsweise über die Menge der verkauften Produkte und den damit erreichte Umsatz kontrollieren, über die Gesamtzahl bestehender und neuer Kunden, die Bekanntheit der Marke oder der Produkte, die Kundenzufriedenheit und die Anzahl der Kundenbeschwerden. „Diese Zahlen müssen Sie im Auge behalten, um darauf basierend Ihren Webshop immer weiter optimieren zu können.“ Verpackung und Versand seien die Achillesferse des E-Commerce. „Vom Klick des Kunden bis zum Ankommen des Produkts läuft ein extrem komplizierter und aufwendiger Prozess, der ebenso oft unterschätzt wird wie die Retouren.“ Wer die Kunden zufrieden stellt, habe seine Pflicht erfüllt, wer seine Kunden begeistert, glänze in der Kür.