Auf einen Blick
- Die Wolfsrisse häufen sich in Bayern und im Alpenraum. Die Weideviehhalter und das Almpersonal sorgen sich um ihre Tiere und sind höchst verunsichert.
- Die sogenannte Wolfskulisse ändert sich derzeit laufend (siehe: www.lfu.bayern.de/natur/wildtiermanagement_grosse_beutegreifer/praevention/herdenschutz_wolf/index.htm).
- Viele geforderte Herdenschutzmaßnahmen sind jedoch in der Praxis nicht umzusetzen.
Bauern und Almpersonal sind verunsichert
Jetzt haben wir den Schlamassel“, sagt Joseph Grasegger, Chef der Weidegenossenschaft Partenkirchen und Vorstand des Landesverbands der Bayerischen Schafhalter. Besorgt trifft er sich mit den Hirten der Esterbergalm im Landkreis Garmisch-Partenkirchen zum Meinungsaustausch und zur Lagebesprechung. „Die Bauern und das Almpersonal in der Region sind nach den jüngsten Ereignissen höchst verunsichert“, sagt Grasegger besorgt. Diese Entwicklung war aus seiner Sicht lange vorherzusehen. Seit einer Woche gehört der Markt Garmisch-Partenkirchen und seine Nachbargemeinden offiziell zur sogenannten Wolfskulisse.
Vorausgegangen waren dieser tiefgreifenden Maßnahme Wolfsrisse nahe einer Hofstelle in Hintergraseck. Fünf Schafe fielen hier dem Wolf zum Opfer. „Vier waren gleich tot. Eines hat noch gelebt und musste von seinem Leid erlöst werden“, sagt Grassegger ernst und erinnert sich an die grausamen Rissbilder. Unter anderem in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Weilheim-Schongau, Bad Tölz, Aichach und dem Allgäu seien Wolfssichtungen von Wildtierkameras aufgezeichnet worden. 14 offizielle Wolfsnachweise seien es insgesamt allein in den vergangenen drei Monaten gewesen.

„Die Sache läuft jetzt aus dem Ruder. Auch wenn wir im Vergleich zu anderen Bundesländern noch relativ gut dran sind. Aber dort ist auch die Besiedelungs- und Nutzungsstruktur eine vollkommen andere“, sagt Grasegger. „Wir wurden zwar nun auch zur Förderkulisse erklärt wie zuvor Traunstein und nach uns Aichach. Nur bringt uns das beim Kernproblem nicht wirklich weiter“, macht der Schafzüchter und Mutterkuhhalter deutlich.
Zuschüsse für Wolfszäune sowie Herdenschutzhunde (ab 50 Schafe) könnten demnach beantragt werden, um in spätestens einem Jahr im Falle eines Wolfsrisses überhaupt noch vom Staat entschädigt zu werden, „doch mit der Praxis hat das nichts zu tun“, so Grasegger wütend. Allein im Landkreis Garmisch brauche man seiner Schätzung zufolge 360 km Zaun, um die Almen gegen den Wolf aufzurüsten. Gerade die Schafe ziehen weit hinauf in die Felsregionen, sogar bis auf das Zugspitzplatt. „Da lassen sich keine Zäune mehr aufstellen.“
Weideschutzzonen in großem Rahmen
Ein bereits unter Beteiligung der LfL erstelltes sowie unter den Berg-bauern und Almerern bestens bekanntes Gutachten im Bezug auf die „Schützbarkeit der Weideflächen“ besagt, dass höchstens zehn Prozent der Weideflächen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen überhaupt schützbar wären. Dieses wertvolle Papier scheint in irgendeiner Schublade der zuständigen Behörde verschütt gegangen zu sein. Man habe Umweltminister Glauber bereits gebeten, der Sache auf den Grund zu gehen. Denn die Zeit drängt.
Was der Vorsitzende der bayerischen Schafhalter fordert, sind Weideschutzzonen in weitem Rahmen und nicht nur auf den Alpenraum beschränkt, sondern praxisorientiert auf ganz Bayern ausgelegt. Solange auch die rechtliche Grundlage für eine gezielte Entnahme der Wölfe fehle, vermehren und verbreiten sich die Tiere weiter unkontrolliert und die Landwirtschaft habe das Nachsehen.
Andere Länder entnehmen Tiere
In anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien oder der Schweiz gehe es schließlich auch Tiere, die Probleme machen, zu entnehmen. Hier habe man sich eigene Bestandsobergrenzen für die Wolfspopulation gesetzt. „Der Wolf muss ins Jagdrecht“, fordert Grasegger daher weiter. Auch brauche es seiner Meinung nach bestimmte, privilegierte Personen, die den Abschuss tätigen dürfen, zum Beispiel aus einer bestimmten Organisation. „Denn wenn das irgendein Jäger machen soll, dann ist der gesellschaftliche oder mediale Druck auf diese Personen einfach zu extrem“, prognostiziert er Hetzkampagnen von Seiten militanter Tierschützer.
Naturnaher Kreislauf der Region in Gefahr
Die Almen wieder zu verlassen, wie es beispielsweise Österreichische Schafhalter diesen Sommer schon gemacht haben, ist für ihn keine Option. „Wir brauchen einfach die Futtergrundlage am Berg um unsere Talbetriebe zu entlasten“, schildert er. Auch im Zuge der neuen Düngeverordnung müsse man heute stärker als je zuvor darauf schauen, wie man mit der anfallenden Gülle und dem Mist hinkomme. „Bei unserer kleinstrukturierten und über Generationen gewachsenen Bewirtschaftungsweise war das bislang kein Problem. Im Gegenteil, wir haben das geschaffen, was Tausende Menschen so lieben, nämlich unsere einzigartige Kulturlandschaft.“ Aber dieses wertvolle Kreislaufsystem sehen Grasegger und viele seiner Mitstreiter nun ernsthaft in Gefahr, so auch die Almerer der Esterbergalm.
Herdenschutz: Was wird gefördert?
Mit der Förderrichtlinie „Investition Herdenschutz Wolf“ fördert der Freistaat Bayern Investitionen zum Schutz von Nutztieren vor Übergriffen durch Wölfe. Dadurch soll bei Haltern von Nutztieren die Akzeptanz für wildlebende Wölfe in Bayern möglichst gesteigert werden. Die Weidetierhaltung als besonders tierwohlgerechte Form der Nutztierhaltung ist aus naturschutzfachlichen, landeskulturellen und sozioökonomischen Gründen für den Erhalt unserer Kulturlandschaften unverzichtbar. Die Zuwendung zielt darauf ab, die Zahl der Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere möglichst gering zu halten, sodass die betreffenden Tierhalter die Möglichkeit erhalten, die Weidetierhaltung bei gleichzeitiger Existenz wildlebender heimischer Wölfe auch weiterhin zu betreiben. Gefördert werden folgende Investitionen:
- Mobile Elektrozäune und elektrifizierte Festzäune,
- Mobile Ställe (nur für Schafe und Ziegen),
- Herdenschutzhunde (Das Beantragen einer Förderung dafür ist derzeit noch nicht möglich).
Weitere Infos und Anträge gibt es unter: www.stmelf.bayern.de/agrarpolitik/foerderung/244077/