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Waldarbeit

Der Wald kennt keine Geschlechter

Antonia Reindl
am Dienstag, 10.05.2022 - 08:00

Beim Motorsägenkurs für Frauen offenbart sich: Ein waagrechter Schnitt ist keine reine Männersache. Immer mehr Frauen zieht es zur Arbeit in den Wald.

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Was eben noch fest verwurzelt im Forst stand, poltert nun mit einem lauten Rumms zu Boden. Die Motorsäge verstummt. Eine Frau hebt das Visier ihres Helmes und blickt kontrollierend in die Richtung, in der der Stamm gefallen ist. Sie will verstehen, wie eine Fällung funktioniert. Und sie ist nicht die einzige.

Männerdomäne Wald – das war einmal. Früher erbten nur Söhne Forst. Heute ist das anders. 41 % des bayerischen Privatwaldes liegen heute in Frauenhand, in Allein- oder Mitbesitz. Darauf gehen auch die Waldbesitzervereinigungen und der Bayerische Bauernverband immer stärker ein und bieten eigens für Frauen Begehungen, Fortbildungen und Seminare. So wie den zweitägigen Motorsägenkurs, den das BBV-Bildungswerk in Zusammenarbeit mit dem AELF Weilheim Ende April in einem Wald bei Huglfing abhielt.

Frauen in voller Montur

Neun Frauen stehen am Waldrand. Mittendrin Kursleiter Johannes Unland, der sich seit Mitte der 80er Jahre der Forstarbeit verschreibt. Tags zuvor hat er mit seinen Schülerinnen Theorie gelernt, jetzt folgt die Praxis. Bei der Sicherheitsbelehrung steht jede in voller Montur: robustes Schuhwerk, Jacke in Leuchtfarben, Schnittschutzhose, Helm mit Visier und Gehörschutz. Von der Ausstattung her brauchen sich die Frauen nicht zu verstecken. Dass die Männer im Wald dennoch auch 2022 gewisse Vorrechte genießen, zeigt sich, als ein Bulldog mit Bier auf dem Anhänger vorbeifährt. Später kommt er mit einem Maibaum zurück. Dessen Fällung: Männersache.

"Tod auf Raten" lautet das Urteil

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Also weiter voran auf dem Pfad der Gleichberechtigung. Es folgen Baumansprachen. Die Analyse des ersten von insgesamt vier Stämmen, für die es in die Horizontale gehen wird, lautet: Sonnenbrand, stellenweise Totholz, der Baum steht im Wind. „Tod auf Raten“, so Unlands Urteil. Er leitet Andrea Baron aus Eberfing bei der Fällung an.

Die Richtung des Falls wird bestimmt, ein Ziel in der Ferne gewählt, Stolperfallen weggeschnitten, das „Schmirgelpapier“ Moos entfernt. Dann wird die Säge angesetzt und eine ergonomische Haltung eingenommen. Die Führungsschiene soll so waagrecht gehalten werden, als ob ein Glas Wasser darauf abgestellt sei, sagt Unland. „Bei Männern steht eine Halbe Bier drauf, die können mit Wasser nichts anfangen“, meint er. Ob‘s stimmt...?

Kleinigkeiten bestimmen den Erfolg, nicht Kraft

Dann fällt der Baum. Das Knacken im Stamm ist bis in die Säge spürbar. Es folgen eine Sicherheitsfällung und eine Fällung mit Fällheber. Unland korrigiert Details. Kleinigkeiten bestimmen den Erfolg, nicht Kraft, sagt er. Der Stamm wird miteinander „geputzt“, also alle Äste entfernt. Anschließend schneiden die Frauen Scheiben daraus, sogenannte Cookies, und Quader mit dem Stechschnitt, als Übung.

Bei Ursula Preisinger aus Sachsenried wirken die Bewegungen mit der Motorsäge schon ganz routiniert. Den Umgang mit dem Gerät hat sie vor Jahren an der Waldbauernschule gelernt. Dann kamen die Kinder dazwischen. Rund 13 ha Wald bewirtschaften ihre Eltern. Preisinger möchte dort gern selber Brennholz machen und Schadbäume entfernen. Wenn sie den Wald eines Tages von den Eltern übernimmt, dann aber nur mit Dienstleister, sagt sie: „So gscheit muaß ma sei, dass ma seine Grenzen kennt.“

Es geht nicht darum, alles selber zu machen. Das machen auch die wenigsten waldbesitzenden Männer. Nach dem Kurs werde Waldarbeit wohl „nicht mein Job“, sagt auch Maria Hinterholzer aus Münsing. Aber zumindest müsse sie die Männer künftig nicht mehr immer fragen, erklärt sie, warum sie den Kurs mitmacht. Auch ihre Familie besitzt Wald. In der Arbeit mit der Motorsäge stecke „viel Technik, warum sollten das Frauen nicht auch können?“

Frauen greifen zur Motorsäge

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Wartelisten für Motorsägenkurse

Frauen „gehen anders an die Sache ran, oft strukturierter“, sagt Unland. Nicht selten würden sie schnellere Fortschritte verzeichnen als Männer. Vor sieben Jahren fing er mit Kursen für Frauen an. Die Nachfrage ist groß, es gibt Wartelisten. Dass man Frauen für die Sache gewinnen kann, ist für Unland keine Überraschung. Oft riefen die Ehefrauen oder Mütter bei ihm an, um für Gatte oder Sohn einen Kurstermin zu vereinbaren. „Da kommt man ins Gespräch.“

Franziska Ruhdorfer aus Edenhof war schon als Kind im Wald unterwegs, mit ihrem Vater, der ihr den Umgang mit der Motorsäge gezeigt hat. Dass sie den Kurs nun absolviert, „freut den Papa und ist der Mama wichtig“, sagt sie. Die Arbeit im Holz sei schließlich „sackgefährlich“. Und auch das gilt gleichermaßen für Mann und Frau.