
Als „grob fahrlässig“ bezeichnete Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes (ÖBMV), die Forderungen des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments. Dieser wolle „trotz vorbildlicher Waldbewirtschaftung“ forstliche Nebenprodukte wie Waldhackgut nicht mehr zur Wärme- und Stromerzeugung zulassen. Sie sollen ungenutzt verrotten.
Stattdessen setze man lieber auf Importe von Fracking-Gas und forciere die Atomkraft. Dafür habe er „kein Verständnis“, so Titschenbacher bei der Tagung „Raus aus fossilem Gas mit REpowerEU?“, die am 2. Juni in Wien stattfand.
Der Präsident des Biomasseverband sieht in der EU große Biomassepotenziale in Forst-, Land- und Abfallwirtschaft vorhanden, die zum Ausstieg aus russischem Gas forciert werden sollten. So hätten die Holzvorräte in der EU seit 1990 um über 8 Milliarden Kubikmeter zugenommen, das sei mehr als der Waldbestand Österreichs, Deutschlands und Frankreichs zusammen. Nur durch aktive Bewirtschaftung kann laut Titschenbacher ein Waldumbau hin zu klimafitten, stabilen und artenreichen Mischwäldern gelingen.
Fragwürdige Maßnahmen
„Bioenergie ist der bedeutendste erneuerbare Energieträger in der EU. Der Anteil von Biomasse unter den Erneuerbaren beträgt etwa 60 %, in sieben EU-Staaten liegt er sogar über 80 %“, informierte Jean-Marc Jossart, Geschäftsführer von Bioenergy Europe. Aus seiner Sicht blockiert der Europäische Green Deal die Bioenergie-Potenziale, anstatt sie zu nutzen. Mit dem kürzlich verkündeten Plan REPowerEU möchte die Europäische Kommission die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl beenden und die Energiewende beschleunigen. Er zweifelt aber, wie die Energeiwende gelingen soll, wenn eine Einkaufsplattform für Erdgas, Flüssigerdgas (LNG) und Wasserstoff eingerichtet werden soll oder gezielt in LNG-Terminals sowie in die Gas- und Ölinfrastruktur investiert, oder gar alternative Uranquellen für Atomkraftwerke gesichert werden solle.
Der Experte sieht es als völlig realitätsfremd, den Anteil erneuerbarer Energien in sieben Jahren in erster Linie mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus PV und Windkraft sowie der Elektrifizierung des Wärmesektors von 20 % auf 45 % zu steigern. So decke Strom nur etwas über ein Fünftel des Endenergiebedarfs der EU deckt. Die Ursachen für die stiefmütterliche Behandlung der Bioenergie auf EU-Ebene sieht Jossart vor allem in einem „Biomasse-Bashing“ und emotionalen Kampagnen von Umwelt-NGOs.
EU agiert gegen eigene Ziele
Deutliche Worte fand auch Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Fachverbandes Holzenergie im deutschen Bundesverband Bioenergie. „Anstatt Erfüllungsoptionen zu ermöglichen, konterkariert die EU mit den bürokratischen Hürden und neuen Einschränkungen für Bioenergie in der RED III, der LULUCF-Verordnung oder der Taxonomie für nachhaltige Finanzierungen ihre eigenen Energiewende- und Klimaziele. In RED III schlägt Brüssel vor, die Anlagengrößengrenze für Nachhaltigkeitskriterien von 20 MW auf 5 MW zu senken, das Nutzen von forstlicher Biomasse aus „No-Go-Areas“ zu verbieten, ein verpflichtendes Kaskadenprinzip für die Holznutzung und weitere Einschränkungen der forstlichen Biomassenutzung im Jahr 2026. Er wies noch auf ein weiteres Problem hin. Während alle Prognosen zeigten, dass die CO2-Bindung im Wald aufgrund von Alterseffekten abnehmen wird, gebe die EU-Kommission unrealistische Ziele für ein Steigern der Treibhausgassenke. Andererseits müsse der Erneuerbaren-Anteil im Wärmesektor in Deutschland laut Koalitionsvertrag bis 2030 auf 50 % knapp verdreifacht werden. „77 % der erneuerbaren Wärmeenergie in Deutschland basieren auf Holz“, erklärte Bücheler. Ohne feste Biomasse werde der enorme Ausbaubedarf nicht zu leisten sein.
Neue Anlagen nötig
Christoph Pfemeter, Geschäftsführer des ÖBMV, sieht als Schlüssel, um zusätzliche erneuerbare Energie aus Holz zu mobilisieren, eine florierende Holzindustrie und ein daran angepasster Energie-Anlagenpark, der die anfallenden Reststoffe so effizient wie möglich nutzbar macht. In Österreich werden aktuell jährlich etwa 49 Millionen Festmeter Holz umgesetzt, davon 25 Millionen Festmeter im Inland für energetische Zwecke. Dieses Energieholz fällt als Nebenprodukt der Holzernte, der Holzindustrie, der Papierindustrie und der Landschaftspflege an. Wegen wärmerer Winter, efiizienteren Biomassekesseln und besser gedämmten Gebäuden ist der Bedarf an Waldhackgut und Brennholz in den vergangenen Jahren gesunken.