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Vor Ort

Beeren, Ingwer und Kurkuma

Ribisl-Anlage
Patrizia Schallert
am Mittwoch, 18.08.2021 - 15:21

Die Biobäuerin Irene Gombotz hat den elterlichen Betrieb nach der Hofübernahme auf Beerenfrüchte und Bio umgestellt. Mit dem Verein „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“ wurde eine gelungene Vermarktung aufgebaut.

Straden/Steiermark Sie sind jung, innovativ, wollen die Wertschöpfung aus ihren Produkten erhöhen und nennen sich „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“ der Südoststeiermark, darunter auch Irene Gombotz. „Ohne die Gründung unseres Vereins würde es meinen Betrieb in seiner heutigen Form nicht geben und schon gar nicht im Vollerwerb“, sagt die Biobäuerin.

Vor zehn Jahren ist sie in den elterlichen Betrieb eingestiegen, hat ihn umstrukturiert und vor sieben Jahren übernommen. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind für die Jungbäuerin der Zusammenhalt und die Kooperation mit Berufskolleginnen und -kollegen sowie der Mut, neue Wege zu gehen.

Einstieg in den Betrieb erst spät beschlossen

In jungen Jahren hatte Irene Gombotz die Betriebsübernahme nicht im Blick. Die heute 37-Jährige absolvierte die Tourismusschule und arbeitete anschließend auf einem Weingut im Verkauf. „Dort hatte ich aber keinerlei Aufstiegsmöglichkeiten, obwohl ich mich beruflich gern weiterentwickelt hätte.“ Also entschloss sich Gombotz zum Einstieg in den elterlichen Betrieb.
Irene Gombotz

Er gehörte zu den ersten, die in den 80er-Jahren die Produktion steirischer Paradeiser unter kalten Folientunneln für den LEH gewagt hatten. Von je her wurden am Hof auch Kühe und Schweine gehalten. Anfang der 90er-Jahre gab die Familie die Tierhaltung auf und spezialisierte sich auf den Tomatenanbau.

„Aber schon vor zehn Jahren war die goldene Zeit des Paradeiseranbaus vorbei“, erinnert sich Gombotz. Der Druck durch Importe war immer stärker geworden. Auf der Suche nach einem Nischenprodukt, das zum Betrieb und zum warmen Klima der Südoststeiermark passt, hat sich die Jungbäuerin schließlich für den Beerenanbau entschieden und diesen Betriebszweig auf Bio umgestellt. Auf ihrem Betrieb schon zuvor angebaute Früchte wie Saatmais, Ölkürbisse, Roggen und Soja werden weiterhin auf einer Fläche von insgesamt rund 10 ha Ackerfläche konventionell kultiviert. Dafür hat die Familie Anbauverträge abgeschlossen und mit Blick auf die Arbeitskapazität den kompletten Ackerbau an Lohnunternehmen übergeben.

Ribisel, Himbeeren und Heidelbeeren

Nachdem Gombotz den Paradeiseranbau für den LEH aufgegeben hatte, investierte sie stark in die Ribisel-Produktion. Die Kosten für die Anlagen mit Hagelnetz, Bewässerung, Frostberegnung und Pflanzen belaufen sich auf rund 80 000 bis 100 000 €/ha. „Allerdings ist das ein langfristiger Kapitalaufwand, denn die Anlagen bleiben jeweils 25 bis 30 Jahre bestehen.“

Später kam eine Kiwibeeren-Anlage dazu und in einigen der bereits vorhandenen Paradeiser-Folientunneln wurden Sommer- und Herbsthimbeeren gepflanzt. Fünf Jahre lang baute die Familie auch Mini-Wassermelonen an. Letzteres gab sie jedoch aufgrund der Arbeitsspitzen wieder auf, nachdem sich die Ernte der Wassermelonen mit der Ernte der Beeren überschnitten hatte. Auch die Kiwibeerenproduktion erwies sich als wenig zufriedenstellend. Daher wurde heuer rund die Hälfte der Kiwi-Fläche gerodet und mit Heidelbeeren bepflanzt. „Unsere Kiwibeerensorte hat nicht zu den Böden gepasst und war deshalb zu vegetativ. Die Pflanzen entwickelten zu viel Blattmasse und setzten kaum Früchte an, entsprechend gering war der Ertrag.“

Von der Nische zum Betriebsschwerpunkt

Die Bio-Beeren – anfänglich als Nischenprodukt gedacht – entwickelten sich zu einem Betriebsschwerpunkt. Gemeinsam mit vier Berufskolleginnen und -kollegen hat Irene Gombotz eine Handels GmbH für die Bio-Beerenproduktion gegründet. Inzwischen produzieren acht Betriebe Himbeeren, Kiwibeeren, Ribisel und Heidelbeeren für den Ab-Hof-Verkauf, regionale Denns Bioläden und Spar-Märkte.
Der gemeinsame Werbeauftritt erleichtert die Preisverhandlungen. Mit dem Handel wird bereits im Vorjahr besprochen, welcher Betrieb welche Beeren in welcher Mengen anbaut.

Bewässerung ausdem eigenen Teich

Alle Spezialkulturen müssen bewässert werden. „Andernfalls ginge hier gar nichts“, sagt Gombotz. Es sei ein Segen, dass ihre Eltern vor mehr als 20 Jahren für ihre Saatmaisproduktion zusammen mit drei Berufskollegen einen Gemeinschaftsteich angelegt haben. Er ist 1,5 ha groß, rund 8 m tief und wird nur von Niederschlägen und gesammeltem Oberflächenwasser gespeist. „Selbst wenn es zwei Jahre lang keinen Niederschlag gäbe, könnten alle vier Betriebe ihre insgesamt 20 Hektar großen Flächen bewässern.“ Mit Blick auf die zunehmend langen Trockenperioden im Sommer und ausbleibende Niederschläge im Winter sei die Anlage des Teichs eine weise Entscheidung gewesen.

Ingrid Gombotz zeigt auf den Bewässerungsteich

„Als ich vor zehn Jahren in den Betrieb eingestiegen bin, hat es noch keine Spätfröste gegeben“, erinnert sich die Biobäuerin. „In den vergangenen fünf Jahren haben sie kontinuierlich zugenommen. Schon im März verzeichnen wir jetzt manchmal Temperaturen von 15 bis 20 Grad Celsius und die Kulturen treiben aus. Die Spätfröste Ende April bis Anfang Mai führen dann nicht selten zu einem Totalausfall.“ Auch Hagel- und Sturmereignisse, die streifenweise über die Region hinwegfegen, hätten stark zugenommen.

Während ihrer Ausbildung zur Facharbeiterin und Meisterin für Feldgemüsebau traf Irene Gombotz auf Berufskollegen aus der Südsteiermark, die mehr aus ihrem Betrieb machen und dem Gemüseanbau im südlichen Bundesland „ein Gesicht geben“ wollten. Durch den Zusammenschluss von Freunden sei 2017 in der Südsteiermark ein Verein mit 16 Mitgliedern entstanden. Sie alle produzieren qualitativ hochwertige, kreative Produkte, die regional vermarktet werden. Über den Verein konnten sich die Mitgliedsbetriebe neue Käuferschichten erschließen. So beliefern sie ihre Hofläden wechselseitig mit ihren betriebsspezifischen Produkten. Zudem hat Spar in seinen südsteirischen Geschäften aus dem Verein veredelte Paradeiserprodukte wie den „Steirischen Paradeisersaft“ unter der Vereinsmarke „Die jungen wilden Gemüsebäuerinnen | Bauern“ in sein Sortiment aufgenommen. Das österreichische Handelsunternehmen habe sich als fairer Partner auf Augenhöhe erwiesen.

Spar ist wichtiger Handelspartner

Zu einem wichtigen Handelspartner entwickelte sich Spar auch bei der Bio-Ingwer- und Bio-Kurkuma-Vermarktung. „Die Idee zum Anbau dieser Kulturen ist durch eine Bekannte entstanden“, erklärt Gombotz. „Sie sagte, dass es so gut wie keinen frischen österreichischen Ingwer gibt.“ Nach dem Besuch eines ökologischen Gemüsebauversuchsbetriebs im oberfränkischen Bamberg wagten drei Mitglieder der „Jungen Wilden“ im vergangenen Jahr den Anbau dieser exotischen Kulturen in ihren bereits vorhandenen Folientunneln. „Für die Pflanzen ein tropisches Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit zu schaffen, war dabei unsere größte Herausforderung.“ Im Verkauf sind Bio-Ingwer und Bio-Kurkuma aus der Steiermark rund ein Fünftel teurer als ausländische Ware.

Bio-Ingwer und -Kurkuma auf kleiner Fläche

Weil die 20 Kurkumapflanzen und der auf 0,2 ha angebaute Ingwer sehr gut gediehen, erweiterte Gombotz heuer die Anbaufläche beim Ingwer auf 0,3 und bei Kurkuma auf 0,1 ha. Die ersten Setzlinge hatten die drei Betriebe aus Süditalien bezogen. „Heuer haben wir einen Teil der Setzlinge von einem steirischen Anbieter gekauft, der sie neu im Sortiment hat. Die Pflanzen entwickeln sich gut, sodass wir sie wohl auch künftig dort kaufen werden.“ Anders als Importware sei heimischer Ingwer nicht trocken, sondern habe eine zarte Haut, ein feineres Zitrusaroma und sei weniger fasrig. Ingwer und Kurkuma werden Mitte Mai gesetzt, die Ernte erfolgt ab Ende Oktober bis Weihnachten, je nach Bedarf immer frisch.
„Bildet eine Pflanze 300 bis 500 Gramm Rhizome, entspricht das einem guten Ertrag“, erklärt Gombotz. Einen Schädlingsdruck konnte die Biobäuerin bislang nicht verzeichnen, auch benötigten die Ingwer- und Kurkumapflanzen keine besondere Pflege. Allerdings müsse in der Wachstumsphase bis zu viermal Unkraut gejätet werden. Welche Fruchtfolge sie durchführen wird, kann Gombotz mangels Erfahrungswerten noch nicht sagen. Im Winter werden auf allen Flächen der einjährigen Gemüsepflanzen Stroh für den Humusaufbau und Hühnermistpellets als Dünger ausgebracht. Neben Paradeisern werden auch Gurken, Paprika, Melanzani und Zucchini für die Direktvermarktung auf rund drei Prozent der Flächen angebaut.

Selbstbedienungs-Box für den Ab-Hof-Verkauf

Für den Ab-Hof-Verkauf hat die Familie vor vier Jahren eine ansprechende „Selbstbedienungs-Box“ errichtetet. Rund die Hälfte der dort angebotenen Bioprodukte stammt aus Eigenanbau.

Selbstbedienungsbox

Um die Sortimentsvielfalt zu erhöhen, liefern Mitglieder des Vereins zusätzlich Dinkelprodukte, Eier, Senf oder Steirer Reis. Gombotz freut sich, dass die Zahl der Kunden im Bio-Bereich jährlich wächst.

Dass sie sich als Frau in einem stark von Männern dominierten Berufsfeld durchsetzen konnte, führt Gombotz auf ihre fachliche Kompetenz zurück. Unter den gleichaltrigen Berufskollegen sei sie ohnehin immer gut angenommen worden. Die ältere Generation habe sie akzeptiert, sobald sie erkannten, dass die junge Frau genau weiß, was sie tut und wovon sie spricht. Deshalb empfiehlt Gombotz dem weiblichen Nachwuchs das Aneignen von Fachwissen und den regelmäßigen Austausch mit Berufskollegen. „Sie sollten mit zu Versammlungen und Schulungen gehen und die Weiterbildung nicht allein ihren Männern überlassen.“

Irene Gombotz hat die Betriebsübernahme nie bereut und sich gerne den Herausforderungen gestellt. So lernte sie den Beruf der Bäuerin zu schätzen. „Vor allem meine Selbstständigkeit möchte ich nicht mehr missen.“