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Naturschutz

Schafe grasen für Schmetterlinge

on_Schaefer Gaebler Herde Panorama
Andrea Hammerl
am Mittwoch, 11.05.2022 - 15:00

Sascha Gäbler treibt 1000 Schafe und Ziegen auf die Wacholderheiden im Naturpark Altmühltal und pflegt damit einzigartige Biotope.

on_Schaefer Gaebler mit seiner Herde

Flächenfraß? Nein, darum muss sich Sascha Gäbler keine Sorgen machen, jedenfalls nicht bei seiner Sommerweide. Der Wanderschäfer beweidet mit seiner Schafherde die Wacholderheide im FFH-Gebiet des Altmühltals zwischen Solnhofen, Mühlheim, Ochsenhart, Eßlingen und Mörsheim.

Karge, trockene, vor allem aber unverbaubare Hänge, ein Biotop für seltene Schmetterlinge, Vögel und Pflanzen. Sofern sie vor Verbuschung bewahrt werden. Das ist Gäblers Aufgabe, beziehungsweise die seiner 420 Mutterschafe samt Nachzucht und seiner 30 Ziegen. An die tausend Tiere treibt der Schäfer am Wochenende beim Altmühltaler Lammauftrieb wieder durch die engen Gassen von Mörsheim, begleitet von Tausenden von Zuschauern. Seinen wesentlich ruhigeren Job später in der Heide beschreibt er so: „Ich versuche, die Verbuschung zu verhindern, so gut es geht, und bestimmten Schmetterlingsarten ihr Refugium zu erhalten, damit sie sich gut entwickeln.“

on_Schaefer Gaebler Ziege

Seit gut zwanzig Jahren wird das mit Erfolg für den vom Aussterben bedrohten Apollofalter praktiziert, dem es hier an der Felsformation Zwölf-Apostel bei Solnhofen recht gut geht.

Wirts- und Futterpflanze der Apollofalterraupe ist der Mauerpfeffer, den es bei der Beweidung freizulegen gilt. Auch für Berghexe und Streifenbläuling, die am stärksten gefährdeten Tagfalterarten Bayerns, versucht er, das Habitat passend zu gestalten. Was bedeutet, dass Gäbler deren bevorzugte Eiablageplätze zu bestimmten Zeitpunkten beweiden muss.

Gemeinsam mit dem Schmetterlingsexperten Adi Geyer aus Bamberg hat er einen Beweidungsplan ausgetüftelt, so dass die jeweilige Futterpflanze zum Zeitpunkt der Eiablage da ist. „Jeder Schmetterling braucht sein bestimmtes Habitat“, erklärt der 55-Jährige, „der Apollofalter braucht jetzt eine strenge Beweidung und dann Ruhe bis Ende August, wenn sich die Larven verpuppen“.

Für die Heckenpflege sind die Goaßen zuständig. Sie schaffen mit dem richtigen Fraß zum richtigen Zeitpunkt das ideale Habitat beispielsweise für den Neuntöter, denn der mag die Zweige weder zu alt noch zu jung. Eine Wissenschaft für sich also.

So wenig mit Hund wie möglich

on_Schaefer Gaebler Huetehund

Die Schafe kümmert das wenig. Die Nacht haben sie im Pferch verbracht und warten geduldig auf den Schäfer. Ungeduldiger als die Herde scheinen Bine und Greif, Gäblers Altdeutsche Hütehunde, begierig, ihre Arbeit zu tun. Der Schäfer dirigiert sie mit Zurufen, Pfiffen und manchmal auch nur dezenten Handbewegungen.

Insgesamt setzt er die beiden eher sparsam ein. „So wenig mit Hund wie möglich“, lautet seine Devise zum schonenden Umgang mit den Schafen, die frisch geschoren noch mehr Respekt vor den Hunden haben. „Wenn die jetzt anpacken, und das müssen sie, dann tut es richtig weh“, erklärt Gäbler.

"Meine Schafe haben mich immer ernährt, mal besser, mal schlechter“

Erfahrene Schafe wissen sowieso, wo es langgeht. Elf, zwölf Jahre alt sind die ältesten der robusten Bergschafe, die er teils in Reinzucht weiterführt, zum Teil mit Dorper, einer südafrikanischen Fleischrasse kreuzt, um Schlachtlämmer zu erzeugen. Wobei die Lämmer keine allzu große Rolle mehr für die Wertschöpfung des Schäfers spielen.

„Der Naturschutz spielt klar die erste Geige“, stellt er klar. Während die Lämmer – 300 sind es etwa jährlich, je 150 im Frühjahr und Herbst – immerhin noch einen Deckungsbeitrag liefern, stellt die Wolle ein Zuschussgeschäft dar, der Ertrag reicht nicht einmal für die Schurkosten.

„Man kann von der Schäferei leben, aber reich wird man nicht davon, man muss sie mögen, sonst kann man es vergessen“, meint der Solnhofener lakonisch, will sich aber keinesfalls beschweren, denn „meine Schafe haben mich immer ernährt, mal besser, mal schlechter“.

Schafe bleiben ganzjährig draußen

on_Schaefer Sascha Gaebler Portrait

Mehr als 40 Jahre arbeitet er schon als Schäfer, absolvierte mit 15 Jahren die Lehre, war dann als Angestellter, später selbstständig tätig. Die Wanderschäferei in Solnhofen betreibt er seit fast 30 Jahren gemeinsam mit seiner Frau Manuela, ohne Angestellte. Dass er den Schäferberuf ergriffen hat, war eher Zufall. „Ich wollte schon immer einen Hund haben“, sagt er. Was aber in der Großstadt nicht ganz einfach war.

Für Wanderschäfer sind Hunde sozusagen Pflicht, und auch sonst hat Sascha Gäbler seine Berufung gefunden. „Das Vieh und die Natur mit den Jahreszeiten“, antwortet er auf die Frage, was ihm an seinem Beruf gefällt. Er kann sogar dem November etwas Positives abgewinnen, er freut sich auf die Winterweide. Dann zieht er durchs Schuttertal Richtung Ingolstadt, Großmehring, Geisenfeld, dann das Inntal hinauf bis er schließlich im Paartal, seiner „zweiten Heimat“ bei Schrobenhausen landet.

Gäblers Schafe bleiben ganzjährig draußen. Das Wichtigste für die Herbstweide sind guter Kontakt zu und klare Absprachen mit den Landwirten.

on_Schaefer Gaebler Herde Landstrasse

Sein größtes Problem? „Bürokratie, Bürokratie, Bürokratie!“, antwortet der Wanderschäfer, „das ist alles ein Wahnsinn“. Beispielsweise seien seine Flächen keine Fußballfelder, sondern ließen sich nur grob bemessen. „Wir haben ein ganzes Heer von Experten – wenn die zurückzahlen müssten, was sie mit ihrer Expertise erreichen, dann hätten wir keine mehr“, meint er.

Daneben ärgern ihn Touristen, die nicht einmal grüßen, aber fragen, wie viele Schafe er habe? „Ich frag doch auch nicht nach deren Einkommen“, meint er.

Und der Wolf? „Prinzipiell habe ich nichts gegen den Wolf – sofern er sich so scheu verhält, wie es uns die Experten immer weismachen wollen“, sagt Gäbler, allerdings zeigten Erfahrungen aus Ost- und Norddeutschland, dass dem keineswegs so sei. „Wenn ein Wolf zum Problem wird, muss er unbürokratisch entnommen werden“, fordert er.

on_Schaefer Gaebler Herde Panorama

Gäblers Schafe ziehen unbelastet von Wolf, Bürokratie oder Touristen langsam weiter zum Brutgebiet des Apollofalters. Die Hunde braucht er nicht mehr, seit die Straße überquert ist. „Die Schafe wissen, wo es Wasser gibt“, sagt der Wanderschäfer, der den Tieren unterwegs immer wieder Gelegenheit zum Fressen gibt.

Am Wasserfass angekommen, hat er dann alle Hände voll zu tun, mehrere Kübel zu füllen, bis alle Schafe und Ziegen ihren Durst gestillt haben.

Alle Hände voll zu tun wird er auch beim Lammauftrieb haben. Der ist zwar mehr für Touristen gedacht – schließlich sind die Schafe längst unterwegs – aber Gäbler spielt seit 18 Jahren geduldig mit. Solang die Eltern auf ihre Kinder aufpassen und sich nicht für ein Foto der Herde in Weg stellen.

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18. Altmühltaler Lammauftrieb

Die Marktgemeinde Mörnsheim richtet den Altmühltaler Lammauftrieb zum 18. Mal am Samstag und Sonntag, 14./15. Mai, aus. Jeweils um 11 Uhr öffnet der Schäfer- und Handwerkermarkt am Kastnerplatz.

Am Samstag um 14 Uhr folgt der Auftritt der Altmühltaler Lamm-Königin, Weideauftrieb mit Sascha Gäbler ist an beiden Tagen ab 15 Uhr mit anschließender geführter Wanderung durch die Wacholderheiden und Schafschurvorführung.

Weitere Infos unter bit.ly/3M09zLi.